Kultur/Medien

Konfuser ORF-Talk zur Sicherungshaft: "Ich muss das ordnen"

*Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends.*

Gleich vorweg: Es war eine Polit-Diskussion, die sich ständig um sich selbst gedreht hat. Am Sonntagabend ging es in "Im Zentrum" um das Thema Sicherungshaft und damit um die gefühlt 359. Runde in der Asyldebatte. 

"Einsperren auf Verdacht - was darf der Rechtsstaat?"  lautete der Titel. Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) und Justizminister Josef Moser (ÖVP) sind nicht erschienen, wenngleich sie eingeladen wurden, wie Moderatorin Claudia Reiterer erklärte.

Die SPÖ, vertreten durch Jörg Leichtfried, findet ja, dass Moser als Minister für Justiz- und Verfassung zuständig für das Gesetzesvorhaben wäre, betreffe es doch eine Änderung der Verfassung.

Für die ÖVP saß aber Sicherheitssprecher Karl Mahrer in der Runde. Von Mahrer, als Top-Polizeibeamter in die Politik eingestiegen, liegen bisher hauptsächlich einige Handvoll Aussendungen vor, nun durfte Mahrer die Regierungslinie im Fernsehen verteidigen. Für die FPÖ tat das Klubobmann Walter Rosenkranz.

Alle Inhalte anzeigen

"Kein Jux und Tollerei"

Kurz zusammengefasst, lautete die Begründung: "Uns ist die Sicherheit der Menschen ein Anliegen.“ (Mahrer). Ganz grundsätzlich sollte man davon ausgehen, dass das auf alle Parlamentsparteien zutrifft.

Mahrer bezeichnete die Sicherungshaft als Muss, das sei "kein Jux und Tollerei". Fälle wie Dornbirn dürften sich nicht wiederholen. Zur Erinnerung: Dort ist Anfang Februar ein Asylwerber, der sich gar nicht in Österreich hätte aufhalten dürfen, ins Sozialamt gegangen und hat den Amtsleiter getötet.

Auch wenn die aktuelle Diskussion nach diesem Fall gestartet wurde, handle es sich keineswegs um Anlassgesetzgebung, auch nicht um Präventivhaft, erklärten Mahrer und Rosenkranz. In vielen europäischen Ländern sei dies bereits Standard. Die Regierung wolle nun nur die entsprechende EU-Aufnahmerichtlinie umsetzen, sagte Rosenkranz. "Die EU ist wohl für die anwesenden Oppositionspolitiker kein Schurkenstaatkonglomerat“, sagte er.

Zur Erklärung: Artikel 8 dieser Richtlinie erlaubt den Mitgliedstaaten, Antragsteller "aus Gründen der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung" in Haft zu nehmen.

Pandoras Büchse

Nicht nur Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger sah das anders. "Sie öffnen wirklich die Büchse der Pandora", sagte sie. In einem sehr sensiblen Bereich werde stark in Freiheitsrechte eingegriffen, "dreißig Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer", also des Kommunismus. "Sehr viele Menschen" hätten deswegen "Sorgen.“ Die Regierung aber betreibe "Schlagzeilenaktionismus", während man so einen "sensiblen Eingriff" genau prüfen müsse. Sie lasse sich "in Österreich einen Notstand nicht herbeireden."

Alle Inhalte anzeigen

Leichtfried betonte mehrmals, man müsse "sich zuerst anschauen, ob Behördenversagen vorliegt". Erst dann könne man sich weitere Schritte überlegen. Für eine generelle Präventivhaft werde es "sicher keine Zustimmung" von der SPÖ geben.

Er kritisierte den Innenminister, der immer wieder die Politik über das Recht stellen wolle, während die ÖVP als "williges Beiwagerl des Kickl“ agiere. Er frage sich, "was mit der ehemals christdemokratischen ÖVP los ist".

Worauf Mahrer sich fragte, "was mit der SPÖ los ist." Er warf ihr vor, keine Linie zu haben.

Der Vorwurf der Opposition lautete zusammengefasst darauf, dass der Fall Dornbirn bereits mit der herrschenden Gesetzeslage zu verhindern gewesen wäre. Sei es durch Schubhaft, sei es durch Einleitung eines "Fast Track"-Verfahrens, mit dem der Fall laut Meinl-Reisinger gelöst gewesen wäre, bevor es zu dem Messerattentat gekommen ist.

Hin und Her

Gegenargument von Rosenkranz und Mahrer: Der Asylantrag des mutmaßlichen Täters hätte den Abschiebevorgang gehemmt, wodurch keine Schubhaft möglich gewesen sei.

Gegenargument der Opposition: Niemand hier hätte den Akt auf dem Tisch, woher Rosenkranz und Mahrer das alles so genau wissen könnten.

Diese Argumente und Gegenargumente gingen einige Male hin und her. Mahrer verwies auf 40 Jahre Erfahrung im Polizeidienst.

Alle Inhalte anzeigen

Ein weiterer Streitpunkt: Wer prüft das Vorliegen entsprechender Gründe für eine Sicherungshaft?

Innen-Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Justizminister Moser pochen ja auf die richterliche Anordnung, während Kickl klar machte, "nicht den umgekehrten Weg über die Gerichte“ einschlagen zu wollen. Beamte des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) sollen, wenn es nach Kickl geht, eine Gefahrenanalyse durchführen – und dann darüber entscheiden, ob der Asylwerber in Haft genommen wird oder nicht. Ein Gericht würde die Maßnahme erst danach prüfen.

