Kultur/Medien

Die ORF-Information wird schromlinienförmig

ORF2-Chefredakteur Matthias Schrom zieht im KURIER-Gespräch eine erste Startbilanz.

Es steht die zweite „ZiB2 am Sonntag“ an. Wie lautet Ihr Resümee der Premiere von Martin Thür. Gibt es Änderungen?

Die Quoten-Zufriedenheit ist natürlich bei solchen Seher-Zahlen absolut gegeben. Wir wissen sie aber auch einordnen. Die Neugierde bei den Info-Interessierten ist geweckt, klar ist aber auch, dass es nicht jede Woche 900.000 Zuseher sein können. Inhaltlich bin ich ebenso zufrieden:  Es war eine klare „ZiB2“ mit allem was dazu gehört und einem sehr guten Interview inklusive. Martin Thür hat da von Anfang an seinen ganz eigenen Stil zeigen können. 

Die „ZiB2 am Sonntag“ ist ein erstes Ergebnis der Arbeitsgruppen, die im Zusammenhang mit der TV-Information eingerichtet wurden?

Die „ZiB2 am Sonntag“ war schon Teil meiner Bewerbung. Die sehr breit angelegte Arbeitsgruppe hatte demnach ein ganz klares Ziel. Es ging um die Frage, wie stellt man die Sendung inhaltlich und in der Folge strukturell auf. Einzig offen dabei war, ob auch der Samstag als „ZiB2“-Tag ein Thema werden könnte – ist er nicht geworden, weil das Seher-Verhalten hier anders ist. Dieser Prozess war sehr erfreulich und nun sieht man auch in der Realität, dass sich das Ergebnis bewährt.

Was kann man noch erwarten?

Am besten sind immer Veränderungen, die den Zusehern nicht auffallen oder gar verschrecken. Eine Arbeitsgruppe beschäftigte sich beispielsweise mit dem Storytelling, dem Geschichtenerzählen. Da geht es um die Art der Berichte, um die Präsenz der Reporter in den Geschichten, um neuen Formen von Grafiken, was auch dem technischen Fortschritt geschuldet ist, oder auch um Bildsprache. Da geht es also nicht um eine bestimmte Sendung, sondern vor allem darum, Erzähl-Variationen aufzuzeigen als Angebot an die Kolleginnen und Kollegen und es wird angenommen. Andere Arbeitsgruppen beschäftigen sich etwa mit der Früh- und Mittags-„ZiB“, die flächiger geworden sind und wo nun auch hausinterne Experten zu Wort kommen oder auch mit den Strukturen hinter den Sendungen. Das heißt, es hat sich viel getan und tut sich noch viel.

Gibt es auch Änderungen bei der „Zeit im Bild“

Da geht es mehr um eine Weiterentwicklung als um Änderungen. Hinterfragt wird da, wie schauen die Schlagzeilen aus, die Beitragslängen, 3D-Grafiken oder wie kann man die Doppelmoderation besser nutzen, aber es geht nicht darum, einen Relaunch zu machen. Dafür funktioniert die Sendung zu gut, da muss man behutsam vorgehen.

Etwas in die Jahre gekommen wirkt die „Zeit im Bild“ schon.

Deshalb schauen wir auch genau hin, hinterfragen und analysieren. Im Frühjahr werden wir uns dann zusammensetzen. Am Ende sollen die Zuseher wahrnehmen, dass das lässig aussieht, aber nicht irritiert sein. Die Doppelmoderation bleibt jedenfalls, das ist Teil der Marke. Mir ist das ganz wichtig: Bei der „Zeit im Bild“ um 19.30 Uhr geht es um Verlässlichkeit.

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Die TV-Information ist immer wieder der Brennpunkt in der Diskussion um den ORF, speziell dann, wenn sich Politiker darüber auslassen. Wie gehen Sie jetzt als Chefredakteur damit um?

Ich bin zu 1000 Prozent überzeugt, dass der ORF eine sehr große zivilgesellschaftliche Bedeutung hat. Was im Fernsehen immer noch funktioniert, ist der genuine österreichische Content und die Information. Ohne überheblich sein zu wollen, das ist das, was der ORF auch am besten am elektronischen Markt von allen macht und kann. Ich hoffe, dass bei aller Diskussion um unsere Inhalte, die man durchaus führen kann und muss, schon außer Frage steht, dass es in diesem Land einen Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk braucht. Unabhängig kann der aber nicht sein, wenn er  zum Finanzminister ums Geld gehen muss. Ich bin weder Politiker noch Lobbyist, aber ich weiß schon jeden darauf hin, was der ORF und dessen Information leistet und auch sehr vielen Zuseher ist das sehr wichtig.

Als ORF2-Chefredakteur muss man wohl gar nicht zur Politik gehen, die kommt zu einem auch so -  durchs Telefon. Wie steht es um Interventionen?

