Kultur

"Luther": Verbrecher sind immer Genies

Eine Beobachtung vorweg: Auch die Engländer haben’s mit den Titeln. Da dachte man, nur in Österreich wären die Hofräte und Herrn Magister wichtig. Doch auch der Londoner John Luther (Idris Elba), Chefermittler der Krimi-Serie „Luther“ wird von allen als „DCI Luther“ angesprochen, er meldet sich auch am Telefon mit der Abkürzung von „Detective Chief Inspector“. Das kann man sich nicht einmal in Österreich vorstellen. Wo es ja heißt: Inspektor gibt’s kan.

Ansonsten hat DCI Luther ein wesentliches Merkmal mit anderen Ermittlern gemeinsam: Er ist angeschlagen. Körperlich dürfte beim hünenhaften Londoner alles okay sein, aber die vielen grausamen Morde, mit denen er es über die Jahre zu tun hatte, haben ihn mitgenommen. Das macht ihn oft wütend. Da tut er dann Dinge, die er nicht tun sollte. Wie zum Beispiel Killer Henry Madson vom Baugerüst hinuntergefallen ist, weiß man nicht so genau.

Kentucky Fried Chicken

Mit Henry Madsons Tod endet der Thriller „Luther – die Drohung“, den Neil Cross als Vorgeschichte zur TV-Serie „Luther“ geschrieben hat. Ein harter, expliziter Krimi, der penibel recherchiert ist und auch Lesern gefallen könnte, die sonst andere Genres bevorzugen. Etwa durch detailverliebte, realistische Beschreibungen von Familienalltag: Wie eine Mutter ihren Teenager-Sohn von der Schule abholt, mit ihm zu Kentucky Fried Chicken fährt, während daheim der Tod auf sie wartet. Oder, ein Randthema im Roman: Immobilienspekulation. Wie ein windiger Geschäftsmann mit allen Mitteln versucht, den letzten Bewohner aus einem Haus zu vertreiben. So viel sei verraten: der Hund des alten Mannes wird es nicht überleben.

John Luthers Wut auf die Welt, sie ist auch bestimmendes Thema in der von der BBC produzierten, nach ZDFneo nun erstmals im Free-TV ausgestrahlten Fernsehserie, zu der Neil Cross das Drehbuch geschrieben hat. Luthers Unfähigkeit, den Job Job sein zu lassen und sich daheim Privatem zu widmen, belastet seine Ehe mit Juristin Zoe (Indira Varma) schwer. Sie liebt Luther, sucht ihr Glück aber in einer weniger anstrengenden Beziehung. Davon ist für eine Krimi-Serie ungewöhnlich viel die Rede. Und auffallend oft hat es die Londoner Polizei hier mit verbrecherischen Genies zu tun.

Bemerkenswert ist auch die Filmmusik: Das Hauptthema „Paradise Circus“ stammt von Massive Attack. Hauptdarsteller Idris Elba, bekannt aus „The Wire“ wurde 2012 für „Luther“ mit dem Golden Globe ausgezeichnet. Die BBC hat eine dritte Staffel angekündigt.

Inhalt: Mörderischer Schutzengel

Hannibal In der ersten Folge trifft Luther auf eine Variation des Serienmörders Hannibal Lecter. Alice Morgan ist eine oberschlaue Astrophysikerin, die ihre Eltern ermordet hat. Eine attraktive, durchtriebene Person, die für Luther ein mörderischer Schutzengel wird. Passt gut, denn Luther weiß oft selber nicht, wo die Grenze zwischen Gut und Böse ist.

Gangsta-Slang Wermutstropfen der ZDF-Fassung: Der deutschen Synchronisation fällt das Spiel zwischen Gangsta-Slang und rauem Londoner Dialekt zum Opfer.