Kultur/Medien

Produzent Auspitz: "Wie ein Rennauto, das in die Wand fährt“

 MR-Film-Produzent Oliver Auspitz (44) erhält heuer die ROMY International stellvertretend für die österreichisch-britische Serie „Vienna Blood“. Die Freude darüber  wird massiv dadurch getrübt, dass wegen Corona Staffel 2 momentan nicht gedreht werden kann. Der Vielfach-Preisträger wünscht sich die Unterstützung von Kanzler Sebastian Kurz für die Sache des Films und der Kultur. Am drängendsten sei eine staatliche Ausfallhaftung, meint Auspitz im KURIER-Gespräch.

KURIER: Ulrike Lunacek ist als Kunststaatssekretärin zurückgetreten, wie von vielen in der Kulturszene gefordert.

Oliver Auspitz: Wer glaubt, dass damit die Kuh vom Eis ist, der soll es lieber gleich ganz bleiben lassen. Für uns als Film-Produzenten heißt das, dass wir mit jemanden Neuen in diesem Ressort wieder ganz am Anfang oder kurz danach stehen. Wenn man emotionsfrei darauf blickt, dann wirft uns das um wenigstens vier, fünf Wochen zurück. Das ist Zeit, die wir nicht mehr haben.

Ein Pyrrhussieg?

In Situationen, wie jetzt, in denen es für alle in der Kulturbranche im übertragenen Sinn um Leben und Tod geht, fokussieren die Menschen in ihrer Verzweiflung immer die schwächste Position als Schuldigen. Nichts Anderes ist hier passiert. Wer sich aber jetzt ein Flascherl auf den Rücktritt öffnet, der wird es nicht mehr lange schaffen, weil er nicht verstanden hat, wo die Probleme liegen. Das heißt übrigens nicht, dass ich die Frau Lunacek für die geeignete Besetzung gehalten habe.

Was müsste aus Produzentensicht in Österreich geschehen?

Ein Film-Dreh wird in aller Regel gegen einen Ausfall versichert, etwa weil sich ein Schauspieler verletzt oder erkrankt und man pausieren muss. In der aktuellen Situation macht das natürlich keine Versicherung. Weltweit ist wohl keine bereit, eine Produktion, so wir überhaupt drehen könnten, gegen Unterbrechung oder Abbruch wegen einer Corona-Infektion zu versichern. Ohne Ausfallshaftung kann kein Produktionsunternehmen dieses Risiko eingehen. Zur Illustration: Bei „Vienna Blood“ sprechen wir von einem Budget von knapp 13 Millionen Euro. Das macht kaufmännisch keinen Sinn und wäre eigentlich fahrlässig.

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Das heißt?

Ich persönlich denke, es ist der Punkt erreicht, an dem wir den Bundeskanzler selbst in aller Form darum bitten müssen, dass er sich dieses Themas persönlich annimmt. Die Film-Branche in Österreich steht für eine Wirtschaftsleistung von ca. 1,4 Milliarden. Wir rennen jetzt um unser wirtschaftliches Leben und für dieses Überleben ist eine staatliche Ausfallshaftung, die sich auf Corona bezieht, essentiell. Anders als in anderen Branchen, geht es da nicht um Hunderte Millionen, sondern um einen niedrigeren zweistelligen Millionen-Betrag, mit dem ein entsprechender Ausfallsfonds dotiert werden müsste. Die Kulturnation Österreich sollte auch weiterhin Chefsache sein.

Die SPÖ hat ein Milliarden-Paket für die Kulturbranche gefordert.

Ich bin da ganz pragmatisch. Wir brauchen eher jetzt die Millionen als irgendwann vielleicht die Milliarde.

Das Andere ist: Es gibt da noch das nicht gerade kleine Ansteckungsrisiko beim Dreh, was gerade etwas verdrängt wird.

Es steht die Einigung mit dem Gesundheitsministerium trotz vieler Gesprächsrunden immer noch aus, wie so ein Dreh ablaufen muss, ohne dass die Behörden einschreiten.

