Kunstverkauf im Auftrag der Nazis
1.500 Kunstwerke, von Picasso, Beckmann, Marc, Klee, Munch, im bisher wohl eher ins Blaue hinein geschätzten Gesamtwert von einer Milliarde Euro. Gelagert in einer Münchner Wohnung, vom Sohn eines für die Nazis tätigen Kunsthändlers.
Der naheliegende Gedanke: Ein Depot versteckter Raubkunst.
Rechtlich gedeckt
Doch bei einem großen Teil der aufgefundenen Werke handelt es sich wohl nicht um NS-Raubkunst, erläuterte ein Experte gegenüber dem KURIER. Hildebrand Gurlitt, der Vater jenes Mannes, bei dem die Kunstwerke nun in München gefunden worden waren, hatte den offiziellen Auftrag des NS-Regimes, zahlreiche Bilder der klassischen Moderne aus deutschen Museen zu verkaufen.
Gegen diese Meldepflicht haben die Gurlitts verstoßen, sie haben angegeben, dass die Werke verbrannt sind. Die entsprechenden Gesetze sind nicht mehr gültig, ihre Befristung ist einige Jahre nach dem Krieg abgelaufen. „Das hätte zurückgegeben werden müssen. Aber jetzt ist Gurlitt aus dem Schneider“, sagt Weidinger.
Linzer Verbindung
Aber Gurlitt war noch in einem weiteren Bereich aktiv, wo es sehr wohl um enteignete Kunst ging – und wo es einen klaren Bezug zu Linz gibt: Gurlitt war unter jenen Kunsthändlern, die für das geplante „Führer-Museum“ in Linz Kunst ankaufen sollten, insbesondere im damals besetzten Frankreich.
Dort kooperierte Gurlitt mit der NS-Kunstrauborganisation, dem berüchtigten Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg.
Die Wahrscheinlichkeit sei „sehr hoch“, sagt Weidinger, dass aus diesem Umfeld auch jenes Frauenbild von Matisse stammt, das dem Großvater der französischen Journalistin Anne Sinclair gehört hat. Und das laut Focus nun in München gefunden wurde.
Neue Galerie
Die Ankäufe für das „Führer-Museum“ waren aber nicht die einzige Verbindung Hildebrand Gurlitts zu Linz. Sein Cousin, Wolfgang Gurlitt, hat die Neue Galerie der Stadt mitbegründet und von 1953 bis 1962 geleitet.
Nach derzeitiger Beurteilung habe der Fund in München keine Auswirkungen auf das Lentos, sagt Rollig. Unabhängig davon überprüft das Lentos fünf Bilder, ob sie belastet seien und zurückgegeben werden müssten. Der Linzer Bürgermeister Franz Dobusch betont, wenn ein Verdacht bestehe, müsse man die Bilder zurückgeben.
Zwischen Getränkepackungen und Konserven lagerte in einem Mehrfamilienhaus Kunst im Milliardenwert, berichtet das Magazin Focus. Die 1500 Werke von so bekannten Künstlern wie Picasso, Munch, Beckmann und Kokoschka stammen offenbar aus dem Besitz des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt, der während der NS-Zeit aktiv war. Sein Sohn habe diese seither versteckt und vom Verkauf einzelner Werke gelebt, berichtet „Focus“. Gegen ihn wird nun wegen Steuervergehen ermittelt.
Offizielle ReaktionKritik gibt es nun daran, dass dieser Fund bereits 2011 erfolgte, die Öffentlichkeit aber seither nicht informiert wurde. Am heutigen Dienstag wollen die Ermittler in München erstmals offiziell Details zu dem Fund preisgeben.
Im Zweiten Weltkrieg gingen zahlreiche Kunstwerke verloren - sie wurden geraubt, beschlagnahmt und verkauft. Im Jahr 1937 landeten Zehntausende Werke in einer diffamierenden Ausstellung in München. Nach dem Krieg gab es immer wieder Verhandlungen und langwierige Diskussionen über die Rückgabe von Kunst. Ein Glossar:
NS-Raubkunst
Die Nationalsozialisten enteigneten etwa jüdische Sammler und zwangen sie, ihre Schätze unter Wert zu verkaufen. Nach dem Zweiten Weltkrieg regelten zwar Gesetze der Alliierten (1947) und der Bundesrepublik von 1957 die Rückgabe, hatten aber in der DDR keine Gültigkeit. Auch im Westen wurde nur ein Teil der Raubkunst an die Besitzer oder Erben zurückgegeben. 1998 trafen sich 44 Länder, auch Deutschland, auf der "Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust". Die Teilnehmer verständigten sich auf "nicht bindende Grundsätze" zum Umgang mit Raubkunst. Die Länder sollten "im Rahmen ihrer eigenen Rechtsvorschriften" handeln.
Beutekunst
Im Zweiten Weltkrieg raubten deutsche und sowjetische Einheiten in großem Ausmaß Kunstwerke und Bücher aus den von ihnen besetzten Gebieten. Die von deutscher Seite erbeuteten Objekte wurden kurz nach Kriegsende größtenteils zurückgegeben. Russland sieht Beutekunst als Wiedergutmachung für Schäden aus dem Krieg. Erst seit 1990 wird auf der Basis von deutsch-russischen Verträgen über einen Austausch verhandelt. Experten schätzen, dass in russischen Depots noch mehr als eine Million Kunstobjekte und Bücher lagern.
Restitution
Damit ist die Rückgabe oder die Entschädigung des in der Nazi-Zeit eingezogenen Vermögens von Verfolgten gemeint. Ende 1999 verabschiedeten Bundesregierung, Länder und kommunale Spitzenverbände eine gemeinsame Erklärung. Danach sollen sich Museen, Archive und Bibliotheken stärker bemühen, Raubkunst aufzuspüren und den legitimen Eigentümern zurückzugeben. Die Restitution kann sich nach Experten- Schätzungen noch über Jahrzehnte hinziehen. Die Datenbank "Lost Art Internet Database" ist die zentrale deutsche Internet-Datenbank zur Erfassung von NS-Raubkunst und Beutekunst.
Entartete Kunst
Als "entartet" diffamierte das NS-Regime Kunstwerke, deren Ästhetik nicht in das von den Nationalsozialisten propagierte Menschenbild passte: unter anderem Expressionismus, Surrealismus und Kubismus. Der Begriff "entartet" stammt aus der Nazi-Rassenlehre. Zu den betroffenen Künstlern gehörten etwa Otto Dix, Ernst Barlach und Angehörige der Gruppe "Brücke". 1937 zeigten die Nazis in München die Propaganda-Schau "Entartete Kunst" mit zuvor beschlagnahmten Werken.
Ursprünglich stammt der Begriff "entartet" aus der Rassenlehre der Nazis - in der Euthanasie-Bewegung des Dritten Reiches wurde er für erbkranke und behinderte Menschen verwendet. Die Übertragung der Bedeutung ins kulturelle Leben sollte den angeblich minderwertigen Charakter moderner "Verfallskunst" anprangern. Betroffen waren in erster Linie Vertreter des deutschen Expressionismus, deren abstrakte, kontrastreiche und oft fratzenhafte Darstellungen vom NS-Idealbild des "starken" Menschen abwichen.
Ins Visier der faschistischen Kulturwächter geriet zum Beispiel die Dresdner Künstlergemeinschaft "Die Brücke" mit Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff, Max Pechstein und Emil Nolde. Auch die Neue Sachlichkeit von Otto Dix und die Bauhaus-Schule aus der Zeit der Weimarer Republik erregten den Unmut der Nazis. 1938 wurde ein Gesetz zur Enteignung von Museen erlassen, die die Entfernung solcher Werke verweigerten. Die Künstler wurden mit Mal- und Ausstellungsverboten unterdrückt, viele kamen ins Gefängnis oder Konzentrationslager.