Amazon-Komödie aus Wien: Eine Sachertorte darf nicht "lecker" sein
Von Peter Temel
Österreich ist als Film- oder Serienschauplatz auf der Streaming-Landkarte bisher nicht breit vertreten. Diese Woche hat sich in dieser Hinsicht einiges getan. Am Dienstag ist die Serie „Die Totenfrau“ (zuvor im ORF) auf Netflix gestartet, am Freitag folgte der Film „Sachertorte“ auf Prime Video. Die romantische Komödie ist eine Originalproduktion der Amazon Studios und spielt fast ausschließlich in Wien. 29 von 30 Drehtagen wurden im März in der Bundeshauptstadt absolviert. Und diese dürften für das Team – trotz Omikron-Welle und dem Eindruck des Ukraine-Kriegs – ein sehr positives Erlebnis gewesen sein.
„In Wien hatte ich sicher eine der besten Zeiten seit Langem. Die Stadt war einfach gut zu mir“, sagt Hauptdarsteller Max Hubacher. Der 29-jährige Schweizer spielte schon vor mehr als zehn Jahren seine ersten Hauptrollen.
Für Maeve Metelka (24), sie spielt die weibliche Hauptrolle Miriam, ist es erst der zweite Film. „Ich genieße diese Erfahrung sehr, weil ich eine große Kitsch- und Romantik-Liebhaberin bin“, sagte sie beim Drehbesuch im März. „Mir haben solche Dynamiken, die einfach nicht alt werden, immer imponiert. Außerdem war es für mich als Wienerin sehr interessant, die Stadt nun anders wahrzunehmen, nachdem ich die letzten Jahre in Berlin gelebt habe.“
Ihren Kollegen Hubacher kostete die Rolle des jungen Berliners Karl, der aus romantischen Gründen nach Wien zieht (Handlung siehe rechts), schon mehr Überwindung. „Ich hatte am Anfang ein bisschen Skepsis gegenüber solchen Geschichten.“ Von der Zusage sei er dann „sehr überrascht“ gewesen und nahm die Herausforderung an. „Mir hat der Humor der Geschichte sehr gut gefallen. Nicht selten gehen Witze auf Kosten anderer. Hier basiert der Humor mehr auf Situationskomik und auf Missverständnissen über die Sprache. Das findet man bei deutschsprachigen Rom-Coms eher selten.“
Feiner Charme
Die sprachlichen Unterschiede beschreibt er so: „In Berlin herrscht teilweise ein bisschen rauer Ton und ich finde, in Wien gibt es auch diese Direktheit, Rauheit, aber immer mit einem gewissen feinen Charme. Karl ist ja eher abgebrüht. Zu seiner ersten Sachertorte sagt er einfach nur: ,Schmeckt halt lecker’.“
Ein deutsches Wort, das ihm im Film Krista Stadler – sie spielt eine im Sacher wohnende Dirigentenwitwe – schnell austreibt: „Etwas ist köstlich, es mundet oder ist ein Traum – aber sicher nicht lecker!“
Man einigt sich schließlich auf „ein Traum“.
Einem Traumbild scheint Karl zunehmend nachzuhängen, denn es zieht einige Zeit ins Land, in der seine Kurzzeitbekanntschaft aus Berlin noch immer nicht im berühmten Café Sacher erschienen ist. Würde sie ihn überhaupt noch treffen wollen?
Hubacher: „Es gab sicher Anhaltspunkte für ihn, dass es für Nini passen würde. Aber es ist schon ein krasser Move, da kann man auf jeden Fall darüber diskutieren. Aber Stalking in dem Sinne ist es nicht, weil er zum Beispiel bewusst nicht über Social Media nach ihr sucht. Es ist konsequent. Ich würde das, glaube ich, nicht machen, aber ich bewundere ihn dafür, dass er dieses Risiko eingeht.“
Seine Arbeit als Quizshow-Redakteur setzt Karl in Wien trotz des Liebesleids fort und schlägt, weil er ein WLAN braucht, seine Zelte im Café der Zuckerbäckerin Miriam auf. Das ungleiche Paar schließt Freundschaft.
Neben den jungen Hauptdarstellern gibt es einige prominent besetzte Nebenrollen: Karl Fischer als grantelnder Oberkellner, Ruth Bauer-Kvam als guter Geist im Sacher, Cornelius Obonya als berlinernder Quizshow-Zampano, außerdem Detlev Buck, Maria Happel, Hilde Dalik. Und: Samuel Koch spielt Bruder Matze, der Karl in Berlin aus der gemeinsamen Wohnung schmeißt.
