Ingrid Thurnher: Die Qualitäts-Senderin von ORF III
Ingrid Thurnher ist seit drei Jahren Chefredakteurin im Spartensender ORF III. Die ehemalige „Im Zentrum“-und „ZiB 2“-Moderatorin managt ein handverlesenes Infoteam, gestaltet, erfindet und moderiert Sendungen. Wie das funktioniert, erklärt sie im KURIER-Gespräch.
KURIER: Ich habe im Vorfeld dieses Interviews Folgendes am häufigsten gehört: Sie wirken in Ihrer Funktion als ORF-III-Infochefin „angekommen“.
Ingrid Thurnher: Das habe ich mich eigentlich in jeder meiner Funktionen gefühlt. Jetzt auf jeden Fall, vor zehn Jahren auch, vor zwanzig Jahren ... eigentlich ist es immer gut.
Was war die Motivation, sich vom Qutorenriesen ORF 2 in ein kleines Labor wie ORF III zu begeben? Etwas aufzubauen, etwas Neues zu machen, hat mich gereizt – ich fühle mich irgendwie wie in einem Start-up, in dem man mit einem total engagierten jungen Team etwas ausprobieren und entwickeln kann. Im Gegensatz zu der ebenfalls sehr reizvollen Aufgabe, prominent eine Sendung zu tragen, die es immer schon gab und weiterhin gibt.
Was war Ihr Ziel für Ihre Tätigkeit bei ORF III?
Als ich hier Anfang 2017 angekommen bin, war ich überrascht, wie jung dieser Sender ist. Es war einfach genial, mitmachen zu dürfen, manches fertig zu stellen, aber auch Neues aufzubauen. Am allermeisten beschäftigt hat mich die Frage: Wie können wir viel mehr professionelles Programm machen?
Im Spartensender ORF III haben Sie begrenzte Ressourcen. Das ist wahrscheinlich ein Kontrast zu Ihrer bisherigen Tätigkeit bei ORF 2, das viel mehr Nachrichtensendungen hat, und deshalb naturgemäß über mehr Budget verfügt.
Hier habe ich die volle Budgetverantwortung für meinen Bereich und muss einfach schauen, dass ich damit zurechtkomme. Da betrachtet man viele Sachen mit anderen Augen und wird kreativ. Ich will nicht sagen, dass die anderen das nicht sind – sie haben einfach andere Voraussetzungen. Unser Studio hat zwei Personen, die das technisch managen müssen. Wir haben keine Kameraleute, keine Assistenten, die uns das Mikrofon anstecken, es ist niemand im Studio. Es ist eben klein und bescheiden. Das Wichtige ist nur, dass man es auf Sendung nicht sieht.
Was ist ein Erfolg, der Ihnen persönlich besonders am Herzen lag?
Die Berichterstattung zu Ibiza zum Beispiel. Ich werde den 17. Mai des letzten Jahres nie vergessen. Freitag sind wir redaktionell eher klein besetzt. An dem Tag sind wir von einer sehr anstrengenden Dienstreise zurückgekommen und wollten eigentlich ins Wochenende gehen. Tatsächlich waren wir nur kurz zu Hause und dann sehr schnell wieder hier und schließlich die ersten, die im ORF mit einer Sondersendung on air gegangen sind.
Die Quoten können sich sehen lassen – an einzelnen Tagen lagen sie sogar vor ORF 1. Wie viel geht noch?
Wir reden nicht so gern über Quoten, weil das nicht unser Ansatz ist. Wir freuen uns natürlich, wenn viele Menschen zuschauen – da brauchen wir uns nicht in den Sack lügen. Wir wollen ja nicht Programm für niemanden machen, sondern Programm für viele. Aber dass wir kein Massenangebot haben, ist ja logisch. Dennoch glaube ich, dass wir noch Luft nach oben haben.
Sie hatten vor ein paar Jahren einen öffentlichen Auftritt, bei dem Sie sich gegen den Hass gewandt haben, der Frauen in der Öffentlichkeit entgegenschlägt. Hat sich seither aus Ihrer Sicht etwas gebessert?
Ich habe für mich persönlich versucht, diese Dinge auszublenden und abzublocken. Das heißt aber nicht, dass es weniger geworden ist – ganz im Gegenteil: Ich glaube, die Hemmschwelle für ganz viele Menschen ist offenbar weiter gesunken. Justizministerin Alma Zadić hat beispielsweise von mehr als 20.000 klagbaren Hasspostings gegen sie gesprochen. Das ist abenteuerlich.