"Bio" brachte Genuss ins Fernsehen und Boulevard mit Anstand
Von Peter Temel
Eine Fernsehkarriere könnte man heute nicht mehr so starten. Alfred Franz Maria Biolek begann 1963 beim ZDF als Justiziar. Promoviert hatte der am 10. Juli 1934 im heutigen Tschechien geborene Sohn eines sudetendeutschen Anwalts zu „Schadensersatzpflicht des Verkäufers und des Herstellers mangelhafter Waren nach englischem Recht“.
Seinen Stempel sollte er Deutschland mit unermüdlicher Arbeit im und am Fernsehen aufdrücken. Rasch wechselte er vor die Kamera – zunächst mit "Tipps für Autofahrer". 1970 kam Biolek zum WDR nach Köln und entwickelte mit Rudi Carrell die Samstagabendshow „Am laufenden Band“. 1978 bekam er seine eigene Sendung, „Bio’s Bahnhof“. Es folgten drei Jahrzehnte Dauerpräsenz. Seine Talkshow „Boulevard Bio“ lief zwölf Jahre, die Sendung „alfredissimo“, in der er mit rund 450 Promis plauderte und kochte, dreizehn Jahre lang.
Weltläufig
„Bio“ wirkte stets wie der nette, etwas schrullige Fernseh-Opi, der keine Scheu vorm „Äh“ hatte. Unvermeidlich waren seine Karteikarten, die er angeblich farblich mit seinen Sakkos abstimmte. Der Katholik erging sich aber keineswegs in zwänglerischem Spießertum, sondern erwies sich als weltläufiger Kenner der Kulturszene. Er holte die Kult-Comedytruppe Monty Python nach Deutschland. In „Bio’s Bahnhof“ zeigte er Talente wie Anke Engelke, The Police und Herman van Veen.
„Gespräche mit Leichtigkeit und Witz zu führen und dabei seinen Gästen nie zu nahe zu treten, war seine große Gabe“, sagte ARD-Programmdirektorin Christine Strobl. 1996 zog er mit einem allzu vornehmen „Boulevard“ Kritik auf sich. Zu Gast war Überkanzler Helmut Kohl, mit dem Biolek bei Pfälzer Wein besonders Belangloses besprach. Biolek, der zeitweise CDU-Mitglied war, wollte den privaten Kanzler zeigen.
Geoutet
Sein eigenes Privatleben gelangte 1991 weniger sanft an die Öffentlichkeit. Regisseur Rosa von Praunheim outete ihn auf RTL: „Warum sagt Biolek nicht, dass er schwul ist?“ Das traf den Entertainer, der sich aber versöhnlich zeigte: „Ich habe einen Schlag bekommen, der sehr weh getan hat, aber irgendwo hat dieser Schlag eine Verspanntheit gelöst, die danach weg war.“
2007, nach der letzten Folge von „alfredissimo“, in der er mit Alice Schwarzer kochte, sagte er: „Meine Zeit ist jetzt zu Ende.“
Sturz
2010 zog sich Biolek bei einem Sturz von einer Wendeltreppe schwere Schädelverletzungen zu, seitdem lebte er eher zurückgezogen. Im Jahr 2018 resümierte er in einem SZ-Interview: „Ich habe immer schnell gelebt und trotzdem genossen.“
Am Freitagmorgen ist Alfred Biolek – laut Adoptivsohn Scott Biolek-Ritchie – in seiner Kölner Wohnung friedlich eingeschlafen.
Die Fernsehbranche verneigte sich in ersten Reaktionen vor dem TV-Urgestein. Der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow erklärte: „Mit Alfred Biolek verlieren wir ein Allroundtalent des deutschen Fernsehens.“ Er sei nicht nur ein begnadeter Talkmaster, sondern auch ein Ideengeber, Entdecker und Förderer gewesen - und äußerst kreativ."
Auch ZDF-Satiriker Jan Böhmermann („ZDF Magazin Royale“) nahm Abschied von der TV-Legende. „Auf Wiedersehen, Bio!“, twitterte der Moderator und versah den Text unter anderem mit einem dicken roten Herzen. Böhmermann, der neuerdings eine eigene Kochshow („Böhmi brutzelt“) moderiert, hatte erst vor einigen Tagen erklärt, wie sehr er Bioleks einstige Kochsendung „alfredissimo“ bewundere: „Ich schaue mir alte Biolek-Folgen bei Youtube an. Die sind fantastisch.“
ARD-Programmdirektorin Christine Strobl erinnerte: „Gespräche mit Leichtigkeit und Witz zu führen und dabei seinen Gästen nie zu nahe zu treten, war seine große Gabe. Seine Sendungen und Kochshows wie “Bio“s Bahnhof„, “Boulevard Bio„ und “alfredissimo!„ haben in der Fernsehunterhaltung Maßstäbe gesetzt. Wir werden ihn sehr vermissen.“
Der Moderator und Fernseh-Autor Micky Beisenherz twitterte, Biolek sei „wirklich der Beste“ gewesen. „Das, was er bereits in den Siebzigern geboten hatte, das könnte man heute problemlos noch so senden und (es) wäre innovativ.“
In eine ähnliche Richtung würdigte Rapper Smudo (Die Fantastischen Vier) den TV-Pionier. „Ruhe Sanft. Danke, dass du Monty Python nach Deutschland gebracht hast“, schrieb er. Biolek war maßgeblich daran beteiligt gewesen, die britische Komikergruppe in der Bundesrepublik bekannt zu machen.
Filmemacher Rosa von Praunheim meldete sich ebenfalls zu Wort. Er veröffentlichte ein schwarz-weißes Foto von Biolek auf Facebook und schrieb - garniert mit drei roten Rosen - dazu: „Im Gedenken an Alfred Biolek. Hochachtungsvoll, Rosa.“ Ihn und Biolek verband ein öffentliches Ereignis. Praunheim hatte 1991 Bioleks Homosexualität im Fernsehen öffentlich gemacht - in dessen Abwesenheit. Biolek empfand das zunächst als „unfair“, war aber später doch froh darüber.