Koch über seine Rolle: „Mir hat gefallen, dass er, obwohl er der Rollstuhl-Bruder ist, das Recht nicht verloren hat, einen nicht auf Anhieb sympathischen Charakter zu haben, Und so hat der Film viele interessante, überraschende Wendungen.“
"Es ist auch eine Liebeserklärung an Wien"
Jahrelang arbeitete Tine Rogoll als Regieassistentin – für Musikvideos wie „Sonne“ (Rammstein) und für viele Film- und Fernsehfilme, bevorzugt an der Seite von Regisseur Detlev Buck. „Sachertorte“ ist ihr erster Spielfilm als Regisseurin.
KURIER: Was fasziniert Sie an romantischen Komödien?
Tine Rogoll: Ich bin mit Liebesfilmen groß geworden, in dem Metier kenne ich mich aus. In meinen Augen ist das Kino ursprünglich dafür erfunden worden, dass man die Menschen von ihrer harten Arbeit ins Kino gebracht hat und dann haben alle gelacht. Irgendwie hatte ich das Gefühl, genau dafür ist Kino da. Und das muss man auch wieder ein bisschen mehr zurückholen. Als dann die Möglichkeit da war, dass ich „Sachertorte“ machen darf, ist das genau aus dieser Liebe heraus entstanden, dem Zuschauer eine Freude zu bereiten.
KURIER: Rom-Coms sind ja oft recht klischeehaft. „Sachertorte“ nimmt aber deutlich Bezug auf einen feiner gestrickten Film, „Before Sunrise“.
Tine Rogoll: Unser Film ist auch nicht wirklich eine Rom-Com. Es ist mehr Rom als Com. (lacht). Für mich war dieser feine Humor im Drehbuch die Herausforderung. Ich mag laute Filme nicht so. Ich wollte es eher leise, dass man als Zuschauer das Gefühl hat, man möchte mit an dem Tisch im Sacher sitzen, man möchte mit durch den Park laufen, einfach Teil dieser Geschichte sein. Und dieses Gefühl hatte ich bei "Before Sunrise" und fand es natürlich schön, dass das im Drehbuch auch noch Karls Lieblingsfilm war. Da kam bei mir irgendwie alles zusammen.
KURIER: Sie haben auch auf einige Schauplätze aus „Before Sunrise“ zurückgegriffen.
Tine Rogoll: Ich habe mir sogar das Roxy angeschaut für die Clubszene. Aber es entsprach nicht mehr so richtig dem heutigen Club Style. Aber die grüne Brücke war für mich ein Muss, da gerate ich schon gleich wieder ins Schwärmen. Und die Albertina auf jeden Fall. Die Szene war als einer der Höhepunkte konzipiert, wo ich in die Emotionalität gehen wollte.
KURIER: Was hat Ihnen an Linklaters Film besonders gefallen?
Tine Rogoll: Ich habe mir den Film natürlich im Zuge der Vorbereitung wieder angesehen. Da hat er mich nicht mehr ganz so angesprochen wie mit Anfang 20. Aber ich bin ein großer Fan von Linklater und habe höchsten Respekt. Als ich 20 war, hatte ich das Gefühl, ich sitze da auch mit in der S-Bahn und höre Ethan Hawke zu. Dieses Dabeisein und diesen Moment zu leben, dass man einmal aussteigt, sich mit jemandem verbindet und sich austauscht, das hat mich sehr angesprochen. Oft tauscht man sich ja mit den Menschen, die man gern hat, gar nicht so intensiv aus, weil man das Gefühl hat, man kennt sie ohnehin. Und manchmal, wenn es so eine einzigartige Begegnung ist, dann erzählt man einem Menschen sein ganzes Leben. Und das passiert in "Before Sunrise". Das hat mich damals fasziniert an dem Film. Und bei „Sachertorte“ ist es ähnlich, dass die eben auch so viel Zeit miteinander verbringen und dadurch die wahren Gefühle entstehen.
KURIER: Welche Stimmungen wollten Sie noch kreieren?
Tine Rogoll: Herr Schwartz und Frau Sawallisch sind die Figuren, wo man sich zurücklehnt und durchatmen kann. Aber der Rest ist schnell, und soll fliegen. Mir waren auch die Montagen total wichtig. Ich glaube, ich habe das ganze Team damit verrückt gemacht. Wir müssen hier noch ein Bild machen, hier noch eine Einstellung drehen. Das stand alles nicht im Drehbuch und ist vor Ort entstanden. Aber ich glaube, dadurch ist auch das Gefühl einer Leichtigkeit dazugekommen.
KURIER: Sie haben oft mit Detlev Buck gedreht. Was hat die langjährige Zusammenarbeit ausgemacht?
Tine Rogoll: Ich glaube, wir sind im Herzen tief verbunden und ich habe von ihm einfach so viel gelernt. Zum Beispiel habe ich mich vor dem Dreh zu „Sachertorte“ immer gefragt: Wann kommt dieses aufgeregt sein? Dann kam es in der Vorbereitung nicht und dann habe ich immer gedacht: Okay, der erste Drehtag wird wahrscheinlich total aufregend. Aber ich habe mich dann einfach nur immer gefreut über jeden Drehtag. Ich habe vor mich hin gelächelt und da war nie ein Gefühl von Unsicherheit. Und ich glaube, das ist einfach durch die Arbeit mit Buck entstanden. Ich habe das wohl alles aufgesaugt in 15 Jahren an seiner Seite und deswegen war ich nie unsicher.
KURIER: Wie war es in Wien zu drehen?
Tine Rogoll: Wien ist einfach eine fantastische Stadt. Also ich finde, hier kann man überall die Kamera aufstellen und es sieht einfach alles gut aus. Ich glaube, wir haben auch eine ganz gute Mischung zwischen dem traditionellen Wien und dem modernen Wien gefunden. Ich könnte mir vorstellen, der Film lädt einfach zu einem Stadtbummel durch Wien ein. Irgendwie ist es auch eine Liebeserklärung an Wien, muss ich ehrlich sagen.
KURIER: Wie wichtig war Ihnen die Originalschauplätze?
Tine Rogoll: Der Film geht ja in 150 Länder und wenn die Leute dann nach Wien kommen, dann gibt es halt tatsächlich das Aromat und es gibt es das Sass. Nach "Before Sunrise" wollte ich danach auch nach Wien und genau diesen Weg gehen. Das ist ja manchmal auch das Tolle an Filmen und das ist auch etwas, das unseren Film ausmacht. Hätte uns das Hotel Sacher nicht zugesagt, dann hätte meine Produzentin gesagt: „Das Sacher bauen tun wir nicht.“ Da geht es auch um die Seele eines Ortes. Ich habe an dem Film noch immer so viel Freude. Ich glaube, es liegt daran, dass ich das Gefühl habe, es hat so viel Seele, weil es an den Originalorten entstanden ist.
KURIER: Die Chemie bei den Schauspieler ist auch wichtig. Wie war die?
Tine Rogoll: Die Emotionen, die Miriam und Karl hatten, waren auch im echten Leben zu beobachten. Daher haben Maeve und Max als Freunde super funktioniert. Wir haben eine erste Probe gemacht, und danach habe ich sie Eislaufen geschickt. Da hatten sich die beiden gerade kennengelernt. Es war toll zu sehen, wie die beiden miteinander geredet und gelacht haben. Mich gab es gar nicht mehr. Jeder Schauspieler war so inspirierend und die Österreicher sind ja auch wirklich toll.
KURIER: Dann gibt es aber auch routinierte Schauspieler im Cast …
Tine Rogoll: Zum Beispiel Frau Stadler. Einfach meine tiefe Verneigung vor dieser Frau. Da stimmt jeder Augenaufschlag. Bei ihrgeht mir einfach so das Herz auf, das ist krass. Sie hat beim Lesen des Drehbuchs gesagt: Das ist meine Rolle. Und das hat mich gefreut, weil wenn jemand sagt, es ist seine Rolle, dann weiß ich natürlich sofort, was da auch für eine Leidenschaft von dieser Seite kommt.
KURIER: In einer Szene belehrt sie Karl, dass man in Wien nicht „lecker“ sagt. Bleibt das in einem drin nach so einem Dreh?
Tine Rogoll: Tatsächlich, ja. Aber das Wort „lecker“ ist auch nicht mein Genre. (lacht) Ich möchte dafür das Wort "vortrefflich" wieder zurückholen. So etwas geht auch schon ein bisschen unter, jedenfalls in Deutschland. Ich werde jetzt öfter vortrefflich sagen. (lacht)
KURIER: Und wie geht es mit Ihnen als Regisseurin weiter?
Tine Rogoll: Ich würde gerne wieder in Wien drehen. Das ist also quasi eine Bewerbung an die Stadt: Wenn jemand eine Regisseurin sucht, dann bitte: Melden Sie sich. (lacht) Ich würde gerne wieder zurückkommen. Ich wünsche mir natürlich sehr, dass der Film viele Herzen erfreut und vielleicht auch der eine oder andere Folgefilm damit möglich wird.