Wie muss man sich Corona und Drehen vorstellen?

Es geht da nicht bloß um Masken. Drehen nach oder während Corona heißt, dass man Schauspieler, die näheren Kontakt haben werden, zuvor testet und in die Selbstisolation schicken muss. Auch fürs Team muss es Testungen geben. Die Abläufe am Set samt Social Distancing müssen angepasst werden. Man fängt da bei A an und kann bei Z noch nicht aufhören. Das macht ein Arbeiten komplizierter, langwieriger und dementsprechend teurer. Das heißt auch, dass ums gleiche Geld weniger produziert werden kann. Und so geht es weltweit. Es ist ein Katastrophe. Die Auswirkungen Corona reichen aber noch weiter.

Warum?

Was das Alles fürs Filmemachen, für diese besondere Kultur, die da herrscht, bedeutet, ist schwer absehbar. Gute, starke Filme entstehen in einer sehr familiären Atmosphäre, gegenseitiges Vertrauen ist grundlegend, da ist Zwischenmenschlichkeit, die sicher nicht bei eineinhalb Meter endet, das ist ja ein intensiver künstlerischer Schöpfungsakt. Das wird sicher durch die Art und Weise, wie künftig gearbeitet werden muss, beeinflusst und damit auch das Ergebnis, das die Menschen zu sehen bekommen. 

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Dann ist zu befürchten, dass man das, was es in einem Jahr zu sehen gibt, so ihr drehen dürft, nicht sehen will. Sprich, dass diese fiktionalen Produktionen quasi die nächsten Corona-Opfer sind.

Es ist berechtigt, sich diese Frage zu stellen. Dem setze ich entgegen, dass schon in der Vergangenheit sehr wohl starke Kunst und Kultur in Krisen-Zeiten entstanden ist. Dass das Ergebnis dessen anders sein wird, das meine ich auch. Es wird viel von dem verarbeitet werden, was wir jetzt erleben und das wiederum wird auch zeigen, wie wichtig diese Kunst für die Menschen letztlich ist – für die Macher auf der einen Seite, für die, die sich als Publikum dadurch wiederfindet, auf der anderen Seite. 

Eine Frage am Rande betrifft den ORF, der sowieso auf Sparkurs fährt und mehrere Millionen durch Werbeeinbruch und geringere Gebühreneinnahmen verliert und noch verlieren wird. Was kann der tun?

So wie alle anderen großen Sender sieht auch der ORF: Es geht das frisch produzierte fiktionale Programm aus. Die ARD weiß beispielsweise derzeit nicht, wie viele „Tatort“-Folgen heuer noch produziert werden können. Auf der anderen Seite gibt es hier, aber auch in Deutschland einen verordneten Sparkurs bei den Öffentlich-Rechtlichen – der NDR hat beispielsweise jüngst ein Sparpaket über 300 Millionen angekündigt. Zwischen den Stühlen von Corona und Sparkursen landen am Ende aber nicht nur die Produzenten, sondern auch die Zuseher -  der ORF weiß, dass er, Stand jetzt, spätestens im Frühjahr 2021 kein neues fiktionales Programm mehr hat. Es liegt in seinem Eigeninteresse, alles zu tun, dass er möglichst schnell österreichische fiktionale Ware bekommt. 

Wirtschaftlich sind ihm die Hände gebunden?

Es leuchtet ein, dass der ORF sich nicht an einem millionenschweren Haftungsfonds beteiligen kann. Dass er uns auch nicht einräumen kann, dass am Set alles läuft wie vor Corona, ist auch klar. Wir erwarten uns aber ein lautes und starkes Bekenntnis zum österreichischen Programm und Programmschaffen und eine ebensolche Forderung an die Politik, das zu ermöglichen. Sonst geht bei heimischen Produzenten der Bildschirm aus.

