Der ORF-Chef auf Revival-Tour
Von Christoph Silber
Der Nachmittag in ORFIII am 9. August verheißt Spannung, aber auch ein bisserl Grauen. Angesetzt sind die „Soko Kitz“-Folgen „Feindliche Übernahme“ und „Tödliches Schweigen“ sowie „Die letzte Fahrt“. Die ist die Überleitung zu einer in der ORFIII-Vorschau als „Ersatzprogramm“ geführten, nur alle fünf Jahre gezeigten Sendung: ein „ORFIII Live“ mit den „Präsentationen der Kandidatinnen und Kandidaten zur ORF-GD-Wahl“ (ab 18.30).
Stand jetzt gibt es – und das könnte das Publikumsinteresse doch schmälern – nur einen einzigen Auftritt, jenen von Alexander Wrabetz. Der ORF-Generaldirektor (GD) wird sich, wie berichtet, für eine Vertragsverlängerung um weitere fünf Jahre bewerben und hat sich auch bereits zum Hearing vor dem TV-Publikum bereit erklärt. An die Adresse potenzieller Kontrahenten gerichtet, hatte Wrabetz jüngst gemeint: „Es braucht sich ja niemand davor fürchten, im Fernsehen aufzutreten; eine gewisse Befähigung im Umgang mit dem Medium kann man von einem potenziellen ORF-Generaldirektor oder einer ORF-Generaldirektorin erwarten. Am Ende entscheidet ohnehin der Stiftungsrat.“
Gute Kontakte
Adressiert war das an ORF1-Channel-Chefin Lisa Totzauer, die offiziell überlegt, sowie an den Chefproducer und stv. kaufmännischen Direktor Roland Weißmann, der als wahrscheinlichster Gegenkandidat gilt. Ebenfalls im Startblock verharrt Online-Chef Thomas Prantner. Übrigens, sollte es mangels Bewerber kein Hearing geben, steht in ORFIII die Folge „Magischer Mord“ bereit.
Für die Entscheidung über den künftigen Generaldirektor des ORF, die dann am Tag nach dem TV-Hearing, am 10. August, im 35-köpfigen Stiftungsrat gefällt wird, kann ein guter Kontakt zu den Spitzen der Parlamentsparteien nicht schaden – im Fall von Wrabetz also nicht nur zur SPÖ.
Und so stand am Mittwoch beim ORF-Chef „der Antrittsbesuch beim neuen Bundesparteiobmann der FPÖ, Herbert Kickl“, auf dem Programm, was man dort dem KURIER bestätigte. Passend dazu traf der tags zuvor die FPÖ-nahen Stiftungsräte, wovon ebenso der Standard berichtet hatte.
Regenbogen gesucht
Das war es aber noch nicht auf der GD-Revival-Tour: Kolportiert wurde für Mittwoch ein spezielles Treffen – jenes mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Vielleicht hat das schon final Licht ins Dunkel der anstehenden Entscheidungen um den Top-Job im Öffentlich-Rechtlichen gebracht.
Denn die ÖVP-nahen Stiftungsräte haben im obersten ORF-Aufsichtsgremium die relative Mehrheit, mit Unabhängigen geht sich die absolute aus. Dass Wrabetz trotzdem jüngst in einem APA-Interview von einer Mehrheit für sich ausging, zeugt von überbordenden Optimismus.
Dass Kanzler-Parteien – egal welcher Farbe – die ORF-Wahlen dominieren, ist kraft Gesetz so – mitunter funktioniert es trotzdem nicht. 2006 wurde Wrabetz (quasi gegen Wolfgang Schüssel) dank einer Regenbogen-Koalition zum Chef gekürt.
Gesetzesnovelle
Das macht es aus Sicht der ORF-Redakteure aber nicht besser. Der ORF-Redakteursausschuss forderte am Mittwoch erneut eine Novelle des ORF-Gesetzes. Es solle nicht die Interessen der Parteien berücksichtigen, „sondern unser Publikum in den Mittelpunkt stellen“. Die Mitglieder des Stiftungsrates wurden in einer Resolution aufgefordert, „sich auf ihre gesetzliche Unabhängigkeit zu besinnen“. Vom Management verlangen die Redakteure, „alles zu tun, um den ORF fit für die Anforderungen der Zukunft zu machen“ – was nicht für den aktuellen Fitness-Zustand spricht.
SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried unterstützte via Aussendung die Forderungen der Redakteure und warnte vor ein „ORF-Generaldirektors-Besetzung wie bei der ÖBAG.“
Thema einer Sondersitzung des Stiftungsrates, wie von SPÖ-Vertreter Heinz Lederer ins Auge gefasst, wird das vor der Wahl aber nicht mehr. „Ziel war ja nicht die Sitzung, sondern ein Bewusstsein für die ORF-Wahl in der Öffentlichkeit zu schaffen und den Fokus darauf zu lenken. Das ist gelungen“, erklärte Lederer. Für die Einberufung einer Sondersitzung braucht es die Unterstützung von zwölf Stiftungsräten.