Eine Ameise fällt um, und der Rest macht weiter
Von Peter Jarolin
Allzu oft findet sich Franz Schuberts dreiteiliges Oratorium „Lazarus“ nicht auf den Spielplänen der diversen Musikveranstalter. Der Grund liegt auf der Hand, denn die Musik zu „Lazarus“ bricht mitten im zweiten Teil ab. Schubert hat – aus welchen Gründen auch immer – nur ein Fragment hinterlassen.
Im Theater an der Wien aber wagt man sich ab heute, Mittwoch, an diese Rarität und geht gleich ein doppeltes Risiko ein. „Lazarus“ kommt sogar szenisch. Claus Guth, der mit seiner Deutung von Händels „Messiah“ (2008) schon einmal mit einem inszenierten Oratorium für Furore gesorgt hat, nimmt sich auch des „Lazarus“ an. Zusätzlich zur vorhandenen Musik ergänzt Claus Guth das Werk um weitere Musik aus der Feder Schuberts sowie um „The Unanswered Question“ von Charles Ives.
Szenenfotos
Transitraum
Guth: „Ives’ Musik passt, sie stellt dieselben Fragen wie Schubert.“ Es geht um Tod und Auferstehung, um Glaube im weitesten Sinn bei dieser Erweckung des Lazarus von den Toten. Regisseur Guth: „Ich möchte die Menschen auf eine Reise mitnehmen und mich an die Frage herantasten, was nach dem Tod passiert.“ Bühnenbildner Christian Schmidt hat dafür eine Art „Transitraum“, ein Zwischenreich von Leben und Tod geschaffen. „Wir untersuchen die ,letzten Dinge‘ mit den Mitteln des Theaters.“ Dass dieses hochkomplexe Thema so knapp vor Weihnachten auf die Bühne kommt und nicht etwa in der symbolträchtigeren Karwoche, ist für Guth Intendant Roland Geyers „ schlauer Programmierung“ zu danken.
Underground
Im Fall von „Lazarus“ hat der gebürtige Deutsche auch ein bestimmtes Bild vor Augen: „Ich sehe den Mensch in seinem Streben als Ameise. Plötzlich fällt eine Ameise tot um, und der Rest macht einfach weiter wie immer. Denn das Nachdenken über den Tod ist ja unangenehm.“ Was Guth an dem Oratorium aber noch reizt: „Schuberts Opern werden oft abqualifiziert und nur selten gespielt. Ich habe selbst den ,Fierrabras‘ inszeniert und weiß, wie schwierig das ist. Bei ,Lazarus‘ musste ich diesen ganzen Opern-Rucksack, dieses Bemühen um Größe, nicht mitnehmen, sondern konnte mich ganz auf die Musik und den Text konzentrieren.“
Bis 2019 ist Guth ausgebucht. Auch an der Wien wird er wieder fix inszenieren. Ein Projekt aber hat sich zerschlagen. „Ich hätte 2014 bei den Salzburger Festspielen Händels Oratorium ,Jephta‘ machen sollen. Das aber wurde gestrichen, um den Sparwillen zu demonstrieren. Ich war also das Bauernopfer.“