Markus Breitenecker: "Österreichische Allianzen sind die Zukunft"
Von Christoph Silber
Es ist mehr als nur Absichtserkärungen und Pläne: Markus Breitenecker, umtriebiger Geschäftsführer der Österreich-Tochter des ProSiebenSat1-Konzerns, will mit Allianzen "ohne Berührungsängste" den Großen der digitalen Welt entgegentreten. Vom Austria-Player Zappn bis zum Österreich-Log-in reicht das Spektrum. Namhafte Unternehmen sind bereits dabei. Seine Vorstellungen präsentiert er am Freitag, 18.55 Uhr, auch im hauseigenen Info-Sender Puls24.
Es sind fordernde Zeiten für Privatsender. Was ist härter fürs Geschäft, speziell das Werbegeschäft – Corona oder die Fußball-EM bei den Öffentlich-Rechtlichen?
Corona, das war im zweiten Quartal 2020 wirklich, wirklich hart. Gott-sei-Dank ist es aber schnell wieder bergauf gegangen und seit es die Impfungen gibt, zieht die Werbung weiter an. Das macht uns, was unser Ergebnis betrifft, optimistisch für das Gesamtjahr. Aber die Pandemie muss man nicht schönreden, die war ein Rückschlag. Die Fußball-EM bringt hingegen bei uns auch ein lachendes Auge.
Wie das?
Wir haben uns in den vergangenen zwei Jahren sehr intensiv mit der Umsetzung und dem Ausbau unserer Digital-Strategie beschäftigt. Teil dessen ist unsere Streaming-App Zappn. Auf der befinden sich auch unser Mitbewerb wie ORF1, ORF2 oder auch ServusTV. Wer also die Fußball-EM streamen will – ohne Gebühren, Ruckeln und Schwarzbild -, der schaut sie auf Zappn. Wir haben unglaubliche Zugriffs- und Download-Zahlen.
Was beinhaltet diese Strategie? Und in Bezug auf Streaming: Wann oder was kommt von Joyn, der Plattform Ihres deutschen Mutterkonzerns nach Österreich?
Es gibt zwei wesentliche Eckpunkte: Das eine sind Werbebereich und Datentechnologie, das andere ist Streaming. Bei Letzterem ist unsere Grundidee: Wir bauen einen lokalen Streaming-Champion auf, durch den alle guten Sender in Österreich verfügbar werden und das sowohl als Live-Stream, als auch On-Demand. Weil Zappn wirklich ganz hervorragend funktioniert, konzentrieren wir uns vorerst darauf. Es sind bereits 20 Sender, darunter auch ProSieben Austria, ORFIII oder schauTV verfügbar, und jetzt werden von uns die Mediatheken und On-Demand-Services ausgebaut.
Das heißt?
Das heißt Zappn first. Alle unsere Österreich-Originals, sei es von ATV „Bauer sucht Frau“, „Amore unter Palmen“, „Mein Gemeindebau“ usw., aber auch die Public Value-Formate von Puls24 gibt es zuerst auf Zappn und 48 Stunden später im linearen Fernsehen. Das wird aber noch erweitert. Da kommen interaktive Anwendungen dazu sowie Audio-Komponenten wie Podcasts und auch personal recommendations, also Vorschläge, was man sehen oder hören könnte. Wir stehen jetzt an dem Punkt, an dem wir sagen können: Wir haben lange einen gemeinsamen Austria Player, eine gemeinsame österreichische Streaming-Plattform herbeigeredet und jetzt ist sie mit Zappn da – und sie funktioniert und wird immer besser.
Wie sehen Sie da die ORF-Pläne in Bezug auf dessen Player?
Ich kann nur über uns sprechen und das mache ich gern.
Und was die Joyn-Integration betrifft?
Da ist in der Zukunft noch vieles möglich, wir setzen aber einen Schritt nach dem nächsten. Was ich jedenfalls versprechen kann ist, Zappn bleibt kostenfrei, unser Finanzierungsmodell dahinter ist Advertising. Das heißt auch, wir sind die einzige Plattform, die kostenfrei und live alle News, Sportereignisse, Shows der beteiligten Sender auf einer App anbieten kann. Die einzige „Hürde“ ist eine Registrierung, weil es ab dem nächsten Jahr keine Cookies mehr gibt. Und auch die bringt Konsumenten weitere Vorteile.
Zur Person
Markus Breitenecker (52), studierter Jurist, wurde 1996 vom Wetterkanal zu ProSieben geholt. 1998 wurde er Gründungsgeschäftsführer der Österreich-Tochter
Das Unternehmen
2007 übernahm ProSiebenSat1 den Stadtkanal PulsTV. 2017 folgten die ATV-Sender. Vor zwei Jahren wurde Puls24 gegründet. Die Sender-Gruppe liegt mit 30 Prozent Markanteil auf Platz1
Das Programm
Dauerbrenner der Sendergruppe sind "Café Puls", "Bauer sucht Frau", "2M2M"; frische Staffeln kommen von den "Ninja Warrior Austria im Herbst, die ersten Sommergespräche finden auf Puls24 ab 5.7. statt, weiterhin Sport mit der Deutschen Bundesliga ab Juli, ICE Hockey League; NHL, NFL auf Puls24
Das bedeutet?
Es handelt sich hierbei um Net-ID. Hier arbeiten schon verschiedenste österreichische Unternehmen zusammen, um Facebook und Co eine österreichische Log-in-Allianz entgegenzusetzen. Es geht um ein österreichisches Log-in für viele Anwendungen. Mit dabei sind zum Beispiel bereits Magenta, Kronehit, der österreichische Handelsverband oder ab 2022 die Verlagsgruppe News. Ein Passwort reicht, um sich tatsächlich eine Welt zu eröffnen, 100 Prozent DSGVO-konform. Der Vorteil für die User: nur ein Passwort für alle österreichischen Seiten. Vorteil für die Sites: keine Kosten und die Daten bleiben bei den Publishern.
Die Zeit der Alleinkämpfer ist also vorbei?
Ich bin davon überzeugt, dass Allianzen, und zwar ohne Berührungsängste, uns alle weiterbringen. Für die Konsumenten wichtig ist der Austria-Player Zappn, hinter den Kulissen, aber nicht versteckt arbeiten wir mit bereits vielen anderen an der Austria-Video-Plattform Glomex, und damit an einem Marktplatz für Video-Inhalte von Publishern, wie u.a. Mediaprint oder Russmedia es gibt eine Zusammenarbeit bei der Quoten-Messung via hbbTV mit Red Bull oder auch das Austria-Log-in. Österreichische Allianzen sind die Zukunft.
Und das alles, ohne dass eine Medienpolitik Vorgaben gemacht hat?
Das ist richtig. Für mich ist dabei völlig klar: Wir als Medien müssen selbständig auf unseren eigenen Beinen stehen und unabhängig von Gebühren und staatlichen Subventionen unser Fortkommen sichern. Jede Abhängigkeit von der Politik oder vom Staat ist abträglich für die freie und unabhängige Berichterstattung.
Ist das eine Reaktion auf die aktuelle Medienpolitik? Soweit es sie gibt.
Es ist völlig klar, dass eine Regierung in Zeiten wie diesen mit Pandemie und deren Folgen zunächst an andere Dinge zu denken hat. Es hat also keinen Sinn, auf die Politik zu warten und sich auf sie zu verlassen, sondern man muss selbst agieren. Wir haben das gemacht mit unserer Strategie, aber auch mit erheblichen Investitionen in österreichische Inhalte und das nicht nur im Unterhaltungsbereich, sondern sehr stark auch in Public-Value-Content.
Apropos Politik und damit apropos ORF: Sie wurden in den vergangenen beiden Jahrzehnten immer wieder als möglicher Kandidat für den Job des ORF-Generaldirektors in Spiel gebracht. Diesmal noch nicht. Wir könnten also jetzt damit beginnen?
Nein, danke.
Trotzdem zur Politik, die Medien betrifft: Da drohen Dinge wie millionenschwere Werbeverbote aus dem Gesundheitsministerium, im Justizministerium schafft man die Umsetzung der EU-Copyright-Richtlinie nicht zeitgerecht und auch bei Inseraten gibt es Zoff.