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Es ist, zugegeben, höchst spekulativ über die Zukunft zu reden. Aber es tut sich auf Konsumentenseite einiges, so etwa, dass Streaming nun endgültig im ganz normalen Haushalt angekommen ist. Es gab einen weiteren Digitalisierungsschub – wie ist darauf zu reagieren?

Produzenten müssen sich schon in der Entwicklung von Stoffen noch viel klarer darüber sein, welchen Verwertungsweg sie einschlagen werden. Darüber hinaus hat er nur eine Verpflichtung - das beste, ambitionierteste, das leidenschaftlichste Programm herzustellen. Dem Seher ist es egal, wo etwas gespielt wird, er findet, was er schätzt. Der ORF hat das Digitale mit der TVthek auch abgedeckt und ist dabei, das noch zu verstärken. Es geht darüber hinaus den Netflixen im Großen auch nicht anders als dem ORF im Kleinen – es kann nicht gedreht werden. Die Krise hat jedenfalls gezeigt, dass die Österreicher es schätzen, in so einer Situation auf den Öffentlich-Rechtlichen und österreichische Medien zugreifen zu können. Das frei empfangbare Fernsehen ist nicht tot, es wird aber eine noch stärkere Verortung in der digitalen Welt, soweit es etwa im Fall der Öffentlich-Rechtlichen rechtlich erlaubt ist, stattfinden. Die Konsumenten sind schon dort, darunter bin auch ich als Mit-Vierziger.

Haben Sie schon ein Corona-Drehbuch auf dem Schreibtisch?

Nein. Viele in der Branche wissen, wofür mein Herz schlägt, das ist leidenschaftliches, tragisches, humoristisches, buntes großes TV-Entertainment. Für mich als Person ist Corona derzeit das Letzte, was ich mir anschauen möchte. Ich bin sowieso ständig damit konfrontiert. Also, von mir aus dann, wenn es in ein paar Jahren eine Impfung gibt, aber vorher möchte ich damit zumindest n der Unterhaltung in Ruhe gelassen werden.

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Zu guter Letzt reden wir noch über die ROMY: Die ROMY International für „Vienna Blood“ ist Ihre vierte Statuette binnen kurzer Zeit. Langsam wird es eng im Regal.

Dafür finden wir immer Platz. Das ist schon eine sehr große Ehre, zumal wenn man weiß, dass zuvor nur Peter Morgan („The Crown“) diese besondere ROMY erhalten hat.

Gerade in diesen Wochen sollte die zweite Staffel von „Vienna Blood“ entstehen.

Wir hätten Anfang April Drehstart gehabt und mussten drei Wochen davor abbrechen. Das hat uns aufgrund der Investitionen im Vorfeld nicht nur als Produktionsfirma schwer belastet, sondern es ist diese große, langandauernde Unsicherheit. Ein kleiner Trost für uns: Die BBC wiederholt jetzt, nur fünf Monate nach der erfolgreichen Erstausstrahlung, „Vienna Blood 1“ wieder in der Prime Time seit letzten Mittwoch.

Es sind noch mehr Produktionen betroffen?

Das stimmt leider. „Schnell ermittelt“ wurde am Tag vor Beginn des Drehs gestoppt. Eine weitere Schiene unserer Firma, die den „Barbara Karlich“-Talk produziert, musste ebenfalls eine Zwangspause einlegen. Hier planen wir Mitte/Ende Juni wieder Aufzeichnungen, allerdings ohne Publikum. Hier ist es auch um einiges einfacher als beim fiktionalen Programm. Denn eine Film-Produktion umfasst ja zwischen 50 und 100 Personen, die für diese paar Wochen aufgenommen werden. Wenn es dann am Tag vor dem Dreh, der wochenlang vorbereitet wurde, „Stopp“ heißt, ist das vergleichbar mit einem Rennauto, das maximal beschleunigt und mit 200 km/h in die Wand fährt. Unvorstellbar.

Danke für das Gespräch.