Kultur

Bringen Stimmen Bilder zum Klingen? Das Lentos Museum stellt Gesang aus

 „Gott, die Heiden sind eingedrungen in dein Erbe, / sie haben deinen heiligen Tempel entweiht / und Jerusalem in Trümmer gelegt…“

Die Verse des 79. Psalms („deus venerunt gentes“) wurden vom britischen Komponisten William Byrd um 1580 als Choral vertont. In der aktuellen Sonderausstellung des Linzer Lentos Museums ertönt das einnehmende Musikstück: Jede Stimme dringt aus einem eigenen Lautsprecher, die der Künstler Henk Schut in einem Kreis aufgestellt hat. Doch plötzlich schwillt ein Donner an, und es scheint für einen Moment, als würde ein Düsenjet ganz knapp über das Haus an der Donaupromenade fliegen.

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Ist die Installation ein Sinnbild für die Bedrohung der Demokratie, wie es der Werktitel („The Singing Parlament“) nahe legt? Ist es möglich, die Psalmworte und den Flugzeuglärm mit den Vorkommnissen im Nahen Osten in Verbindung zu setzen? Das Saalheft belehrt, dass englische Katholiken das Lied einst als Klage über ihre Glaubensgenossen lasen, die von der anglikanischen Kirche verfolgt wurden. Doch Königin Elisabeth I. soll die Musik so gut gefallen haben, dass sie den Komponisten gewähren ließ: Gesang wirkt offenbar auf anderen Ebenen.

Die Stimme erheben

„Komm sing mit! – Vom Erheben der Stimme“ (bis 5. 1. 2025) ist eine Ausstellung über die politischen Dimensionen des Singens. Wenngleich die Schau mit 22 Werken überschaubar bleibt, ist der Kraftakt, die verschiedenen Positionen als Ganzes zu präsentieren, spürbar.

Da ist etwa das Gemälde jubilierender Menschen, die die Malerin Nengi Omuku aus Nigeria anlässlich der dortigen Parlamentswahl 2023 anfertigte. Daneben hängt Anton Koligs 1946 für den Eisernen Vorhang des Salzburger Festspielhauses entworfenes Bild „Das Werden“, in dem der Start in die Nachkriegsdemokratie ebenfalls von einem gemalten Chor besungen wurde. 

Doch funktioniert eine Übertragung von Ton ins Bild auf sinnlicher Ebene? Das Ineinander wirkt in den präsentierten Ton-Zeichnungen von Nikolaus Gansterer und Gerhard Rühm überzeugender – doch übertönt hier die künstlerische Innovation wiederum eine mögliche politische Dimension.

Vielstimmig

Vielleicht ist es divergierenden Interessen des Kuratorinnen-Trios (Hemma Schmutz, Klaus Speidel, Sarah Jonas) geschuldet, dass die Schau über die Konstellation vieler – für sich genommen durchaus interessanter – Werke den Fokus auf die körperliche Dimension der Stimme verliert. Im eingangs erwähnten Werk von Henk Schut oder in der Videoinstallation „Sounds from Beneath“ von Mikhail Karikis und Uriel Orlow funktioniert das noch – hier erweckt ein Chor pensionierter britischer Minenarbeiter die stillgelegte Arbeitsstätte durch imitierte Geräusche von Baggern oder Kohlewägen wieder zum Leben.

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Kunstlied

Doch Maria Lassnigs schon legendäre „Kantate“ von 1992 erscheint im Kontext der Schau ebenso beliebig wie die antikolonialistische Tanzperformance „Ramita Seca“ der argentinischen Queer-Performer*in Bartolina Xixa, in der Bewegung viel zentraler zu sein scheint als Gesang.

Die Ausstellungsarchitektur müht sich dazu mit Video-Boxen und Hörstationen redlich, lässt aber doch nur ein Erleben im Flüsterton zu. Im Foyer darf man immerhin in einer Box Karaoke singen. So richtig Laune dazu macht die Ausstellung aber nicht.