KURIER Branchen-ROMYs: Eine große Bühne für bewegende Bilder
Von Georg Leyrer
Großbildfernseher sind ja schön und gut und füllen so manches Wohnzimmer. Am Freitagabend bekamen ausgewählte Fernsehbilder aber ihren vielleicht größten Auftritt überhaupt: Auf der Über-100-Quadratmeter-Leinwand des Gartenbaukinos in Wien nämlich.
Dort wurden zum Auftakt der KURIER-Branchen-ROMY Ausschnitte all jener hochkarätigen TV- und Kino-Produktionen gezeigt, die für die heurige Auszeichnung nominiert waren. Und mit diesem Breitwand-Bild kann kein noch so großer Fernseher mithalten.
Und für diese starken Bilder sollte es hernach viele Preise geben: Mit den Branchen-ROMYs vergibt der KURIER Preise an jene Menschen, die hinter der Kamera, beim Schnitt, bei Buch, Musik oder Produktion für beste Unterhaltung sorgen. Und ohne die die Publikumslieblinge, die bei der ROMY-Gala in der Hofburg Jahr für Jahr ausgezeichnet werden, keine Bühne hätten.
Die Gewinner des von Arabella Kiesbauer moderierten Abends waren schon vor der Verleihung im Gartenbaukino bekannt – die Branchen-ROMYs sollten ein für alle entspanntes Fest für eine Branche sein, die unter Corona gelitten hat und sich auch diesen Herbst vor Herausforderungen sieht, wie auch KURIER-Chefredakteurin Martina Salomon bei ihrer Begrüßung thematisierte.
Ausgezeichnet
Die Platin-ROMY für das Lebenswerk bei den Branchenpreisen ging an den Sendergründer und Rechtehändler Herbert Kloiber, der so viel in der Fernsehlandschaft bewegt hat wie kaum ein anderer.
Sein Lebenswerk ist die Tele München Gruppe. Er hat mit Murdoch und Berlusconi verhandelt, hat die TV-Rechte für die Champions League ebenso wie eine Kinokette besessen, Filme mit Angelina Jolie und Senta Berger finanziert und produziert derzeit die erste TV-Serie von Starregisseur Roland Emmerich mit. Mit seiner Clasart hat er insbesondere für die Klassikbranche im Fernsehen Hervorragendes geleistet.
„Wunderschöner Moment“
Prominente Laudatoren haben Kloiber, der heuer seinen 75. Geburtstag feiert, per Videoeinspielung gewürdigt, KURIER-Geschäftsführer Thomas Kralinger hat den Preis überreicht. „Was für ein wunderschöner Moment für mich“, sagte der gebürtige Wiener Kloiber, der – man glaubt es kaum – mit der ROMY „meinen allerersten Preis auf meinem Heimatboden“ entgegengenommen hat. „Tausend Dank dafür.“ Er habe Romy Schneider, die Namensgeberin des KURIER-Preises, „noch gut gekannt und mit ihr in Saint-Tropez Pool gespielt“.
Ernste Momente
Sonst gab es an dem stimmungsvollen Abend viele ernste Momente – etwa Appelle für die Demokratie und eine offene Gesellschaft zu kämpfen, die Gräuel der Vergangenheit nicht zu vergessen und für Achtsamkeit im Miteinander.
In insgesamt 15 Kategorien wurden heuer herausragende Produktionen von der ROMY-Jury nominiert – oder vielmehr jene Menschen, die an diesen Produktionen maßgeblich beteiligt waren, aber sonst außerhalb der Branche (zu) wenig Aufmerksamkeit für ihren Beitrag bekommen. Wie etwa die Drehbuchautoren, ohne deren Arbeit Film- oder TV-Produktionen überhaupt nicht beginnen könnten; die Cutter, die aus dem gedrehten Material in kompetenter Feinarbeit einen Film mit Rhythmus und Spannung schneiden; oder die Kameraleute, die maßgeblich mitbestimmen, wie das aussieht, was man im Fernsehen und im Kino anschauen kann. Die Preise sollen das Bewusstsein dafür schärfen, welche herausragende Arbeit in der heimischen Bewegtbildbranche geleistet wird.
„Hochverdiente Würdigung“
Diese Menschen „ein Mal im Jahr selbst auf die Bühne zu bitten, ist eine hochverdiente Würdigung“, sagte KURIER-Chefredakteurin Martina Salomon. Der KURIER setze sich dafür ein, dass die Medienvielfalt erhalten bleibe. „Insbesondere das Fernsehschaffen zahlt letztlich auch in den starken Medienstandort Österreich ein“, sagte auch KURIER-Geschäftsführer Thomas Kralinger.
Sebastian Meises eindringliches Gefängnisdrama „Große Freiheit“ wurde von den bisherigen ROMY-Preisträgern dreifach ausgezeichnet: Der Film über die Strafverfolgung Homosexueller bis weit in die deutsche Nachkriegsgeschichte hinein erhält die Preise für den Besten Film Kino, für das Beste Drehbuch (von Thomas Reider und Sebastian Meise) und – gemeinsam mit „Klammer – Chasing the Line“ – die Auszeichnung für die Beste Produktion (Oliver Neumann, Sabine Moser, Benny Drechsel von Freibeuter Film/Rohfilm Productions). „Es ist eine lange Reise, die wir sehr glücklich mit ,Große Freiheit‘ unternommen haben“, sagte Moser. Man wolle „dazu beitragen, dass wir eine offene Gesellschaft sind und hoffentlich auch bleiben.“
Ebenfalls gleich drei ROMYs gehen nach Ibiza – und das für zwei unterschiedliche Produktionen, die sich der fiktionalen bzw. der dokumentarischen Aufarbeitung des Polit-Skandals widmen: Die sky-Serie „Die Ibiza Affäre“ mit u. a. Nicholas Ofczarek erhält die Branchen-ROMYs als Beste Serie TV/Stream und für den Besten Schnitt TV/Stream (Nils Landmarl und Jan Ruschke).
Und auch die Beste Doku TV/Stream widmet sich dem politisch folgenschweren heimlichen Videodreh in der Finca auf Ibiza, der die heimische Innenpolitik bis heute ordentlich durcheinanderwirbelt: „Das Ibiza-Video: Ein journalistischer Krimi“ (sky) wurde von den bisherigen ROMY-Siegern zum Gewinner gekürt.
Beste Produktion. Erstmals gab es heuer bei den Branchen-ROMYs zwei Auszeichnungen für die beste Produktion, den heimlichen Hauptpreis des Abends. Es gab nämlich bei der Wahl der Sieger durch die bisherigen ROMY-Gewinner die genau gleiche Anzahl an Stimmen für zwei Produktionen „Große Freiheit“ (siehe links) und „Klammer – Chasing the Line“. Und so kann der berühmte Abfahrer einen weiteren Sieg verzeichnen, den Preis für die Beste Produktion (Epo Film, Samsara Film: Jakob Pochlatko, Dieter Pochlatko, Loredana Rehekampff, Andreas Schmied). Hauptdarsteller Julian Waldner hatte bei der KURIER-ROMY-Gala im April schon den Preis als Entdeckung männlich gewonnen.
„Die Wannseekonferenz“
Ebenfalls unter den großen Gewinnern ist der TV-Film „Die Wannseekonferenz“ mit Philipp Hochmair: Das beklemmende Kammerspiel um ein folgenschweres Treffen hochrangiger Nationalsozialisten, für das Hochmair bei der Gala im April den Preis als beliebtester Schauspieler bekam, erhielt die Branchen-ROMYs als Bester Film TV/Stream und für das Beste Drehbuch TV/Stream (von Magnus Vattrodt und Paul Mommertz). „Man muss das weiter erzählen“, betonten Friederich Oetker von Constantin Film und Vattrodt– da es bald keine Zeitzeugen dieser schrecklichen Ereignisse mehr gibt. Die Zukunft sei ein „Angstraum“ geworden. Mit Filmen könne man in Richtung Demokratie und Aufbruch führen – „seid nicht pessimistisch, kämpft“.
"Ein Zeitdokument"
„Marko Feingold – Ein jüdisches Leben“. „Ich bin heute 105 Jahre alt und immer noch am Leben“, sagt Marko Feingold und schaut in die Kamera. Seine Existenz ist tatsächlich ein wahres Wunder, denn Feingold hat vier Konzentrationslager über eine Zeitspanne von sechs Jahren überlebt: „Wahrscheinlich hält mich der Zorn so am Leben.“ „Marko Feingold – Ein jüdisches Leben“ porträtiert einen außergewöhnlichen, 2019 gestorbenen Menschen. Der Film von Blackbox Film (Susanne und Christian Krönes, Florian Weigensamer, Christian Kermer) wurde nun als Beste Doku Kino ausgezeichnet. Feingold war ein „Mahner gegen das Vergessen“, sagte Krönes. Feingold war ein besonder Mensch, und es ist hier „ein Zeitdokument entstanden“.
Dass eine Siegerin des Vorjahres heuer gleich wieder gewinnt – und das in einer anderen Kategorie –, ist zugegebenermaßen ein bisschen unorthodox. Aber das passt zur Emmy-Preisträgerin Maria Schrader: Mit ihrer Serie „Unorthodox“ sorgte sie für internationales Aufsehen und bekam 2021 dafür auch eine Branchen-ROMY. Danach hat sie mit ihrem dritten Spielfilm beim Publikum – und kam sogar unter die letzten 15 für die Nominierung zum Auslands-Oscar. Die Branchen-ROMY hat Schrader jedenfalls schon fix – sie wurde für die Beste Regie Kino ausgezeichnet. „Wien ist für mich soetwas wie eine erste selbstgewählte Heimat“, sagte die Regisseurin. Umso mehr freue sie sich, hier einen Preis zu bekommen – „von euch Österreichern eine große Ehre“.
"Regie nicht zu trennen"
Die mehrteilige Serie „Die Macht der Kränkung“ (2021 im ORF zus ehen), basierend auf dem gleichnamigen Buch des Kriminalpsychologen Reinhard Haller, analysiert die unterschiedlichsten Verbrechen – die eines gemeinsam haben: das Erlebnis einer Kränkung. Nach den Drehbüchern von Agnes Pluch hat Regisseur Umut Dag diesen vielschichtigen Blick ins Innere der Menschen mit einem prominenten Ensemble realisiert – und er erhielt dafür nun die Branchen-ROMY für die Beste Regie TV/Stream. Es ist seine erste Auszeichnung in seiner Heimat, wie der Regisseur betonte. Und er strich hervor, dass die Arbeit des Regisseurs nicht vom restlichen Team getrennt werden könne, das er in Folge vorstellte und lobte.
Doppelte Kamera
Die beiden Kamera-Kategorien waren bei der heutigen Branchen-ROMY fest in einer Hand: Thomas W. Kiennast erhielt die Preise sowohl für die Beste Kamera Kino als auch für die Beste Kamera TV/Stream. „Ich bin überwältigt“, sagte Kiennast bei der Überreichung. „Man sollte sich vor Augen halten, dass wir so großartige Filmemacher in diesem Land haben“, zeigte er sich stolz auf die zwei Preise. Die bekam er in der Fernseh-Kategorie für „Im Netz der Camorra“ (Servus TV). Und für die Verfilmung von Stefan Zweigs Bestseller „Die Schachnovelle“, als packendes Mindgame-Drama mit Oliver Masucci und Birgit Minichmayr in Szene gesetzt von Regisseur Philipp Stölzl, in der Kategorie Beste Kamera Kino.
"Ein reiches Werk"
Das Wien der Zwischenkriegszeit wurde für Stefan Ruzowitzkys Film „Hinterland“ zur unheilvollen Stadtlandschaft aus dem Computer. Die Stadt erscheint im jüngsten Film des Oscar-Preisträgers als dunkler Albtraum, in dessen Straßen der schiefen Winkel die Arbeitslosigkeit und das Chaos herrschen – und ein Mörder sein Unwesen treibt. Um diese Bilder von Wien, die Schauspielerinnen und Schauspieler, verschiedene Zeitebenen und die gesamte Erzählung zusammenzufügen, braucht es viel Fingerspitzengefühl beim Schnitt. Dieses hat Oliver Neumann bewiesen – und erhielt dafür die Branchen-ROMY in der Kategorie Bester Schnitt Kino. Neumann dankte dem gesamten Team, das dieses „reiche Werk“ geschaffen hat.
"Keine Steine werfen"
Welche Songs singt ein alternder Schlagersänger? Dieser Frage haben sich Herwig Zamernik, bekannt von der österreichischen Kultband Naked Lunch und als Fuzzman, und Fritz Ostermayer gestellt. Für den Film „Rimini“ geben sie einem abgehalfterten Sänger Songs über „Amore“, den Traum von Romantik, in einem tristen Setting mit auf den Weg.
Herausgekommen ist ein erstaunlicher Soundtrack zwischen Schnulze und Ehrlichkeit, für den es die Branchen-ROMY für die Beste Musik gab. „Im Moment werde alles gecancelt“, was mit Ulrich Seidl (wegen eines umstrittenen Filmdrehs in Rumänien, Anm.) zu tun habe, sagte Zamernik, aber man dürfe „nicht gleich mit Steinen werfen. In diesem Sinne: Freundschaft“.