Kultur

In die Theater-Garage gefahren

Es gibt für die Wiener Kulturszene keinen schöneren Sport als das Burgtheaterdirektorenabschießen, lautet ein bitteres Bonmot. Umso bemerkenswerter, dass Matthias Hartmann tatsächlich der erste Burg-Chef ist, der bei laufendem Vertrag aus dem Amt gejagt wird. Hartmann geht damit in die Geschichte ein – ganz anders, als er es sich erhofft hatte. In die Theatergeschichte eingehen wollte er ganz sicher – vor der Eitelkeit hatte Matthias Hartmann nie Angst.

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Bereits im Sommer 2009, also vor Hartmanns erster Spielzeit, zeichnete sich ab, dass diese Ära kompliziert werden könnte. Hartmann wollte seine Direktionszeit mit dem größtmöglichen Effekt eröffnen: Goethes "Faust". Und Hartmann wollte zeigen, was er kann: "Faust 1" klassisch und werktreu, "Faust 2" modern.

Und er wollte eine ungewöhnliche Konstellation bieten: Bühnen-Star Gert Voss als Mephisto, TV-Star Tobias Moretti als Faust. Aber Voss und Moretti kamen miteinander gar nicht gut aus, worauf sich Voss auch mit Hartmann zerkrachte. Der Spiegel durfte die Proben besuchen und bedankte sich mit einer an Süffisanz kaum zu überbietenden Reportage.

Bei der Premiere hielt Moretti dem Druck nicht stand, Voss spielte ihn mit Genuss an die Wand, es gab Zwischenrufe, die Kritiken reichten von Lob bis Totalverriss.

Misstrauen

Bei den ersten Interviewterminen erlebte der Autor dieser Zeilen einen Burgdirektor, der vor Misstrauen kaum ein Wort sagte. Dass ihn das deutsche Feuilleton so oft mit Häme überschüttet hatte, setzte ihm sichtlich zu, obwohl er immer wieder betonte, er mache Theater für das Publikum, nicht für die Fachzeitschrift Theater heute.

Im Laufe der Monate – als klar wurde, dass das Publikum das Burgtheater stürmte – taute Hartmann deutlich auf. Er war ein charmanter, witziger Gesprächspartner, angenehm direkt. Er kannte aber auch keine Scheu, seinen Porsche-Schlüssel auf die Bar zu knallen. Eitelkeit? Selbstironie? Beides?

Manche Schauspieler beschrieben ihn als autoritär, arrogant und kalt. Der Satiriker Harald Schmidt und Voss bedachten ihn in einem Film von André Heller mit ausgesucht bösartigem Spott.

Dass manche Medien begannen, Jagd auf ihn zu machen, merkte er, als Nepotismus-Vorwürfe laut wurden, weil seine Schwester und sein Schwager in Wien die Kindertheater-Schiene leiten. Die Vorwürfe waren in dieser Form nicht fair, denn Hartmann hatte ja nicht plötzlich Verwandte mit Posten versorgt, sondern immer klar gesagt, wer zu seinem Team gehören würde, falls man ihn nach Wien hole. (Abgesehen davon fielen sie durch erstklassige Arbeit auf.)

Sternstunde

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Manche Kritiker attestierten Hartmanns Inszenierungen formschöne Seelenlosigkeit. Andere, wie der Autor dieser Zeilen, fanden sie zumeist kraftvoll und angenehm unideologisch. Als echte Sternstunde wird dennoch wohl nur "Krieg und Frieden" in Erinnerung bleiben. Paradoxerweise eine Inszenierung im kleinen Kasino, mit einfachsten Mitteln, nur aus der Kraft des Textes schöpfend.
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Vergangenen Sommer fiel Hartmann mit einem grellbunten, ein wenig wirren "Lumpazivagabundus" auf, und sein Shoa-Gedenkprojekt "Die letzten Zeugen" wurde zu Recht hoch gelobt.
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Ob Hartmanns für 6. April angekündigte Produktion "Der falsche Film" , deren Text er mit Schauspielern erarbeitet hat, überhaupt zur Uraufführung kommt, ist fraglich.

Er werde immer Theater machen, "notfalls in einer Garage", hat der Auto-Narr Hartmann oft gesagt. Falls jemand eine passende Garage hat: Hartmann wäre frei. Garagen-Theater – und das ist ein Kompliment, keine Gemeinheit! – kann er sicher herausragend gut.