Kultur

Nachrichten aus der Vorhölle – so geht Infotainment

Man könnte das auch für Rache halten: Einen lebenslangen Widersacher als winziges Engerl mit Daunenflügerln zu beschreiben, insgesamt kaum größer als ein Molekül.

So endet nämlich Theo Van Gogh in Leon de Winters neuem Roman „Ein gutes Herz“.

Theo Van Gogh war der umstrittene niederländische Filmregisseur, der 2004 kurz nach der Ausstrahlung seines islamkritischen Films „Submission“ auf offener Straße ermordet wurde.

Van Gogh war vieler Menschen leidenschaftlicher Widersacher. Er pöbelte und patzte an, wo es nur ging. Dem Schriftsteller Leon De Winter etwa warf er vor, dieser würde „sein Judentum vermarkten“. Zum Drüberstreuen provozierte er De Winter und seine Frau in diesem Zusammenhang mit sexuellen Anzüglichkeiten.

Nun also De Winters Rache: Er schickt Van Gogh in die Vorhölle und macht ihn später zum lächerlichen Engerl. Und so beginnt De Winters Roman wie ein Witz der Sorte: „Treffen sich ein Pfarrer, ein rechter Provokateur und sein Mörder.“

Witz ist das zwar keiner, doch die Episode, in der der eben ermordete Filmemacher mit dem Priester darüber verhandelt, wie es jetzt da oben mit ihm weitergeht, ist ziemlich komisch. Van Goghs zunächst größte Sorge: ob er noch rauchen darf. Er hat ja eh keine Lungen mehr.

Was De Winter hier macht, ist Aufarbeitung von Zeitgeschichte. Mit Witz und Unterhaltungsfaktor. Bestes Infotainment.

Das Allerbeste daran ist die augenzwinkernde Selbstreferenz. De Winter nimmt sich aufs Korn. Nicht nur Theo Van Gogh kann ihn nicht leiden („Ein Scharlatan. De Winter war ihm auf den ersten Blick zuwider gewesen. Zwanzig Jahre hatte er gegen ihn gehetzt (...) Mit dem kommunizieren? Lieber in die Hölle!“)

Auch seine Frau, die Autorin Jessica Durlacher hat De Winter verlassen (im echten Leben sind die beiden noch immer ein Paar).

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Das machen Schriftsteller ja gerne: sich von ihren Albträumen befreien, indem sie das Beängstigende in Romanen abladen. Hier also wurde De Winter verlassen, weil sie einen anderen hat – und er hat 20 Kilo zu viel.

Natürlich ist das alles sehr konstruiert. Und sprachlich nicht immer ideal: „Sie war zwar jetzt zweiundvierzig, sah aber noch genau so gut aus wie damals auf der Insel. Brüste wie eine pralle Achtzehnjährige“.

Andererseits ist „Ein gutes Herz“ auch ein romantisches Buch: Da gibt es einen Mann, der auch im Tod für seine Liebste sorgen möchte. Auf Erden hat er sein Herz gespendet, im Himmel wartet er auf seine Frau, die er „wenn sie alt und krank geworden war, hier auffangen und tragen und trösten würde“.

KURIER-Wertung: