Kultur

Künstler Oswald Oberhuber gestorben: Meister der Veränderung

Oswald Oberhuber, der kleine, unglaublich humorvolle Mann mit dem breiten Grinsen, war ein Charmeur der alten Schule.  Der Südtiroler, am 1. Februar 1931 in Meran geboren, konnte auch ein giftiger Kobold sein, ein strenger Richter, ein streitbarer Geist.

Und er prägte die österreichische Kunstszene in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – als Ausstellungsmacher und Galerist, als Kunstvermittler und Förderer sowie als Professor und Rektor der Angewandten, der in den 1970er-Jahren Joseph Beuys nach Wien holte.

Als Künstler zählte er in der Nachkriegszeit zur Avantgarde. Dass sein umfangreiches Œuvre allerdings nicht ganz so bekannt ist  wie zum Beispiel jenes von Arnulf Rainer, hat einen entscheidenden Grund: Oberhuber erhob schon früh, 1956, die „permanente Veränderung“ zum Prinzip – und vermied, wenn möglich, Wiederholungen.

Er wollte nur Werke schaffen, die einmalig sind. Daher tut man sich mitunter schwer, einen Oberhuber auf Anhieb zu erkennen. (Es gibt allerdings ein Erkennungsmerkmal:  In der Regel ging der vor Ideen sprühende Künstler in seinen Bildern von der Kontur aus.) Die Breite seines Schaffens demonstrierte zuletzt, vor vier Jahren,  eine umfangreiche Retrospektive  im ehemaligen 20er Haus  (nun Belvedere 21 genannt).

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Oberhuber, gesundheitlich schon schwer angeschlagen, genoss die Ovationen. An der Angewandten war ihm nach seiner Pensionierung 1995 unterstellt worden, Gelder veruntreut zu haben. Das hatte ihn ins Mark getroffen. Denn Oberhuber war immer großzügig, er butterte sogar sein eigenes Geld dazu, wenn das Budget für Projekte der Studierenden nicht reichte. Aber nun war er versöhnt mit der intriganten Kunstwelt.

Von 1945 bis ’49 hatte er die Bundesgewerbeschule in Innsbruck besucht, um Bildhauerei zu lernen. Bereits damals schuf er informelle Skulpturen – und  schon 1952 hörte er damit wieder auf. Denn, so Oberhuber 2016 in einem KURIER-Interview: „Plötzlich haben alle Bilder gespritzt. Das war eine vergnügliche Sache, weil ja leicht zu bewerkstelligen.“

Danach wollte Oberhuber an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Fritz Wotruba studieren. Doch er ergriff sogleich die Flucht: „Dort sah ich fünf Schüler, die Manderln in Wotruba-Art machten.“ Man hätte ihm gesagt,  dass auch er morgen mit Draht und Ton kommen solle: „Das war nichts für mich.“

In den 60er-Jahren  näherte er sich der Pop-Art an: „Das hatte mit der Zeit zu tun. Es gab Bewegungen, die jeden Künstler erfasst haben.“  Aber  bald wandte er sich ab.   Oberhuber wollte es sich nicht einfach machen, er strebte nach Meisterschaft – und verachtete die Routine: „Wenn ich fünf Striche zeichne – und das immer wieder wiederhole, so werden die Striche nicht besser. Es entsteht auch keine Verdichtung.“

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Doch Oberhuber arbeitete nicht nur als Künstler, sondern auch als Kunstvermittler – ab 1964 für Monsignore Otto Mauer in dessen Galerie nächst St. Stephan. Es kam zur Rivalität mit Josef Mikl, Arnulf Rainer, Wolfgang Hollegha und Markus Prachensky: „Die vier haben Mauer erklärt: Entweder sie – oder Oberhuber. Und Mauer hat sich für mich entschieden. Weil ich gearbeitet hab’.“

Oberhuber leitete die Informationsgalerie über den Tod des Kunstförderers hinaus – bis 1978. Von 1973 an war er zudem Professor an der Angewandten, 1979 wurde er Rektor. Und er machte die Hochschule zu einem progressiven Ort: Er holte z. B. Jörg Immendorff – und bemühte sich um Joseph Beuys, der von der Kunstakademie Düsseldorf geflogen war.

„Der Vertrag lag unterschriftsreif da. Aber dann erklärte Beuys, er mache alles umsonst. Und er unterschrieb nicht. Hin und wieder hielt er einen Vortrag. Aber er wollte gar nicht nach Wien kommen. Es war eine reine Pflanzerei, ein Trick, den ich im ersten Moment nicht durchschaute. Er wollte nur die Deutschen auf sich aufmerksam machen. Und die reagierten dann auch. 1980 wurde er Gastprofessor an der Städel-Schule in Frankfurt.“Je länger er Beuys kannte,  desto unsympathischer sei er ihm geworden.

Oberhuber war Rektor bis 1987 – und dann, ab  1991, noch einmal für vier Jahre. 1993, lange nach dem Tod des deutschen Filz-und-Fett-Künstlers,   begann ein kapitaler Streit über den „Wiener Werkblock“ von Beuys. Heiner Bastian, dessen ehemaliger Sekretär, hatte die rund 70 Arbeiten im Besitz  des Galeristen Julius Hummel als Fälschung bezeichnet, Oberhuber hingegen bestätigte die Echtheit, widerrief dann aber.

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Wirklich geklärt wurde  die Sache nie. Anzunehmen ist, dass es sich um Schenkungen von Beuys an Oberhuber handelte – bzw. um Gemeinschaftsarbeiten. Doch „Ossi“, wie er genannt wurde, nahm nie mehr dazu Stellung.

Zuletzt rückte Agnes Husslein als Belvedere-Direktorin Oberhuber ins Rampenlicht: 2009 durfte er mit der Einzelausstellung „Die Leidenschaften des Prinzen Eugen“ seine künstlerische Vielfalt  darstellen. Nun, nach langer, schwerer Krankheit ist Oberhuber, der Österreich 1972 auf der Biennale Venedig vertrat und zweimal  an der Documenta teilnahm, gestorben – zwei Wochen vor seinem 89. Geburtstag.

Reaktionen

Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek (Grüne): „Oswald Oberhuber prägte die österreichische Kulturlandschaft über viele Jahrzehnte hindurch nicht nur als Künstler. Er war  eine zentrale Person in der Kulturdebatte und des wissenschaftlichen Lebens.“

Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler würdigte Oswald Oberhubers „einzigartigen Einfallsreichtum“ und Schaffensdrang, SPÖ-Kultursprecher  Thomas Drozda dessen „radikalen Kunstbegriff“ und den „generalistischen, internationalen Ansatz seiner Arbeit“. Sepp Schellhorn von den Neos meinte: „Er war Sprachrohr der bildenden zeitgenössischen Kunst. Er hat mich auf den Weg zur zeitgenössischen Kunst gebracht.“ Und Eva Blimlinger (Grüne), die an der Angewandten gearbeitet hat: „Sein verschmitztes Lachen, seine Großzügigkeit, sein Kunstverständnis werden schmerzlich fehlen.“