Kultur/Medien

"Der junge Kreisky" wird zum Stoff für einen Kino-Film

Wem es in Österreichs Gegenwart an Politikern mit Format fehlt, dem bietet der Kino-Film bald eine Ausflucht: Drehbuch-Autor Fritz Schindlecker, Historikerin und Filmemacherin Helene Maimann und Regisseur Harald Sicheritz arbeiten gemeinsam an „Der junge Kreisky“. Als späterer Bundeskanzler prägte er, dessen Todestag sich 2020 zum dreißigsten Mal jährt, Österreich. Sein politisches Leben begann aber sehr viel früher. In diesen Tagen wird die erste Drehbuch-Fassung für diesen Spielfilm fertig. Es zeigt einen jungen Menschen zwischen Wohlstand und Arbeiterkampf, Liebe und Bürgerkrieg, Gefängnis und internationaler Anerkennung, Folter und Flucht – bei der  Musils "Mann ohne Eigenschaften" in der Manteltasche dabei war.

KURIER: Wie kommt man auf die Idee, einen Spielfilm machen zu wollen, der den jungen Bruno Kreisky und damit die wenig erfreuliche Zeit der ersten Republik zum Inhalt hat?

Fritz Schindlecker: Ich habe vor 15 Jahren Kreiskys ersten Memoiren-Band gelesen. Das war schon sehr faszinierend, wie und warum jemand aus gutbürgerlichem Haus sich der Vereinigung sozialistischer Mittelschüler zuwendet und sich dann, auch bedingt durch den Polizeieinsatz bei der Justizpalast-Demonstration der dort aktiven sozialistischen Arbeiterjugend anschließt. Kreiskys Vater war ja Generaldirektor der Österreichischen Wollindustrie AG und Zensor der Österreichischen Nationalbank. Filmisch wird das der etwas amüsante Einstieg, dass Kreisky seiner Mutter gesagt hat, er gehe zum Elmayer in die Tanzschule und dann dementsprechend ausstaffiert bei der SAJ angetreten ist – das haben die sicher sehr goutiert. Interessant ist natürlich auch sein privates Umfeld und seine   Karriere, die Verhaftungen, der Sozialisten-Prozess, bei dem es um Hochverrat ging, worauf die Todesstrafe stand und seine Rede dort, in der er sich zu seiner Sache bekannt hat und die ihn international bekannt gemacht hat.

Harald Sicheritz: Politische Laufbahnen, die in der Zwischenkriegszeit begonnen haben, sind kaum Gegenstand des österreichischen Films. Und das ist wichtig zu betonen: Es wird ein fiktionaler Film und keine Spiel-Doku. Wir beginnen 1927, als Kreisky 16 Jahre alt ist, und lassen es im Jahr 1938 enden, als er es noch ins Exil schafft mit einem Flug von Wien über Berlin nach Kopenhagen und schließlich Schweden.

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KURIER: Bei der Ereignisfülle, die Kreiskys junges Leben ausmacht, ist die eigentliche Frage, was lässt man weg und wie faktentreu muss man bleiben?

Fritz Schindlecker: Wir wollen kein Heldenepos machen und deshalb arbeiten wir ja auch zu Dritt, wobei Helene Maimann sagt, was historisch geht. Es gibt eine klare Hauptfigur und es ist ein fiktionaler Film, der sich an die Realitätslinie hält …

Helene Maimann: … der an ihr entlang geht. Das ist ja die Kunst bei einem solchen Projekt. Kreisky hatte ein sehr aufregendes Leben in einer sehr aufwühlenden, offen antisemitischen Zeit. Es sind etwa an der Uni, wo Kreisky Jus studierte, dauernd schwere Prügeleien durch Nazis passiert, was auch der Film zeigen wird. Für alles, was ihn später als Bundeskanzler und Parteivorsitzenden ausmachte, wurde er damals geprägt. Andererseits kannte er keine gesellschaftlichen Klassen, er war SAJ-Chef und hatte er hatte auch Freunde, die bei der Heimwehr waren. Er hat es aber auch lustig gehabt, die Frauen mochten ihn und er war immer „gsackelt“. Er hat nie verleugnet, woher er kommt.

KURIER: Warum wurde Kreisky zum Sozialisten?

Harald Sicheritz: Er folgte einer Idee und seine Erfahrungen bestärkten ihn darin. Er war sozusagen Überzeugungstäter – etwas, was heute, so meine Diagnose, abhanden gekommen ist.