Manchmal ist es ganz gut, wenn wenig angegangen, geändert oder getan wird. Jedenfalls wollen wir zumindest die Medien-und die Werbefreiheit, die auch Silicon-Valley-Konzerne bei uns haben. Heimische Medien zu diskriminieren, ist absurd und ist auch anti-europäisch. Ganz grundsätzlich bin ich nicht unzufrieden mit der Medienpolitik, aber bitte in dieser Situation keine weiteren Verschlechterungen oder Benachteiligungen.
Wie sehen die Performance von Puls4? Der Vorabend …
Der Vorabend mit „Cafe Puls – Das Magazin“ und „Two and a half man“ funktioniert sehr gut, wie der Sender insgesamt gut läuft. Denn nicht vergessen, Puls4 ist in der jungen Zielgruppe der größte österreichische Privatsender und wächst – liegt sogar vor RTL Österreich und mehr kann man nicht erwarten. Natürlich hängt viel am Frühstücksfernsehen, „Cafe Puls“ ist mit über 30 Prozent unsere erfolgreichste Sendung und das beliebteste Frühstücksfernsehen im Land. Das gibt uns von der Früh an einen Schub, den wir gut nutzen.
Der fiktionale Bereich - Film, Serie – beschränkt sich wohl auch weiterhin auf Kaufprogramme?
Die Produktion österreichischer Fiktion geht nur mit Gebühren – und die haben wir nicht. Auch wenn wir den einen oder anderen Versuch schon gemacht haben, in der notwendigen Dichte geht das nicht ohne Gebühren. Deshalb stellen wir uns anders auf, aber natürlich mit starkem regionalen Ansatz. Das ist auch ein globaler Trend. Dieser Ansatz hat uns groß gemacht. ProSiebenSat1Puls4 ist heute doppelt so groß wie die RTL-Gruppe. Der Grund sind lokale Inhalte wie österreichische News, österreichische Shows, österreichische Doku-Soaps, auf die wir gesetzt haben.
Sie sprachen von großen Investitionen in Inhalte von „Ninja Warrior“ bis News. Wie geht es P7S1P4? Wie sehen Sie die Entwicklung?
Wir sind zufrieden, weil wir es als Senderfamilie geschafft haben, bei den Unter-50-Jährigen Marktführer zu werden und das noch ausbauen konnten. Die Fokussierung auf diese junge Zielgruppe geht gut auf und das auch in der Komplementarität der Sender: Wir haben mit Puls24 Public-Value und News, haben mit ATV2 hochqualitative Filme und Serien, ATV ist der typisch österreichische Sender, der auf Augenhöhe mit den Sehern agiert und Puls4 ist der Premium-Sender für Shows, Sport und auch Public Value. Das wollen wir in die Streaming-Welt verlängern für die immer größere Zahl an Nutzern, die nicht mehr klassisch fernsehen. Und das funktioniert.
Eine besondere Geschichte liefert da ja ATV, ein Sender, der vor gar nicht langer Zeit, wesentlich schlechter dastand.
Das ist wirklich besonders: Von „Bauer sucht Frau“ über „ Amore unter Palmen“ bis „Leben im Gemeindebau“, das sind in beiden Welten so starke Formate. Es ist wirklich erstaunlich, wie Thomas Gruber und sein Team diesen Sender nach der Übernahme wieder gedreht und ihn saniert haben.
Und der Sender trägt sich?
Natürlich war Corona ein Dämpfer, aber der Sender ist in den positiven Zahlen, was früher nicht so war.
Wie ist das bei Puls4? Das Show-Angebot „The Masked Singer Austria“, „Ninja Warrior“, „2M2M“ – das ist nicht billig.
Wir finanzieren diese hochwertigen Programme nicht durch Gebühren, sondern durch Werbung und dafür braucht es Rahmenbedingungen. Die schaffen wir zum Teil auch selbst dadurch, dass wir auf die junge Zielgruppe fokussieren. Zum Anderen, dass wir der werbetreibenden Wirtschaft technologische Möglichkeiten anbieten können, die hohe Netto- Reichweite von Fernsehen mit den Möglichkeiten wie sonst bei Internet und Social Media Giganten vereinen, Stichworte sind programmatic advertising solutions, adressable TV und cross device targeting.
