Kultur

Künstler Sébastien de Ganay: Die Möglichkeit eines Post-Its

Auf der Kunstlandkarte Österreichs sind Künstler und Institutionen, die sich mit kühler, geometrischer Abstraktion befassen, mit Bewohnern eines Inselstaats zu vergleichen: Es sind eigentlich ganz schön viele, doch sind sie derart in einem Archipel verteilt, dass ihre Masse nicht gleich so auffällt.

Der Künstler Sébastien de Ganay führt zudem ein insuläres Dasein: Er bewohnt eine aufgelassene Radiostation in Bad Deutsch-Altenburg/NÖ, wo er sich auch sein Atelier eingerichtet hat. Nach Österreich verschlug es den 1962 geborenen Spross einer französischen Adelsfamilie aus privaten Gründen, nach Stationen in New York und Paris.

Im institutionellen Rahmen fiel de Ganay in Österreich auf, als er 2017 die Dominikanerkirche in Krems u.a. mit Skulpturen ausstattete, die dem Querschnitt der gotischen Säulen nachempfunden waren.

Monumentale Notizen

Alle Inhalte anzeigen

Nun zeigt der Künstler seine jüngsten Arbeiten in der Salzburger Galerie Nikolaus Ruzicska, einer weiteren Insel des abstrakten Archipels in Österreich: In einer zum puristischen Schauraum umgebauten ehemaligen Scheune sendet de Ganay hier seine Signale in intensivem Gelb, Blau und Orange.

Eine zentrale Werkgruppe de Ganays hat ihren Ursprung nämlich in Post-It-Zetteln, die gefaltet und danach in lackiertem Aluminium ausgeführt werden. „Ich arbeite seit 35 Jahren mit diesen Faltungen“, erklärt der Künstler dem KURIER. „Ich nutze die Technik, um Licht und Schatten einzufangen“. Mit Kantenlängen um die zwei Meter sei die gegenwärtige Serie aber „die größte, die ich je gemacht habe“.

Die Mischung aus Strenge und Verspieltheit hat Verwandte in Bildhauerei und Konzeptkunst. De Ganay sieht seine Faltungen – die Originalzettel werden von ihm stets akribisch aufbewahrt – aber doch aus der abstrakten Malerei entspringen: Die Urform des monochromen Quadrats löst sich bei ihm von der Wand, und während in einem gemalten Bild der Duktus des Pinselstrichs den Entstehungsprozess verrät, legt de Ganay in Objekt-Serien die Sequenz offen, in der zunächst die eine, dann die andere Kante umgebogen wird.

Ob das Resultat dann „Bild“, „Skulptur“ oder „Relief“ genannt wird, lässt der Künstler bewusst offen. Auch im Möbeldesign ist der Franzose aktiv – eine ab 2000 entstandene Werkgruppe, die auf dem Flächennetz regulärer Kartonboxen basiert, ist dezidiert zum Be-Sitzen gedacht. Den österreichischen Pionier benutzbarer Skulpturen, Franz West, bewundert de Ganay, „weil er sich einfach alle Freiheiten genommen hat“.

Keine Kategorien

Alle Inhalte anzeigen

Während der 2012 verstorbene West aber gern Schweißnähte und andere Handwerksspuren sichtbar beließ, wirkt bei de Ganay alles extrem gereinigt. Für eine weitere Werkserie in der Salzburger Schau ließ er typische Transportpaletten nachbauen, allerdings so, dass diese ineinander verschachtelt sind, die Überschneidungsflächen glänzen in Edelstahl oder Plexiglas. Der Sprung zwischen Gebrauchsobjekt und abstrakter Anordnung gelingt hier nicht so leicht wie bei den Post-It-Objekten, doch offenbar will de Ganay genau darauf hinaus: „Mein Interesse ist ganz einfach, Spannung zu erzeugen.“