Studie zur Inseratenaffäre: Ex-Kanzler Kurz kam häufiger in Berichten vor
Die Inseratenaffäre ist nun auch wissenschaftlich erforscht: Ein Team der Universitäten Wien und Fribourg/Freiburg (Schweiz) hat rund um die Vorwürfe beeinflusster Berichterstattung durch Regierungsinserate im Boulevardmedium oe24 eine umfangreiche Studie durchgeführt.
Das Ergebnis der Untersuchung: Der ehemalige Kanzler und ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz wurde nach den mutmaßlichen Absprachen ab 2016 in Wolfgang Fellners Onlinemedium oe24 erheblich häufiger erwähnt als dies ohne politische Einflussnahme statistisch zu erwarten gewesen wäre. Kurz' Konkurrenz wurde demnach tendenziell negativer dargestellt. Die Studie wurde kürzlich in der Fachzeitschrift The International Journal of Press/Politics veröffentlicht.
222.000 Artikel wurden untersucht
Für die Studie wurden 222.000 Nachrichtenartikel aus 18 österreichischen Medien von 2012 bis 2021 untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass Kurz ab 2016 nach den mutmaßlichen Absprachen bei oe24 zwischen 50 und 100 % häufiger erwähnt wurde, als dies ohne Absprachen - verglichen mit anderen Medien - zu erwarten gewesen wäre. Bei anderen Politikern konnten in der Studie keine vergleichbaren Veränderungen bezüglich der medialen Sichtbarkeit festgestellt werden.
"Unterschiedliche Definitionen der Vergleichsmedien liefern dabei stets ein eindeutiges Ergebnis: Die Berichterstattung über Sebastian Kurz in OE24 ging im Zeitraum nach den vermeintlichen Absprachen stark nach oben", wird Martin Huber, Professor für Angewandte Ökonometrie und Politikevaluation an der Universität Fribourg/Freiburg (Schweiz) in einer Aussendung zitiert.
Die Studienergebnisse deuten zudem darauf hin, dass über Kurz in oe24 zwar nicht positiver, über seine Konkurrenz jedoch tendenziell negativer berichtet wurde.
Keine juristischen Schlüsse, aber "zumindest kritische Fragen"
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind noch nicht abgeschlossen. Die Studienautoren betonen, dass sie keine juristischen Schlüsse aus den Ergebnissen ziehen, ob tatsächlich illegale oder strafrechtlich relevante politische Einflussnahmen vorlagen. Unabhängig davon, ob es tatsächlich zu Absprachen zwischen Kurz und Fellners Mediengruppe Österreich gekommen sei, würden die Ergebnisse jedoch "eine auffällig abweichende Berichterstattung" zeigen. "Ein Umstand, der zumindest kritische Fragen aufwerfen sollte", so Kommunikationswissenschafter Jakob-Moritz Eberl von der Universität Wien.
Politische Einflussnahme auf Medien bzw. das Bestreben danach sei immer wieder Teil der Strategie österreichischer Regierungspolitiker gewesen. Daraus könne in extremen Fällen "auch eine symbiotische, aber korrupte Beziehung entstehen, in der Medien bewusst mitspielen, besonders wenn finanzielle Anreize geboten werden", sagt Eberl. "Dieser spezielle Fall in Österreich unterstreicht einmal mehr, wie fragil die Medienunabhängigkeit in Demokratien sein kann. Es bedarf daher klarer Regelungen und größerer Transparenz bei staatlichen Werbeausgaben, um Risiken politischer Einflussnahme auf Medien zu minimieren und die journalistische Unabhängigkeit zu wahren."