Die Wiener Serien-Täter
Von Christoph Silber
Mit "Vienna Blood" hat die Wiener Produktionsfirma MR Film ein heißes Eisen im internationalen Serien-Markt platzieren können. Die Mörderjagd von Juergen Maurer und Matthew Beard im Wien der Jahrhundertwende konnte nach der gelungenen Premiere auf BBC2 im November nun auch am Freitag in ORF2 zum Auftakt überzeugen. Anders als in England müssen sich österreichische Zuseher aber bis ins Jahr 2020 gedulden, bis sie nach "Die letzte Séance“ auch die beiden weiteren, bereits produzierten Folgen sehen können.
Bei MR Film-Produzent Oliver Auspitz tut das der Freude angesichts von durchschnittlich 670.000 Zusehern (24 Prozent Marktanteil) bereits in den Overnight-Quoten keinen Abbruch. "Es bedurfte einiger, auch wirtschaftlicher Anstrengungen des ORF, das immerhin die erste Folge noch heuer auf Sendung gehen konnte. Sie haben sich gelohnt."
Mehr "Blut"
Auspitz' Blick ist bei dieser Serie nach den Bestsellern des Freud-Experten Frank Tallis ohnehin schon nach vorn gerichtet. "Nach den gesamt über acht Millionen Zusehern hat die BBC, für die das bisher ,nur`eine internationale Kauf-Serien-Ware war, großes Interesse daran, dass ,Vienna Blood` möglichst bald weitergeht. Es ist in England ein wirklicher Hype um die Serie - und damit auch um Wien - entstanden." Drei weitere Drehbücher von Steve Thompson ("Sherlock") liegen jedenfalls bereits in Erstfassung vor, die Schauspieler sind terminlich geblockt. Übrigens: Die nächste Premiere von "Vienna Blood" ist Mitte Jänner in den USA, bei PBS. Auch in Deutschland, Frankreich, Spanien oder Italien und anderen Ländern wird die Serie laufen.
Für die MR steht bereits das nächste Highlight an: Wie "Die letzte Séance" von Regisseur Robert Dornhelm inszeniert, laufen am Freitag und Samstag (20.15, ORF2) die Teile 3 und 4 des internationalen, aufwendig produzierten Historien-Melodrams „Maria Theresia“. "Ich bin dem Regisseur für seine Auswahl von Stefanie Reinsperger sehr, sehr dankbar. Sie ist eine tolle Schauspielerin, die auch noch das Kindliche, Herzliche in sich trägt und spielen kann", sagt Auspitz über die Ex-Buhlschaft. Sie verkörpert in den zweimal 100 Minuten die Titelfigur in der Zeit nach 1740. "Die Zuseher begegnen einem Menschen, der mit Problemen von weltpolitischer Demension, aber auch privater Natur konfrontiert wird."
Die beiden ersten Folgen von "Maria Theresia" mit damals ROMY-Gewinnerin Marie-Luise Stockinger waren in Österreich wie in den ehemaligen Kronländern ein Publikumshit. Anders als in Tschechien und in der Slowakei sowie mit Arte in Deutschland und Frankreich werden die Ungarn vorerst nichts davon sehen. "Der Öffentlich-Rechtliche hat von der Politik kein grünes Licht für eine weitere Co-Produktionsbeteiligung bekommen. Man will nur dort noch Ungarisches."
Neue "Weiber"
Dass Erfolg verschiedene Wahrnehmungen hat, musste Auspitz heuer bei der Ausstrahlung der "Vorstadtweiber" zu Kenntnis nehmen. Die vierte Staffel hatte weniger absolute Zuseher als davor, was medial in Zeitungen intensiv getrommelt wurde. "Da spielte einiges hinein, nicht zuletzt auch Medien-Politisches. Das ändert aber nichts daran, dass sie mit gut 25 Prozent wohl das erfolgreichste fiktionale Produkt des Jahres auf ORF1 waren", meint Auspitz im Rückblick.
In der bereits abgedrehten Staffel 5 gibt es 2020 einen Abstecher in die Modewelt. Und dann? "Die Zukunft der ,Vorstadtweiber`muss man sehr, sehr sorgfältig behandeln. Sie sind schon von der Konzeption her kein ewiglaufendes Format, das sich wie eine Krimi-Serie von Fall zu Fall hantelt", sagt Auspitz. "Man muss schauen, wie und ob man auf die Geschichte noch eins draufsetzen kann." Mut hätte man diesbezüglich ja in der Vergangenheit bewiesen, erinnert Auspitz an Aufreger wie den schwulen Minister Schnitzler in der ersten Staffel. "Heute kümmert das angesichts der innenpolitischen Realitäten keinen mehr.“ Die Drehbücher für Staffel 6 werden aber jedenfalls schon entwickelt.
Sehr "Schnell"
"Da geht noch was", sagt Auspitz jedenfalls zu einer anderen, langlaufenden MR-Serie: "Schnell ermittelt". "Das ist ein fast schon lebenslang berufsbegleitendes Kind des ORF und von uns." Die sechste Staffel war mit dem Coming-of-age, dass der Sohn von Angelika Schnell ein Mörder ist, eher düster, hat einige Zuseher deshalb auch sehr bewegt. Fünf Folgen der neuen Staffel sind abgedreht. Und "die Leichtigkeit der ersten Staffeln kehrt zurück. Es ist uns vielleicht sogar gelungen, aus der Serie heraus eine neue Serie zu schaffen", meint Auspitz.
Das ist auch ein Stichwort für zwei Projekte - eines für Deutschland "?" sowie "Das Netz/The Net". Die schon länger in Entwicklung stehende Serie, hinter der Red Bull und die nunmehrige MR Mutter Beta Film stehen, leuchtet über unterschiedliche lokale Zugänge die Welt des Fußballs ausleuchtet. "Für Österreich liegen zwei ausgezeichnete Folgen des mehrfach preisgekrönten Drehbuch-Autors Martin Ambrosch vor. Zudem freut es mich, dass ServusTV als Lead-Sender dabei ist". In Deutschland, wo die ARD Degeto an Bord des Projekts gegangen ist, entstehend derzeit die Bücher im Writersroom und auch in Frankreich "ist man schon sehr weit. Ich denke also, dass wir das trotz der Komplexität hinbekommen werden."
Höhere Förderung
Jedenfalls von außen betrachtet, kann die MR Film relativ entspannt in die nähere Zukunft blicken. Das tun nicht alle in der heimischen Produktionslandschaft angesichts der Unwägbarkeiten beim ORF bzw. der Entwicklung von ORF1. "Ich halte es für wichtig, dass wir Produzenten immer wieder den Öffentlich-Rechtlichen an seine Verantwortung erinnern - die er auch wahrnimmt, wie jüngst die ORF Führung in einem Gespräch mit uns versichert hat. Man steht weiter zum Vergabevolumen." Wichtig wäre nun Sicht der TV-Produzenten, dass eine nächste Regierung, wie von den Vorgängern schon weit gedacht, die höhere Dotierung des RTR Fonds rasch vorantreibt. "Durch die vielen Kreativen im Land und durch das Engagement von ORF und auch den Privaten ServusTV und Puls4 könnte noch deutlich mehr aus Österreich heraus produziert werden. Und der Effekt der Förderungen ist ja ein Vielfaches und zahlt am Ende wieder in die Steuerkasse ein", erklärt Auspitz.