Ich habe keinen Vergleich, weil ich diesen Job erst seit Juni mache. Aber egal, ob es Parteien sind, NGOs oder Interessenvertretungen, natürlich versucht jeder seine Geschichten zu verkaufen und das ist völlig in Ordnung. Eine Intervention, die mit Druck oder Drohung versehen wurde, hat es bis jetzt nicht gegeben. Rückmeldung, dass etwas gefällt oder nicht, kommt sowohl vom Publikum als auch von politischen Vertretern und da meist von Pressesprechern. Das halte ich aber auch für legitim, denn jeder, der uns Produkte, sprich Sendungen, konsumiert, kann sie gut oder schlecht finden.

Sie haben kein Problem damit?

Ich habe kein Problem damit, wenn sich Menschen für unsere Arbeit interessieren. Was wir als Journalisten machen, ist unsere Arbeit laufend zu hinterfragen: Wählen wir die richtigen Themen aus, ist die Umsetzung adäquat etcetera. Einen Hinweis darauf bekommen wir im ORF auch jeden Tag in der Früh, wenn die Seher-Zahlen und Bewertungen kommen.
 

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Gar nicht zufrieden war jüngst Vizekanzler H. C. Strache. Er war empört, weil er einen Bilanz-Bericht über die FPÖ nicht vor einem allerdings schon am Frühabend geführten Interview für die „ZiB2“ gesehen hatte. Man sagte Ihnen nach, Sie seien die FPÖ-Wunsch-Bestellung als Chefredakteur – sind Sie jetzt der verstoßene Sohn?

Mein Vater hat, soweit ich weiß, mich nicht verstoßen, ganz im Gegenteil, ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu meinen Eltern. Und zum konkreten Anlassfall ist zu sagen: Wenn man live auf Sendung ist, dann sieht man naturgemäß alles, was davor gesendet wird. Das konnte hier bei einer Aufzeichnung nicht der Fall sein. Inhaltlich kann ich jedenfalls immer noch keinen Verstoß sehen, auch in der Langfassung - auf der TVthek und als Podcast - war da nichts zu beanstanden. Es sind alle Themen, die vor dem Gespräch zu sehen waren, auch im Interview angesprochen worden. Was ich daraus lerne ist, dass man den Gästen noch deutlicher kommunizieren muss, was noch im Entstehen ist, wenn ein Gespräch Stunden davor aufzeichnet wird. Wobei, uns sind natürlich Live-Gäste lieber.

Es hat das wohl nicht in die Message-Control gepasst, die man den Regierungsparteien nachsagt. In diesem Zusammenhang - wie geht es dem ORF mit Einladungen etwa in die „ZiB2“? Das war früher oft ein Problem.

Ohne jetzt das wirklich auf Papier ausgewertet zu haben, es geht uns damit sehr gut. Es sind inzwischen wohl alle Minister zumindest einmal bei uns zu Gast gewesen. Das gilt auch für die Oppositionschefs. Klarerweise kommt nicht immer jeder zu dem Zeitpunkt, an dem wir uns das wünschen. Das liegt auch daran, dass die Einladungen oft sehr kurzfristig aus der Tages-Aktualität herauspassieren. Ganz grundsätzlich habe ich jedenfalls das Gefühl, dass sich die Politiker den Interviews in der „ZiB2“ und den weiteren Sendungen stellen. Der Bundeskanzler war bis jetzt schon öfter zu Gast, als manche seiner Vorgänger in ihrer gesamten Amtszeit. Das Politiker lieber ihre Botschaften kommunizieren, als unangenehme Fragen zu beantworten, liegt dabei in der Natur der Sache.

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Zur Struktur in der ORF2-Information: Da gab es nach Ihrem Antritt einiges an personellen Änderungen, so wurden Sendungsmacher abgezogen.

Ich würde nicht sagen, dass jemand abgezogen wurde. Ich halte es für einen normalen Prozess, dass eine neue Führung an den Verantwortlichkeiten Änderungen vornimmt. Barbara Seebauer ist beispielsweise von den Tages-"ZiBs" zu ORFeins gewechselt, weil dort viele neue Sendungen entwickelt werden und sie darin einfach sehr gut ist. Auch die weiteren organisatorischen Änderungen sind logisch und inhaltlich zu begründen. Die Kollegen, die uns verlassen haben, wurden nachbesetzt.

Es gibt jetzt zwei Channels mit jeweils eigener Info-Mannschaft – während man sonst vom Sparen und von Synergien spricht. Wo liegt da der Sinn und hat man sich da nicht inhaltlich selbst geschwächt?

