Die Legende vom Dr. Richard, endlich im Fernsehen geklärt
Von Peter Temel
*Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends.*
„Für mich ist es beruflich eine Erfüllung“, sagt ein "akademischer Ghostwriter", den Hanno Settele für ORF 1 vors Mikrofon bekam. Der schreibende Geist besorgt anderer Menschen Arbeit, um einen Titel zu erwerben.
Settele widmete sich am Mittwochabend in „Dok 1“ dem zuletzt auf vielen Titelseiten untersuchten Thema „Der gekaufte Titel“. Gleich zu Beginn befasst er sich mit „einem klassischen Fall von Titelanmaßung“: Dem weit verbreiteten Witz, dass der bekannte Busunternehmer Dr. Richard gar kein Doktor sei, sondern damit nur seinen Vornamen „Dragan“, wahlweise auch „Dragomir“ oder "Dragobert", abkürze. Ein Witz, den manche noch immer für wahr halten sollen.
„Ich sitze jetzt zusammen mit dem berühmten Dragan Richard“, sagt Settele, wohl mit Schmunzeln unter der FFP2-Maske. Unternehmenschef Ludwig Richard schmunzelt ebenfalls, ihm in einem Reisebus gegenübersitzend.
Urbane Legende
„Das ist eine schöne Urban Legend“, sagt Richard, und fährt in akademischer Sprache fort: „Diese Geschichte stimmt nicht. Danke auch für die Gelegenheit, hier coram publico widersprechen zu dürfen.“ Sein Großvater, Unternehmensgründer Karl Ludwig Richard, habe sein Doktorat an der Hochschule für Welthandel erworben und „sein Unternehmen einfach so benannt“, erklärt er.
Der Name wurde offenbar zur persönlichen Verpflichtung, denn, so wie sein Vater, machte auch Ludwig Richard den Doktor. Er gibt zu: „Ein wesentliches Motiv dabei war, diese dummen Fragen nicht mehr beantworten zu müssen.“
„Sie meinen jetzt meine?“, sagt Settele.
Dr. Richard lacht unter der FFP2-Maske laut auf. Sein echter Doktortitel ist nun auch hochoffiziell, also im Fernsehen, bestätigt.
Titelschummelei
Launig und fundiert geht es weiter, wenn Settele im Stile einer wissenschaftlichen Arbeit, unter Heranziehung von Expertinnen und Experten, die folgenden drei Punkte der tatsächlichen Titelschummelei abarbeitet:
"1. Abschreiben
2. Ghostwriter schreiben lassen
3. An eine Uni ins Ausland ausweichen, an der man einfacher zu einem Abschluss kommt"
Unter Punkt 1. erklärt Stefan Weber seine Arbeit als Plagiatsjäger. Weber, der kürzlich die Plagiatsaffäre um Ex-Ministerin Christine Aschbacher ausgelöst hat, gibt zu Protokoll, dass er acht von zehn Auftraggebern nicht kenne, weil sie sich über Dritte, meistens Anwaltskanzleien, an ihn wenden.
Interessanterweise verbindet ihn das mit einem Mann auf der Gegenseite, dem Ghostwriter. Der vom ORF anonymisierte Gesprächspartner gibt an, seine Auftraggeber üblicherweise nicht zu kennen, weil er von Agenturen bedient werde.
Der Ghostwriter erklärt auch, was seine Arbeit, wie eingangs erwähnt, so erfüllend mache: „Es ist immer was Neues, man lernt immer was dazu.“
Eine Erfüllung, auf die offenbar ausreichend viele Titelsüchtige nicht viel Wert legen, sodass der Mann von seiner "unterstützenden" Arbeit gut leben kann.
Gänsefüßchen
Wie es um die wissenschaftliche Redlichkeit des Ghostwriters - für durchschnittlich 1.200 Euro pro Arbeit - bestellt ist, kommt nicht heraus. Settele erläutert jedenfalls in seiner Doku die Regeln: „Den großen Unterschied machen also die Gänsefüßchen. Wenn die fehlen, ist’s ein Plagiat.“
Ihr TV-Tagebuchschreiber schwört, auch weiterhin alle direkten Zitate aus fremden Fernseharbeiten mit Anführungszeichen kenntlich zu machen.