Kultur

Geld, Macht, Sex: Abgesang auf eine irre Patchworkfamilie

Das Unterfangen war ebenso spannend wie ungewöhnlich: Mit Paisiellos "Barbiere", Mozarts "Figaro" und mit Darius Milhauds 1966 uraufgeführter Oper "La mère coupable" brachte Intendant Roland Geyer im Theater an der Wien die gesamte Beaumarchais-Trilogie rund um Graf und Gräfin Almaviva auf die Bühne. Ein Projekt, das trotz Einschränkungen letztlich ganz gut aufgegangen ist.

Denn auch bei "La mère coupable" – der andere Titel "L’ autre Tartuffe" trifft es fast besser – ist Schluss mit lustig. Ein Krieg hat stattgefunden, Chérubin ist gefallen, hat jedoch mit der Gräfin noch ein Kind gezeugt. Auch der Graf war diesbezüglich nicht untätig – als Patchworkfamilie lebt man mit Figaro, Suzanne, den erwachsenen Kindern, die sich ineinander verlieben, und mit einem Intriganten namens Begearss in einem sehr renovierungsbedürftigen Hotel im Heute.

Psychoanalyse

So will es Regisseur Herbert Föttinger, der Milhauds präzises Schauspiel mit Musik auf seine psychoanalytischen Momente abklopft, der Figuren doppelt, Sehnsüchte in surrealer Weise ausstellt, der in Walter Vogelweiders düsterem Industriebau-Bühnenbild auf zwei Ebenen sexuelle und monetäre Begehrlichkeiten mitunter drastisch, aber klug seziert. Der Bösewicht wird letztlich zwar entlarvt; für die Familie Almaviva samt Anhang aber gibt es kein Entkommen. Der Fahrstuhl zur (Gefühls-)Hölle steht bereit.

Das ist alles handwerklich souverän gemacht und findet seine Entsprechung im (man beginnt mit Mozarts "Maurerischer Trauermusik") fein assistierenden ORF Radio-Symphonieorchester unter der Leitung von Leo Hussain.

Stimmlich aber sind auch Vorbehalte angebracht: So ist die Sopranistin Mireille Delunsch eine gefährlich ausgesungene Gräfin, so ist Bariton Markus Butter alles andere denn ein vokal agiler Graf Almaviva. Blass bleibt auch Tenor Andrew Owens; Stephan Loges ist ein solider Schurke. Erfreulich aber Aris Agiris als in jeder Hinsicht potenter Figaro, Frederikke Kampmann als höheres Töchterlein und die präsente Angelika Kirchschlager als Suzanne. Ein paar Buhs für die Regie, kurzer Applaus.

KURIER-Wertung: