Kultur/Medien

RTL+ zeigt sechs hochkarätige Filme nach Ferdinand von Schirach

Ascher kann aufatmen. „So ruhig“, sagt der Pensionist zu sich, auf dem idyllischen Seegrundstück des Elternhauses sitzend. „Wie früher.“ Er habe immer vorgehabt, nach dem Tod der Eltern wieder hierherzuziehen, erzählt er später. Hier fühlt er sich geborgen.

Doch damit ist es vorbei, als er mitbekommt, dass auf dem Nachbargrund Ferienhäuser entstehen sollen. „Sie dürfen das aber nicht bauen. Sie müssen alles so lassen, wie es ist“, fleht er Behörden und Nachbarn an, bis die es nicht mehr hören können. Es ist der Beginn eines wohl erneuten Scheiterns in seinem Leben. Ascher wird zum Wutbürger – und packt das Problem bei der Wurzel, indem er die Nachbarin tötet.

„Das Seehaus“ ist einer von sechs Filmen nach Ferdinand von Schirach, die nun beim Streamer RTL+ Premiere hatten. Die 50-Minüter sind „formal unabhängig“, von hochkarätigen Regisseuren und Schauspielern (siehe Kasten) sowie mit einer bemerkenswerten Bildgestaltung umgesetzt.

Wie nahezu immer bei Schirach geht es um Schuld und Sühne, um Recht und Gerechtigkeit und um „Strafe“, so auch der Titel des Kurzgeschichten-Bandes, aus dem die Vorlagen zu fünf der Filme entlehnt sind. Wen es da wie trifft, darüber scheint das Schicksal zu würfeln.

Kein Tamtam

In „Das Seehaus“ gibt Olli Dittrich („Dittsche“) den zunächst freundlichen Rentner. Der Unterschied zu den meisten handelsüblichen deutschen Krimis war für Dittrich schon beim ersten Lesen des Drehbuchs klar: „kein großes Opening mit Tamtam am Tatort, keine mysteriöse Leiche, keine Polizisten hinter rot-weißem Flatterband oder Spurensicherer in weißen Schutzanzügen, keine Verfolgungsjagden, keine Special Effects, keine Action-Szenen oder Autos, die in die Luft fliegen. Es beginnt eher harmlos, fast idyllisch und nimmt sich Zeit.“

Doch das Ende ist dramatisch. „Eine furchtbare Tat, bei der Täter und Details des Verbrechens eigentlich klipp und klar sind. Und trotzdem: bei der die Rechtsprechung an ihre Grenze kommt.“

Alle Inhalte anzeigen

Recht haben und Recht bekommen sei ja oft zweierlei, so Dittrich. „So ist es auch hier. In einer entscheidenden Szene am Ende der Gerichtsverhandlung heißt es sinngemäß: der Unrechtsstaat unterscheidet sich vom Rechtsstaat eben darin, dass der Rechtsstaat nicht um jeden Preis die Wahrheit ermitteln darf.“

Das Urteil spricht im Film übrigens kein Schauspieler, sondern ein tatsächlich amtierender Richter.

Die Vorlage
„Strafe“ ist ein Band mit   Kurzgeschichten Ferdinand von Schirachs sowie meist Vorlage und der Titel des RTL+-Filmpakets

Die Regie
Regie von Helene Hegemann („Axolotl Overkill“), Patrick Vollrath („7500“), Mia Spengler („Back for Good“), Oliver Hirschbiegel („Der Untergang“), David Wnendt („Feuchtgebiete“), Hüseyin Tabak („Gipsy Queen“)

Der Cast
Mit u. a. Josef Bierbichler, Olli Dittrich, Katharina Hauter, Hans Löw, Ebru „Ebow“ Düzgün

Wartezeit

Für Olli Dittrich ist es seine erste dramatische Hauptrolle: „Ich könnte fast sagen, lange habe ich darauf gewartet, plötzlich war das Angebot da und mir war sofort klar: Das ist es jetzt, das muss jetzt sein.“

Inszeniert hat „Das Seehaus“ Patrick Vollrath, der u. a. für seine Abschlussarbeit an der Wiener Filmakademie „Alles wird gut“ für den Studenten-Oscar nominiert war. Vollrath sagt: „Dieser Grenzfall, der sich um die Gedankenfreiheit des Menschen dreht, war es, der mich bei der Kurzgeschichte fasziniert hat. Ich wollte die Zuschauerinnen und Zuschauer mit der Frage konfrontieren, wie viel ihnen die Freiheit ihrer Gedanken wert ist, selbst wenn dadurch vor ihren Augen vermeintliches Unrecht geschieht. In einer Zeit, wo wir durch große Tech-Unternehmen immer mehr zum ,Gläsernen Menschen’ werden, eine wichtige und große Frage.“

Alle Inhalte anzeigen

Kafkaesk

Aus der Reihe bei dieser Anthologie-Serie tanzt „Der Dorn“, den Hüseyin Tabak („Gipsy Queen“), ebenso vormals Haneke-Schüler, in kühlen Bildern umgesetzt hat. Es ist eine ziemlich kafkaeske, teils auch humorvolle Geschichte, die aber aus dem Band „Verbrechen“ stammt. Darin gerät ein introvertierter Museumswächter während vieler Jahre im immer gleichen Raum in den Bann des „Dornausziehers“. Eine Frage nach etwas, das der antiken Marmorstatue zu fehlen scheint, bringt ihn aus dem Gleichgewicht.

Schauspieler Hans Löw über den Antihelden: „Feldmayer ist auf maximale Weise sehr lange mit sich selbst konfrontiert. Deshalb ist es in gewisser Weise nicht so sehr ein Film über Recht und Strafe, sondern einer über Kunst. Weil man sich ja im Kunstobjekt auch immer selbst sucht und manchmal findet. Kunst wirft etwas auf einen zurück – und kann Veränderung bewirken.“

Der härteste Film der Produktion von Oliver Berbens Moovie ist „Subotnik“. Regisseurin und Autorin Helene Hegemann („Axolotl Overkill“) erzählt eine Geschichte um Verschleppung, Versklavung und Vergewaltigung. Eine Anwältin verhilft darin einem Menschenhändler zum Freispruch wegen eines Verfahrensfehlers – und die Hauptbelastungszeugin verschwindet …