Für Mahrer ist das nur eine "Detailfrage", wenngleich "eine wichtige". Er sprach bei "im Zentrum" davon, die Richter "unverzüglich" nach dem BFA-Entscheid einzuschalten.

Der Opposition war dabei das "nach" ein Dorn im Auge. Mahrer betonte das "unverzüglich".

 

Alle Inhalte anzeigen

Einen interessanten Punkt warf Peter Pilz (Jetzt) ein: "In die Verfassung kann man nicht schreiben, dass nur Asylwerber betroffen sind“. Grund: Dies würde dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen. Das heißt, es müsste als neuer Haftgrund die Möglichkeit einer generellen "Präventivhaft" im Verfassungsrang verankert werden. Erst in nachgeordneten Gesetzen könnte man die gewünschte Einschränkung auf Asylwerber festhalten. Problem: In Zukunft wäre man vom Gutdünken einer Regierung abhängig, ob dieser Gesetzesrahmen so bleibt.

"Präventivhaft in Verfassungsrang darf es in einer offenen Gesellschaft und in einer demokratischen Republik Österreich nicht geben", sagte Pilz.

Unübersichtliche Debatte

Und jetzt wurde es so richtig unübersichtlich:

Rosenkranz will die Gesetzwerdung parallel zur Aufklärung des Dornbirn-Falles vorantreiben, um "monatelange Untersuchungsausschüsse" oder dergleichen zu vemeiden. Rosenkranz zu Pilz: "Das ist ja ihre Taktik, immer alles zu zerreden. Ich habe eine gewisse Eile … immer begründet mit der Sicherheit der Österreicher."

Pilz: "Und so schauen Ihre Gesetze auch aus, das sind Hochgeschwindigkeitsgesetze …"

Rosenkranz kam aus dem Augenrollen gar nicht mehr heraus. "Gehen Sie zum Kabarett, das macht auch nix", sagte der FPÖ-Klubobmann. "Eigentlich möchte ich mich politisch nicht mit Ihnen, ohnehin schwierig …“

Pilz: "Es bleibt Ihnen nicht erspart, Herr Rosenkranz! Ich werde zum Glück nicht von Ihnen gewählt…"

Rosenkranz: "Ja, das ist auch richtig. Keine Sorge, dass mein Kreuzerl bei Ihnen landen würde."

Abermals warf er die Opposition vor, alles nur "verzögern, verzögern" zu wollen, während die Regierung das Gesetz "bereits in der Lade" habe.

Alle Inhalte anzeigen

"Schon in der Lade?"

Das überraschte jetzt Meinl-Reisinger: "Ah, haben Sie’s schon in der Lade? Interessant …“

Pilz wiederholte: "Ah, haben Sie’s schon in der Lade?"

Meinl-Reisinger: "Und wir diskutieren hier zwei Wochen über einen Vorschlag…"

Jetzt fühlte sich Rosenkranz etwas ertappt: "Nein, ah … Mein Gott, na ...“

Leichtfried: "Na ja, das ist nicht unwichtig …" Bisher war die Opposition davon ausgegangen, dass noch kein Gesetzestext vorliege.

Meinl-Reisinger: "Das ist eine Chaosregierung."

Rosenkranz: "Sie wollen einfach nicht verstehen, dass Herbert Kickl eine gute Arbeit macht und die Leute das honorieren. Da können Sie lachen, wie sie wollen."

Pilz: "Ich verkneif mir‘s grad."

Leichtfried wollte sich zu Wort melden.

Reiterer: "Nein, der Herr Mahrer wird … ich muss das ordnen."

Rosenkranz: "Wir werden das Gesetz ordentlich vorlegen. Sie haben genug Zeit, es sich anzusehen." Nebenher würde die Prüfung auf Behördenversagen laufen.

Pilz, ironisch: "Das Gesetz muss es um jeden Preis geben …"

Rosenkranz: "Es gibt gute Gesetze und die bringen wir mit der Regierung auf den Weg."

Pilz verkniff sich offenbar ein Lachen. Es konnte wieder ein bisschen Ruhe einkehren.

Alle Inhalte anzeigen

Das Populäre

Leichtfried wollte einmal "etwas Positives" sagen. Er zeigte sich überrascht, dass es "endlich wieder eine Begutachtung zu einem Gesetz geben" soll. Damit wollte Leichtfried natürlich etwas Negatives sagen, nämlich, dass die Regierung seiner Meinung nach das Parlament sonst zu wenig einbinde.

Mahrer wiederholte: Es dürfe nicht sein, "dass gefährliche Asylwerber frei herumlaufen". Das sage nicht nur er als Politiker und erfahrener Polizist, 69 Prozent der Österreicher würden das ähnlich sehen. Damit verwies er auf eine aktuelle Umfrage.

Leichtfried: "Man kann Politik nach Umfragen machen oder Politik nach Haltung machen."

Reiterer zitierte dazu zum Abschluss noch den deutschen Altbundespräsidenten Walter Scheel.

Hier das gesamte Zitat: "Es kann nicht die Aufgabe eines Politikers sein, die öffentliche Meinung abzuklopfen und dann das Populäre zu tun. Aufgabe des Politikers ist es, das Richtige zu tun und es populär zu machen."

Etwas populär zu machen, ist bei dieser Runde wohl keinem der anwesenden Politiker gelungen. Für ein solches Hin und Her hält sich die Zustimmung sicher in Grenzen.