Die Synergien sind ja trotzdem gegeben. Alles was aktuell ist, also die Ressorts, die Korrespondenten etcetera arbeiten ja weiterhin für ORFeins und ORF2. Diese neue Struktur bildet im Grunde nur das ab, was auch davor schon der Fall war: Lisa Totzauer hat schon davor die ORFeins-Info geleitet und ist jetzt die ORFeins-Channel-Managerin und die Mitarbeiter, die davor dort dabei waren, sind es immer noch. Genauso ist es auch mit ORF2. Es wurde also ein Ist-Zustand sozusagen auch formell festgelegt. Das hat auch inhaltlich Sinn, weil ORFeins eine andere Erzählsprache hat als ORF2 und sie machen das sehr gut.

Sie halten das Channel-System beim Fernsehen organisatorisch für sinnvoll?

Es ist absolut richtig. Die ORF-Radios liefern da ein sehr gutes Beispiel. Bei Ö3 ist zum Beispiel Georg Spatt Channel-Manager, die Information verantwortet zwar formell Radio-Chefredakteur Hannes Aigelsreiter, aber die Machart der Information ist auf den Sender abgestimmt. Für mich ist das ein Positiv-Beispiel, von dem der ganze ORF lernen kann, wie man sich immer wieder hinterfragt, immer wieder erneuert und deshalb erfolgreich bleibt.

Wenn man das Channel-System zu Ende denkt, wie sie sagen, müssten deren Manager auch die Budget- und Personalhoheit haben.

Das liegt nicht in meinem Entscheidungsbereich, sondern bei Generaldirektor und Stiftungsrat. Der Kern meines Jobs ist etwas anderes, nämlich ein Klima zu schaffen, in dem die Kolleginnen gute, glaubwürdige Geschichten machen können. Dass ich mir darüber hinaus Gedanken mache, ist aber auch klar.

Was macht jetzt Ihr Vorgänger Fritz Dittlbacher und haben Sie sich schon überlegt, was Sie machen wollten, wenn Sie, weil eine Wahl ausbricht, den Hut nehmen müssten.

Wenn eine Wahl stattfindet, dann möchte ich vor allem eine hochklassige Wahlberichterstattung und, hoffentlich, sehr gute Quoten am Wahltag haben, so wie das bisher immer war. Mit Fritz Dittlbacher habe ich ein wirklich gutes Verhältnis, er ist ein exzellenter Reporter und macht das sehr gern. Ich bin wirklich froh, dass er sich so einbringt, wie er das macht. Was mich betrifft: Ich war schon Reporter, Moderator, Verkehrsansager im ORF Tirol, dort auch beim Sport, bei Ö3, Programmchef bei Antenne Tirol – ich glaube, es wird sich in diesem Bereich etwas finden, was mir Spaß macht. Und: Ich gehe davon aus, dass meine berufliche Zukunft von der Qualität meiner Arbeit abhängt.  Ich kann nur sagen, ich mache das sehr gern, es macht mit großen Spaß, es freut mich, dass sich schon einiges bewegt hat. Was dann später einmal sein wird, weiß ich nicht. Was ich aber hoffe ist, dass der ORF dann auch noch beim Publikum ankommt und es möglich ist, dort journalistisch gut zu arbeiten.

Ihnen wird ein gewisses Phlegma nachgesagt. Ist das in diesem Job angesichts der vielen Aufgeregtheiten rundherum von Vorteil?

Ach so, ist das so? Also, dass ich nicht zu Nervosität neige, das würden meine Eltern und Freunde bestätigen. Die wenigsten Stürme dauern länger als drei Tage und genauso wie man im Zustand der Verliebtheit keine lebensverändernden Entscheidungen treffen soll, sollte man im Zustand der Erregtheit keine nachhaltigen Entscheidungen treffen. Was immer man tut, es gehört ruhig und gut durchgedacht, aber wenn man eine Entscheidung getroffen hat, dann soll man sie auch durchziehen.

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Info: Der neue Chef im Quoten-Hoch

Zur Person

Der Tiroler Matthias Schrom (46) ist seit Juni ORF2-Chefredakteur. Er verantwortet die „Zeit im Bild“-Ausgaben und andere Infoformate. Er startete  1991 beim Privatradio, war ab 1993  ORF Tirol,  1998 wieder imPrivatradio. Ab  2001  ORF Tirol, 2004 Wechsel nach Wien, seit 2010 aktueller Dienst.

Die Quoten

Die erste „ZiB2 am Sonntag“ war ein Quotenhit mit 894.000 Sehern (29 %Marktanteil). Sämtliche ORF2-Info-Sendungen liegen, gerechnet ab Jahresbeginn, über den Werten des Vergleichszeitraums des Vorjahres. Top-Wert:  Die „Zeit im Bild“ mit im Durchschnitt 1,331 Mio. Sehern. Auch das neue „Studio 2" funktioniert und kommt auf einen Markanteil von 28 Prozent gegenüber 24 Prozent.