Fritz Schindlecker: Es gab da auch eine innerfamiliäre Motivation, einen Onkel, der in der Gewerkschaftsbewegung in Böhmen tätig war. Kreisky hatte aber auch klar deutschnationale Verwandtschaft, die später von den Nazis ermordet wurden. Was mir bei dem Ganzen vor allem auch wichtig, dass der ständig steigende Politisierungsdruck ab 1929 nachvollziehbar wird, der auch nicht engagierte Menschen erfasst hat. Die, die sich bedroht fühlten oder entwurzelt, haben sich blitzartig, binnen Wochen radikalisiert. Einen schlimmeren Auswuchs dessen, als einen Bürgerkrieg wie in Österreich 1934, gibt es ja kaum. Das und der Anschluss 1938 sind zwei Kulminationspunkte, die im Film zu sehen sein werden, der aber nicht um diese Ereignisse herumgeschrieben ist.

KURIER: Was mir immer ein Rätsel war, ist, dass Kreisky trotz allem mit Nazis auskommen konnte?

Fritz Schindlecker: Quellen für den Film sind auch sein Gefängnistagebuch und der Briefverkehr. Da kommt klar heraus: Ein Mitgefangener ist ein Mitgefangener, man ist solidarisch, egal woher er kommt. 1935 waren das auch Nazis. Kreisky saß ja 21 Monate im Gefängnis. Einer von ihnen hat sich nach seiner Verhaftung durch die Gestapo für seine Freilassung eingesetzt, unter der Auflage, das Land zu verlassen. Davor noch hat er im Gefängnis einem vormaligen Minister mit Verhaltensregeln geholfen. Der wollte wissen, woher er das alles weiß – Kreiskys Antwort: Weil Sie mich eingesperrt haben…   

Helene MaimannEr war ein Häfnbruder, weil ihn der österreichische Diktator dazu gemacht hat – Ironie der Geschichte ist, dass Kreisky als Gymnasiast noch Engelbert Dollfuß als Landwirtschafskammer-Direktor und integren Fachmann kennengelernt hat. Das sagt auch einiges über diese Zeit. Kreisky hat später nie die Verurteilung wegen Hochverrats kassieren lassen und kam bei politischen Diskussionen auch immer wieder darauf zurück.

Sündenbock-Suche

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KURIER: Was hat das Damals mit dem Heute zu tun?

Helene MaimannDas werden Fritz und Harald herausarbeiten. Es gibt sehr viele Parallelen, die auch für ein nicht so informiertes Publikum sichtbar werden - atmosphärische Parallelen wie systemische: Leute gegeneinander aufhetzen, Sündenböcke suchen, die ganz bewusste Polarisierung der Bevölkerung auch von oben. 

Harald Sicheritz: Es gibt Mechanismen, die sind leider nicht zeitanfällig.

KURIER: Welche filmästhetische Herangehensweise habt Ihr Euch überlegt? Die Leute sehen jetzt hochkarätige Serien wie „Babylon Berlin“ usw.

Harald Sicheritz: Die Zeit ist eine ähnliche, aber es muss nicht so manieriert sein. 

Fritz Schindlecker: Ich bin auch lieber den Menschen nahe, um die es geht. Außerdem meine ich, dass das bei einem österreichischen Budget sonst schon sehr leicht in die Lächerlichkeit abgleiten kann, wenn man einen historischen Film macht und dann steht eine halbe Kanone vor einem kleinen Gemeindebau. Das muss einem schon beim Schreiben bewusst sein und ist es auch.

Herausforderung Casting

KURIER: Das Um und Auf wird der Darsteller des Kreisky.

Fritz SchindleckerDas Casting wird insgesamt eine Herausforderung, weil wir eine ganze Reihe junger Schauspieler brauchen werden, die zwischen 20 und 30 Jahre alt sind. Andererseits gibt es in Österreich schon einige, die sehr gut ausgebildet sind und leider eh kaum Jobs haben. 

Helene MaimannDas wird mit dem Buch das Allerwichtigste, Physiognomie, Ausstrahlung und Background, was also Kreisky ausgemacht hat, zu verkörpern. Es gibt da zum Beispiel Fotos von der Verhaftung durch die Gestapo – mit Hut. Da hat er einen Blick drauf, der sagt so viel wie: Ihr könnt mich alle. Man muss also bei diesem Film den Kreisky spüren können, diese Atmosphäre fühlen, aber man darf das Publikum nicht zukleistern. Dieses Aufs-Aug-Drücken, das tut beim Zuschauen manchmal schon sehr weh, das soll nicht passieren.

Vielen Dank für das Gespräch.