Kultur

Being Rolando Villazón

Das Wort "Clown" wird oft in Sätzen verwendet, in denen der Name Rolando Villazón vorkommt. Zusammen mit "Startenor". Die Welt der schnellen Medien braucht Etiketten und der 42-jährige Mexikaner mit Wiener Wurzeln ist einer der berühmtesten Opernsänger unserer Zeit – und er schneidet gern Grimassen. Jetzt hat er auch noch ein Buch geschrieben, in dem ein Clown und etliche Metaebenen vorkommen.

"Kunststücke" handelt von Macolieta, einem unglücklich verliebten, erfolglosen Clown, der in einem Chaos zwischen Büchern und Blechspielzeug lebt und eine Spinne als Haustier hat. Abends schreibt er in sein kleines blaues Buch über sein Alter Ego, dem alles gelingt, was er nicht hat: Geld, Erfolg, Liebe.

Da haben wir sie also, die vielen Metaebenen: Der erfolgreiche, oft "Clown" genannte Tenor schreibt über einen erfolglosen Wurstel, der Briefe an sein erfolgreiches Alter Ego namens Balancin schreibt. Klingt wie im Film "Being John Malkovich". Da stellen sich Leute an, um in ein Loch zu kriechen, durch das man in das Bewusstsein des Schauspielers John Malkovich gelangt. Auch Malkovich selbst stellt sich an und am Ende weiß man nicht, wer der echte ist.

In Villazóns verspielter, grüblerischer Spiegelgeschichte weiß man das auch nicht.

KURIER: Hätten Sie eine schmerzgeplagte Figur wie Macolieta schon vor Ihrer Stimmkrise erschaffen können?

Rolando Villazón: Ja, denn wir alle kennen Schmerz, auch ohne Stimmkrise. Es ist der Schmerz der Erfolgssuche und der Einsamkeit.

Bis zu Ihrer Stimmkrise waren Sie als Sänger erfolgsverwöhnt. Ist in dieser Zeit der Krise der Mut für ein neues Wagnis – als Autor scheitern zu können – entstanden?

Schreiben wollte ich immer, schon als Kind. Und als ich dann neben dem Singen auch als Regisseur begonnen habe, dachte ich: let’s do it.

Würden Sie einen Roman eines Kollegen lesen?

Wahrscheinlich nicht (lacht). Ich verstehe die Bedenken meines Literaturagenten, der sagte: Wir arbeiten mit Schriftstellern, nicht mit Celebrities. Ich weiß, es wird dauern, bis man mich als Autor ernst nimmt. Aber ich strebe nicht den Literatur-Nobelpreis an. Ich liebe das Schreiben. Es ist ein unaufhaltsames Abenteuer. Du schreibst in Einsamkeit und doch für alle. Eine wunderbare Sache. Ich werde weitermachen.

Keine Angst vor schlechten Kritiken?

Nein, überhaupt nicht. Das lernt man als Bühnenkünstler. David Foster Wallace schrieb einmal, er habe nach einer schlechten Kritik zwei Tage geweint. Das wird mir nicht passieren.

Sie sagten einmal, Sie singen, um Ihre Seele zum Ausdruck zu bringen. Ist das Schreiben eine bessere Möglichkeit dafür?

Schwer zu sagen... Ich frage mich auch, warum ich das tue. Es ist eine Kombination von Gefühlen. Ich liebe Literatur. Als Kind verkleidete ich mich als Don Quijote, nannte mein Fahrrad Rosinante.

Ihr Roman ist voll von literarischen Anspielungen. Besonders die "Poètes maudits" Baudelaire, Verlaine und Rimbaud haben es Ihnen angetan. Woher kommt diese Leidenschaft?

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Die ersten Gedichte, die ich las, waren von Rimbaud. Ich war dreizehn, ich hatte seinen Lyrik-Band "Illuminationen" bei meinem Onkel gefunden. Ich war fasziniert. Mein Onkel fand mich lesend im Garten und kam mit Avocado-Tortillas zu mir hinaus. In meine Tortillas legte er extra-scharfe Chillis. Er sagte das sei, um mein "Wow"-Gefühl über Rimbaud zu unterstreichen.

Von Rimbaud stammt der Satz: "Ich ist ein anderer". Wie viel "Ich" steckt in diesem Buch?

Wenn man mich fragt, ob das eine Autobiografie ist, muss die Antwort nein lauten. Es ist ein Roman. Doch in gewisser Weise schreibt jeder über das, was er in sich trägt.

Sehen Sie sich als mexikanischer Autor in der Tradition des magischen Realismus?

Ich möchte mich nicht einteilen lassen. Das Absurde ist aus der Mode, aber ich liebe Beckett... aber auch Julio Cortázar oder Alfred Jarry.

Jarry hat das Collège de Pataphysique zur Förderung von Studien der "Pataphysik", einem absurdistischen Wissenschaftskonzept gegründet. Sie sind Mitglied. Warum?

Ich mag die verschiedenen Möglichkeiten eines Universums. Die Leute glauben oft, es ist nicht ernst. Doch das ist es. Das ist die Welt. Sie macht keinen Sinn. Das ist der Punkt. Ob es ein Paralleluniversum gibt? Könnte sein. Ob ich dran glaube? Nicht wirklich. Aber warum nicht.