Kultur

"Warum? Weil es cool aussieht"

Alles, was Jim Jarmusch liebt, hat er in seinen neuen Film „Only Lovers Left Alive“ gepackt (Kinostart: 25.12.). Platten, Bücher, Stromgitarren, alte Musikinstrumente, Rockstars, Lord Byron, Christopher Marlowe, Motown-Musik, Tangier, Sonnenbrillen und erlesene Außenseiter. Möglichst alles, was die letzten Jahrhunderte an Schönheit so hergeben. Darüber lässt er einen fantastischen Soundtrack schweben.

Tilda Swinton, für die Jarmusch den Film geschrieben hat, und Tom Hiddleston spielen Adam und Eve, ein hoch gebildetes Vampir-Liebespaar, das traumwandlerisch durch die nachtschwarze Industrie-Ruine Detroit wandert. Schwermütig trinken sie Blut aus Flachmännern und gleichen ihre Befindlichkeit mit dem des kulturellen Zustandes ab.

Ein Gespräch mit Jim Jarmusch über Handschuhe und Sex, Lou Reed und YouTube.

KURIER: Was reizt Sie an Vampiren und am Vampir-Genre?

Jim Jarmusch: Vampire sind Außenseiter, und von Außenseitern fühle ich mich immer angezogen. Vampire können nur bei Nacht leben, sie müssen unentdeckt bleiben, sie sind sehr zerbrechlich. Außerdem sind sie keine Monster wie etwa Zombies, die tot sind und Fleisch fressen. Vampire sind einfach nur verwandelte Menschen.

Sie verzichten auf Genre-übliches wie Kreuze und Knoblauch. Ihre Vampire tragen dafür Handschuhe?

Jede Vampir-Mythologie hat irgendwelche Dinge dazu erfunden. Kreuze, heiliges Wasser, Knoblauch, sogar die Vampir-Zähne: Die wurden erstmals in mexikanischen Vampirfilmen in den 1950ern verwendet. Nosferatu hatte noch keine Reißzähne – und heute ist es das erste, was einem zu Vampiren einfällt. Ich habe mir also gedacht, ich erfinde auch etwas dazu – und daher tragen meine Vampire Handschuhe. Warum? Weil es cool aussieht. Und wenn Adam dann Eve die Handschuhe auszieht, ist das in gewisser Weise die einzige Sexszene des Films.

Ihre Vampire haben auch eine tolle Haarpracht.

Ja, ich wollte, dass ihr Haar halb menschlich und halb tierisch ist. Einerseits sind sie ja unheimlich kultiviert, andererseits aber animalisch – immerhin trinken sie Blut. Ich habe deswegen menschliche Haare mit Ziegen- und Yak-Haar gemischt.

Adam ist von Beruf Musiker, wie Sie ja auch. War er Ihnen als Figur besonders nahe?

Schon, aber nicht nur er – auch die Figur der Eve mit ihrem Interesse für Bücher. Es wäre verkürzt, Adam als ein Porträt von mir zu betrachten. Aber ich teile seine Traurigkeit über das menschliche Verhalten, obwohl ich nicht ganz so eine negative Weltsicht habe. Adam ist eine romantische Drama-Queen – ich hoffe, das bin ich nicht (lacht).

Ihre Vampire wandern durch die Jahrhunderte, erinnern sich an früher. Sind Sie Nostalgiker?

Überhaupt nicht. Ich blicke nicht gern zurück, ich schau’ mir auch keinen der Filme, die ich gedreht habe, noch einmal an. Niemals. Es geht mir auf die Nerven, wenn die Leute herumsitzen und sich beschweren, wie sehr sich New York verändert hat. Und wie schlecht dort alles geworden ist. Damit haben sie zwar recht. Aber was soll das Gerede: „Du hättest New York in den 80ern sehen sollen“? Die 80er sind vorbei, also was soll’s. Nostalgie ist nicht mein Ding.

Gibt es Musik, die Sie besonders schätzen? Sie kannten ja beispielsweise Lou Reed, der kürzlich gestorben ist.

Jede Dekade hat ihre großartige Musik, wobei ich mich immer mehr für die Randphänomene und weniger für den Mainstream interessiere. Aber weil Sie gerade Lou Reed erwähnen: Als die Musik seiner Band „The Velvet Underground“ in den späten 60er-Jahren herauskam, hielten das die meisten Leute für den letzten Dreck. Damals sangen alle über Frieden und kalifornischen Sonnenschein, und die „Velvets “ sangen über Junkies und Transvestiten. Heute wissen wir, wie immens wichtig sie waren. Mein Leben haben sie jedenfalls verändert und das vieler anderer auch.

In Ihrem Film thematisieren Sie mehrfach YouTube. Warum?

Ich liebe YouTube. Wenn ich mir 1989 hätte träumen lassen, was ich dort alles finden kann: Einen Vortrag von John Cage über Schwammerln, ein Interview mit Samuel Beckett, Bilder von Elizabeth Taylor im Badeanzug ... Ich schau’ deswegen kaum noch fern, sondern programmiere mein eigenes TV.

Jim Jarmush: Lakonisch & Kult

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Jim Jarmusch (60) zählt seit den 80er-Jahren mit lakonischen Generationenporträts wie „Permanent Vacation“ (1980) und „Stranger Than Paradise“ (1984) zu den Hauptvertretern des US-Independent-Kinos. Spätestens seit „Down by Law“ (1986) gilt er als Kult-Regisseur. Weitere wichtige Arbeiten: „Dead Man“ (1995), „Ghost Dog“ (1999), „Broken Flowers“ (2005)