Wo die Luft dünn wird, auch für Euch, sind Sportrechte.
Wer Fußball-EM, Champions League, Europa League und nun auch deutsche Bundesliga sehen will, ist auf Zappn bestens aufgehoben. Puls 24 und Sat.1 Österreich zeigen ab Ende Juli insgesamt neun Spiele der deutschen Bundesliga pro Saison, wir sind zudem Heimat der NFL und Eishockey. Aber darüber hinaus ist ganz klar: Wir sind der Player auf dem Markt, der nach marktwirtschaftlichen Kriterien agiert.
Das freut sicher auch den Vorstandssprecher Rainer Beaujean, der seit erst zwei Jahren an Bord und seit März 2020 Vorstandssprecher des Mutterkonzern ist. Was hat der Wechsel an der Spitze für Euch mit sich gebracht?
Wir profitieren zum Beispiel in einem hohen Ausmaß im gesamt Ad-Tec-Bereich, also Werbe-Technologie, von München. Was unsere Inhalte und unsere journalistische Arbeit betrifft, agieren hingegen völlig frei, wir sind journalistisch völlig unabhängig einerseits vom Staat Österreich, aber auch unbeeinflusst von Eigentümer-Interessen. Wir können auf das Beste aus beiden Welten bauen, wie man das auch bei Puls24 sieht.
Wie sieht die Bilanz des Nachrichtensenders nach zwei Jahren aus? Wie steht es um dessen Relevanz, die eigentliche Messgröße bei einem Info-Sender?
Ich bin wirklich stolz auf mein News-Team, es hat noch nie ein Sender es geschafft, in so kurzer Zeit solche Marktanteilshöhen zu erreichen und damit den besten Senderstart in der TV-Geschichte Österreichs hinzulegen. Da Puls24 auch die News der weiteren Sender produziert – mit Ausnahme des eigenständigen ATV – erreichen wir auch den höchsten Seherkreis mit 1.8mio ZuseherInnen monatlich und nochmals mehr als eine halbe Million monthly active users digital. Wir sind damit eine seriöse, ernst zu nehmende, relevante Info-Quelle. Corinna Milborn und ihr Team zeigen, wie man hochqualitativen, unabhängigen Journalismus macht und gleichzeitig damit hohes Zuseherinteresse generiert, was wir uns jetzt auch bei den Sommergesprächen erhoffen.
Man sagt immer, mit seriösen Nachrichten lässt sich kein Geschäft machen. Wie sieht das bei Puls24 aus?
Die zentrale Nachrichten-Produktion für 16 Newssendungen unserer anderen linearen Sender, für Zappn, den Info-Sender selbst, die Puls24-App und den Online-Auftritt bringt letztendlich die notwendige Umwegrentabilität. Denn wir glauben, dass es wichtig ist für die Gesamtperformance des digitalen Medienhauses P7S1P4, lokale Nachrichten und eine kompetente lokale News-Produktion zu haben. Das ist - nicht zu unterschätzen - auch ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu Silikon Valley-Giganten. Das belegen auch die Download-Zahlen unserer Apps. Und dieses Zusammenspiel von lokaler Info mit lokalem Entertainment macht unseren Gesamterfolg aus, auch wirtschaftlich.
Was fehlt noch, was kommt?
Nachdem wir mit sehr viel Engagement unsere Digitalisierungsstrategie umgesetzt haben, wollen wir nun mit österreichischen Allianzen die nächste Ausbaustufe erreichen. Es geht für uns alle darum, als lokale Player zusammenzuhalten und Entwicklungsschritte zu setzen, um damit Marktanteile wieder von Silikon Valley Firmen zurückzugewinnen – bei den Konsumenten, aber auch am Werbemarkt. Ich bin davon überzeugt, dass österreichischen Allianzen in Zukunft entscheidend sein werden.