Kultur

"La La Land": So lange tanzen, bis man verliebt ist

Hupen, Hitze, Motorlärm. Eine endlose Autoschlange zieht sich über den Freeway Richtung Downtown Los Angeles. Kein Vehikel bewegt sich, alles steht. Stau.

Plötzlich öffnet sich eine Autotür. Eine Frau steigt aus, schnippt mit dem Finger, wippt mit dem Fuß. Sie beginnt ein Lied zu singen und zu tanzen. Die nächste Autotür öffnet sich, wieder steigt jemand aus, singt, tanzt. Und dann noch einer und noch einer. Der gesamte Freeway verwandelt sich in eine Broadwaybühne: Menschen schlagen Saltos auf ihren Autodächern, gleiten mit Skateboards über Leitplanken, schwingen den Hula-Hoop-Reifen auf dem Pannenstreifen, musizieren, jubilieren, singen ein gemeinsames Lied – und tanzen, was das Zeug hält.

Kein Zweifel, wir befinden uns in einem Musical.

Und was für einem!

Augenschön und rhythmussicher, in wunderbar fetten Farben und mit entfesselter Kamera: Damien Chazelle, der 31-jährige Regie-Vorzugsschüler, hat wieder alles richtig gemacht. Bereits mit seinem letzten Film "Whiplash" erwies sich Hollywoods Musterknabe als Oscar-würdig. Nun legte er ein lupenreines Pastiche-Singspiel vor und erhielt sieben auf einen Streich – Golden Globes.

Cinemascope

Das Musical gehört in manchen Kreisen zu den eher weniger beliebten Film-Genres. Doch dieses könnte auch die Ungläubigen bekehren. Chazelle ließ es in spektakulärem Technicolor und in fabelhaftem Cinemascope-Breitwand-Format wieder auferstehen. Gezielt wühlte er in der Vintage-Kiste – und holt herrliche Versatzstücke aus dem klassischen Hollywood-Musical-Repertoire à la "Singin’ in the Rain" ebenso heraus wie Jacques Demys "Die Regenschirme von Cherbourg".

Zwar ist Ryan Gosling als Seb längst kein Gene Kelly; doch gerade sein verhaltener Stepptanz und der Schmelz seiner Stimme garantieren einen Stich ins Herz. Die ausdrucksüberschwängliche Emma Stone als zarte Mia an seiner Seite befindet sich mit ihm in völligem Gleichklang – und gemeinsam beschwören sie das Utopiepotenzial des Musicals: Liebe, Intensität, Überfluss, Community.

Selbst die Schwerkraft wird durch die Harmonie des Tanzes aufgehoben, federleicht schwebt das Paar an die Decke des Griffith Observatorium in L. A. – in Hommage an Nicholas Rays "Denn sie wissen nicht, was sie tun."

Chazelle verlötet sein Hollywood-Nostalgiebad mit seiner Vorliebe für Jazz, einer Neigung, die er seinem Hauptdarsteller auf den Leib geschrieben hat. Seb ist leidenschaftlicher Jazzer und begnadeter Pianist und träumt davon, seinen eigenen Club zu eröffnen. Seine Melodien treiben die Handlung mal zärtlich, mal frenetisch voran, lassen die Liebesbotschaft aus jedem Lautsprecher dringen.

Mia wiederum arbeitet als Servierkraft auf dem Warner Bros. Studiogelände und kocht Kaffee für die Stars – in der Hoffnung, selbst einmal einer zu werden.

In ausgeklügelten Tanzchoreografien fängt eine unbeschwerte Kamera das Liebeswerben des Paares und die Morgendämmerung von Los Angeles gleichermaßen ein. Die Bilder atmen die Schönheit der Vergangenheit, und saugen sich doch in der Gegenwart fest. Zwischen Mobil-Telefonen und Jazz-Schallplatten findet Chazelle eine zarte Balance zwischen den Zeiten.

Doch die Jagd nach dem eigenen Traum, Misserfolg und Enttäuschung schaben an der Liebe von Seb und Mia.

Das Leben verläuft eben nicht wie im Musical – oder doch? Wäre es ein Film, wie würde es aussehen?

Kurz blitzt es auf, das Glücksversprechen vom nicht gelebten Leben – aber nur so lange, bis die Melodie verklungen ist.

INFO: USA 2016. 128 Min. Von Damien Chazelle. Mit Ryan Gosling, Emma Stone, John Legend, Rosemarie DeWitt.

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Manche Geschichten sind wahr, andere erfunden. Zhang Yimou, chinesischer Superstar-Regisseur, erzählt in seinem amerikanisch-chinesischen Fantasy-Blockbuster eindeutig eine erfundene.

Und zwar irgendwo in der Wüste Gobi des 15. Jahrhunderts: Dort treiben sich Matt Damon und seine Kumpane als bärtige Söldner auf der gierigen Suche nach Schießpulver herum. Bevor sie bis drei zählen können, geraten in die Gefangenschaft einer chinesischen Elite-Truppe, die eine Außenstelle der chinesischen Mauer verteidigt. Allerdings sind ihre Feinde nicht menschlicher, sondern tierischer Natur: Bösartige Dinosaurier-Echsen mit schlechten Zähnen attackieren in Scharen ihre Befestigungsanlage.

Bereits im Vorfeld der Dreharbeiten wurde Zhang Yimou mit der Besetzung von Matt Damon in seinem Fantasy-Spektakel politisch unkorrektes "whitewashing" vorgeworfen. Nun muss man festhalten, dass Damon als übel riechender Soldat Garin nicht gerade als glänzender Retter der Welt auftritt; trotzdem überstrahlt er die chinesischen Hauptdarsteller an seiner Seite mit links – nicht zuletzt deswegen, weil diese als ehrenhaften Kämpfer zwar ausgesprochen nobel daherkommen, gerade deswegen aber recht hölzern bleiben.

Auch die mechanische (Kampf-)Handlung verläuft eher wie Malen nach Zahlen; die Dialoge bleiben vernachlässigbar ("Vergiss, was du gesehen hast") und die tödliche Ernsthaftigkeit der Geschichte sorgt mitunter für die unterhaltsamsten Momente.

Was Zhang Yimou aber darüber hinaus aufbietet, sind seine in den schönsten Primärfarben ausgebreiteten Augenspiele. In sattem Rot, Blau und Violett verflechten sich die chinesischen Armee-Einheiten zu kunstvollen Formationen. Besonders beeindrucken jene blauen Kämpferinnen, die sich wie beim Bungee Jumping an einem Gummiseil von der chinesischen Mauer stürzen – und wenn sie Pech haben, gleich als Frischfleisch-Leckerbissen im offenen Maul der Monsterechsen verschwinden.

Zhang Yimou schwelgt in ausgeklügelten Schwertkämpfen, Bogenschieß-Duellen und Slow-Mo-Effekten. Elegant changiert er zwischen Kameraweiten und extremen Großaufnahmen, die sich allerdings vor allem bei der bärtigen Gesichtslandschaft des unrasierten Matt Damon als wenig schmeichelhaft erweisen.

So oder so, der zynische Amerikaner verwandelt sich unter dem Einfluss chinesischer Kampfmoral ebenfalls in einen edlen Kämpfer. Übrigens ganz im Gegensatz zu seinem Kollegen Willem Defoe: dieser spielt als abgemagerte Langnase in der chinesischen Festung eine unrühmliche, um nicht zu sagen, unnötige Rolle.

INFO: China/ USA 2016. 103 Min. Von Zhang Yimou. Mit Matt Damon, Tian Jing, Pero Tovar.

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Mit welchem Witz und Einfallsreichtum er ein persisches Krokodil zu seinem Hauptdarsteller machen kann, hat Houchang Allahyari mit seiner trefflichen Kurz-Doku "Das persische Krokodil" bewiesen. Die gleiche scharfsinnige Konzentration, mit der er die Befreiung einer gefangenen Panzerechse beobachtete, wünscht man sich für sein fahriges Roadmovie durch Belutschistan im Ostiran. Auch dort trifft Allahyari, gemeinsam mit seinem Sohn Dariusch, auf ein gefangenes Krokodil. Das macht sich jedoch schnell aus dem Staub – und die restlichen Begegnungen auf der Fahrt durch das Grenzland verlaufen vergleichsweise beliebig. Wackelige Bilder aus dem fahrenden Auto verheißen Einblicke in unbekannte Landschaften, ohne dieses jedoch einzulösen. Das Geplauder mit der Bevölkerung bleibt an der Oberfläche: Gespräche mit Sängern, Dichtern und Drogensüchtigen hinterlassen nicht den Eindruck, intime Einblicke jenseits einer offiziellen Wirklichkeit zu eröffnen. Auch die titelgebende Legende von einem getrennten Liebespaar kann der Beiläufigkeit der Reise keinen Tiefgang verleihen.

INFO: Ö 2017. 90 Min. Von und mit Houchang und Tom-Dariusch Allahyari.

KURIER-Wertung:

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Es ist eine Notlage, die sich auf der Leinwand zeigt: Zwei Männer in einer Identitätskrise, die sich in einem Hahnenkampf um eine Frau entlädt. Schon der Titel deutet darauf hin, dass es in dieser Beziehungskomödie mehr um die Herren der Schöpfung geht. Die junge Frau, die zwischen ihnen steht, ist – so ganz nebenbei – eine Absolventin der renommierten Stanford Universität (Zoey Deutch). Trotzdem kann sie nicht als intelligente und emanzipierte Frau glänzen, sondern sie fungiert als (Liebes-)Pfand zwischen zwei rivalisierenden Männern.

Wenn es um den Freund der Tochter geht, werden sich zwar schon einige Väter kopfschüttelnd gefragt haben: "Why him?" Ned, gespielt von "Breaking Bad"-Star Bryan Cranston, kommt aber angesichts des "Künftigen" seiner Tochter aus dem Kopfschütteln nicht heraus. Nicht nur, dass Laird (James Franco) allzu oft seinen tätowierten Oberkörper herzeigt – er pfeift auch sonst auf Konventionen. Als High-Tech- Millionär aus dem Silicon Valley glaubt er, sich das leisten zu können. Regisseur John Hamburg hat als Autor bereits an ähnlich gelagerten Komödien wie "Meine Frau, unsere Kinder und ich" mitgewirkt und bei diesem Film reichlich Anleihen bei sich selbst genommen. Die durchaus vorhandenen Scherze wären aber witziger, wenn sie nicht ständig danach noch einmal erklärt würden.

Text: Gabriele Flossmann

INFO: USA 2016. 111 Min. Von John Hamburger. Mit Bryan Cranston, James Franco, Zoey Deutch.

KURIER-Wertung:

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