Produzenten wollen Investitionsverpflichtung für Streamer und Sender
Von Christoph Silber
Nach der kompletten Neuaufstellung der Filmförderung 2023 fordern Österreichs Produzenten den nächsten Schritt: die Einführung einer Investitionsverpflichtung für audiovisuelle Mediendienste (Streaminganbieter, Mediatheken der Sender). Damit soll die Film- und Serien-Produktion in Österreich weiter forciert werden.
Noch gibt es keine neue Regierung, doch wird schon kräftig lobbyiert, wie der „Produzent*innentag 2024“ in Wien zeigte. Man stehe, anders als in Deutschland, in den Gesprächen mit der Politik nicht ganz am Anfang, sagte Andreas Kamm, MR Film-Produzent und Vorsitzender der Berufsgruppe Fernsehfilm in der Wirtschaftskammer. Man könne bei dem Vorhaben nur alle um Unterstützung bitten. Denn eine Investitionsverpflichtung „kommt dem Land zugute, bringt Steuern, bringt Arbeitsplätze und bringt nicht Steuern und Arbeitsplätze in China oder den USA.“ Ziel sind, wie auch in anderen EU-Ländern, 25 Prozent vom (oft nicht veröffentlichten) Netto-Umsatz in Österreich. Für Deutschland, wo die Investitionsverpflichtung ebenfalls in Diskussion ist, wurde z. B. ein Abgabevolumen von 261 Millionen errechnet.
Viel Kritik
Einigen Gegenwind gibt es in Österreich und Deutschland von potenziellen Zahlern. Inga Leschek, österreichische TV-Managerin und Programmgeschäftsführerin von RTL und der Plattform RTL+: „Wir sagen ganz klar ,Nein’ zu einer Investitionsverpflichtung. Als RTL-Gruppe kommen wir da wie die Jungfrau zum Kind.“ Man investiere Jahr für Jahr bereits ein Milliarde in deutschsprachige Inhalte, man wolle selbst bestimmen worin. „Ich verstehe die Produzenten, aber ich mag nicht diese Mimimi-Töne und den Ruf nach mehr Förderung.“ Vorstellen kann Leschek sich ein anderes Vorgehen in Österreich, wo es nur RTL-Werbefenster, aber keine Programmschöpfung gibt.
„Ihr greift in einen Topf, der nicht Eurer ist“, sagte ORF-Chef Roland Weißmann den Produzenten. Der ORF mache nicht nur Filme, Serien und Dokus, sondern auch Sport, Unterhaltung und Information. „Genauso könnte der Sportbereich eine verpflichtende Quote verlangen.“ Weißmann ortet einen potenziellen Eingriff in die Programmhoheit und warnte zudem, „die Finanzierung des ORF ist nicht in Stein gemeißelt.“
Der ORF setzt deshalb weiter auf freiwillige Selbstverpflichtungen. Mit der Filmwirtschaft wird derzeit neu verhandelt. Aktuell investiert man jährlich gut 100 Millionen. Nach zähen Gesprächen hat sich der ORF zudem mit den Produzentenverbänden Film Austria und AAFP auf sogenannte Terms of Trade geeinigt. Die regeln die Rechte bei Produktionen. „Ein überraschend großer Schritt“, sagte John Lueftner, Superfilm-Co-Geschäftsführer und AAFP-Präsident.
Wandel der Medienwelt
Der Widerstand von Senderseite resultiert auch aus der rasanten Veränderung der Medienwelt. Der Werbemarkt ist für RTL-Managerin Leschek „die größte Baustelle. Wir haben keinen Werbemarkt mehr, wie wir ihn von früher kennen.“ Dazu kommen demografischer Wandel samt geänderten Nutzungsverhalten von linear zu nonlinear. Hier sieht sich die Kölner-TV-Familie dank der Plattform RTL+, die Seherverluste der TV-Programme ausgleicht, ganz vorn. Leschek: „Gott schütze Streaming.“
Hier sieht auch Frank Holderied, der den Fiction-Bereich bei ServusTV verantwortet, die große Herausforderung. „Wir müssen schauen, dass auch wir den Streamingmarkt abbilden und dabei unser Stammpublikum nicht vergraulen.“
Veränderungsbedarf auch beim ORF sieht dessen Programmdirektorin Stefanie Groiss-Horowitz. „Das Publikum ist viel diverser geworden.“ Darauf müsse der ORF auch strukturell reagieren. „Das zu ändern, ist gar nicht so leicht.“ Gleichzeitig „muss ich mein Programmbudget fast zur Hälfte am Werbemarkt verdienen und Werbegeld, das ich linear verliere, anderswo verdienen.“ Da unterscheide sich der ORF sehr von deutschen Öffentlich-Rechtlichen und „da ist viel zu tun“.