Kultur

Sam Spade mit Migrationshintergrund

Er machte den Anfang: Privatdetektiv Kemal Kayankaya war 1985 der erste deutsche Ermittler mit türkischem Migrationshintergrund.

"Happy birthday, Türke" lautete der provokante Titel des Raymond-Chandler- und Dashiell-Hammett-affinen Erstlings des damals erst 22-jährigen Jakob Arjouni – der erste Auftritt des Schnüfflers Kemal Kayankaya.

"Ich schaute mir ein Dutzend Tote im Fernsehen an und goss mir das erste Glas Chivas in die Leber". Der Satz könnte von Philip Marlowe oder Sam Spade stammen – wenn sie einen Fernsehapparat gehabt hätten. Tatsächlich gesagt hat ihn Kemal Kayankaya, Türke von Geburt und Aussehen, Deutscher von Sprache und Sozialisation. "Türkisch Mann zur Müllabfuhr", rief man Kayankaya öfters auf Frankfurts Straßen nach. Dabei sprach er nicht einmal Türkisch und hätte seinen, wie es heißt, "Migrationshintergrund" am liebsten gar nicht thematisiert. Die anderen allerdings schon. Alltagsrassismus begegnete er mit Wortwitz und interkulturellen Kalauern.

Ähnlich wie Fahri Yardims Hamburger "Tatort"-Kommissar Yalcin Gümer, der eindeutig den besseren Schmäh als sein Kollege Nick Tschiller hat. Vor dem Duo war Mehmet Kurtuluş als Cop Cenk Batu an der Alster unterwegs, er war der erste türkisch-stämmige TV-Ermittler. Doch das ewige Gerede um das Attribut "türkisch" nervte ihn. Und Erdogan Atalay, Hauptkommissar Semir Gerkhan in "Cobra 11"‚ kann, wie Kemal Kalankaya, in Wahrheit nicht einmal Türkisch.

Das Spiel mit dem "Migrationshintergrund", das betrieb Kayankaya-Erfinder Jakob Arjouni auch selbst. Arjouni, der vergangenes Jahr mit erst 48 Jahren an Krebs starb, hieß mit bürgerlichem Namen Jakob Bothe, stammte aus Frankfurt. Sein Vater war der Dramatiker Hans Günter Michelsen. Jakob übernahm den marokkanischen Familiennamen seiner ersten Frau.

Ein Irrtum

Fünf Kayankaya-Romane schrieb Arjouni, dazu weitere Romane, Erzählungen und Theaterstücke. Von den ersten beiden Kayankaya-Krimis hieß es, ihr Protagonist spiegle die Identität des Autors wider. Den "Migrationshintergund". Ein Irrtum, den der Autor lang nicht aufklärte.

Nach vier Fällen ließ er seinen deutsch-türkischen Schnüffler elf Jahre pausieren. Als er 2012 mit "Bruder Kemal" zu Kayankaya zurückkehrte, sagte Arjouni, es sei für ihn "wie nach Hause kommen". Nicht nur Arjouni war seit "Happy birthday, Türke" gealtert, sondern auch sein Ermittler. Zu Beginn ein latent versoffener, lakonischer Jungspund, dem die Arbeit trotz fremdenfeindlicher Polizei und korrupter Beamten Spaß macht; am Ende ein untersetzter Mittfünfziger, der sich seinen trockenen Humor behalten hat und sich immer noch nicht ordentlich rasiert.

Jakob Arjouni: Die Kayankaya-Romane. Happy birthday, Türke!, Mehr Bier, Ein Mann, ein Mord, Kismet, Bruder Kemal. Diogenes. 30.80€.