Kultur

Einfach zum Heulen

To Be Young Is To Be Sad", wusste schon der kanadische Musiker Ryan Adams, der in seinem gleichnamigen Song über das Jungsein schrieb: "Eines Tages wirst du zurückblicken und dich daran erinnern: Oh Mann, warst du traurig!"

Die Jugendkultur lebt vom (Mit-)Leiden, und wer sich die Verfilmung von John Greens Bestseller "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" (Hanser) antut, weiß schon vorher, dass er Rotz und Wasser heulen wird. Statt Popcorn muss ein Vorrat an Taschentüchern her (siehe Zusatzbericht unten).

Der Teenie-Flüsterer

John Green, so scheint es, weiß, wie es in Teenagerherzen aussieht. Das Time Magazine bezeichnete den 36-jährigen Jugendbuch-Autor aus Indianapolis als "Teen Whisperer", der Jugendlichen eine Stimme gebe.

Schon sein Debüt von 2005, der vielfach ausgezeichnete Roman "Eine wie Alaska", schildert ein schlimmes Schicksal: Es handelt vom jungen Miles, dessen Angebetete Alaska bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Im Raum steht Selbstmord – sie ist betrunken Auto gefahren.

Nun ist die Pubertät per se eine schwierige bis schreckliche Sache, nicht erst seit Goethes "Werther" wissen wir von der unerträglichen Finsternis des jugendlichen Seins. Erwachsen werden war noch nie etwas für Schwächlinge. Das klassische Coming-of-Age-Programm in Literatur und Popkultur wird von schwierigen Eltern, zertrampelten Herzen, ungeliebten Körpern, Zukunftsängsten und selbstverständlich Drogen bestritten.

Doch derzeit wartet die Jugendliteratur mit besonders vielen versehrten Helden auf: Zuletzt etwa in Lara Schützsacks Debüt "Und auch so bitter kalt" oder in Alina Bronskys Jugendroman "Nenn mich einfach Superheld", der das Leben des Jungen Marek schildert, der von einem Hund angefallen wurde und sich seither als "Krüppel" bezeichnet.

John Green, der für seine tragische Krebs-Romanze "Das Schicksal ist ein mieser Verräter", in der sich zwei todkranke Teenies in einer Krebs-Selbsthilfegruppe lieben lernen, 2013 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde, spielt besonders virtuos auf der Klaviatur der juvenilen Lebenstragik. Und erntet neben Rekord-Verkäufen auch begeisterte Kritiken: So schwärmte etwa die FAZ, Green sei "für Teenager das, was Philip Roth für Männer und John Updike für Ehepaare ist – er liest die Welt aus ihnen ab".

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Neben dem richtigen Ton beherrscht Green, der vor seiner Schriftstellerkarriere als Seelsorger in einem Kinderkrankenhaus arbeitete, auch die Gesetze des Marketings: Auf Twitter hat er 1,5 Millionen Follower und auf seinem Videoblog kommentiert er, in bester Stand-up-Comedian-Manier, den Alltag im Allgemeinen und derzeit die Fußball-WM im Besonderen – selbstverständlich für einen guten Zweck: Krebshilfe.

Nichts ist auf Social Media leichter, als sich über gefühlige Filme lustig zu machen.

Doch bei „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ (derzeit in den österreichischen Kinos) bleibt vielen auch online der Spott weg. Stattdessen gibt es auf Twitter massenhaft Selfies mit tränenüberströmten Gesichtern und Geständnisse über das eigene Schicksal.

Die ersten Bilder aus der Verfilmung des John-Green-Jugendromans wurden auf YouTube zum meistgeklickten Trailer. Und doch überraschte dann das Ausmaß des Erfolgs in den US-Kinos: Die Zuschauer katapultierten den Film mit Shailene Woodley und Ansel Elgort in den Hauptrollen gleich auf Platz eins der Kinocharts.

Vorbei immerhin an Blockbuster-Garant Tom Cruise und seinem neuen Science-Fiction-Thriller „Edge of Tomorrow“. Die für nur zwölf Millionen Dollar gedrehte Krebsromanze nahm gleich am Startwochenende 48 Millionen ein.

Und wurde prompt zum Phänomen ausgerufen: Die Zeit der Hollywood-Monokultur, die vor schwierigen Themen zurückschreckt, sei wohl endlich vorbei, schrieb die Washington Post.

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