Kultur

"Il Trovatore": Die große Salzburger Netrebko-Show

Eine Produktion, die seit Monaten ausverkauft ist. Eine Besetzungsliste, die der Papierform nach keine Wünsche offen lässt. Und ein Regisseur, der mit seinen durchaus kontroversiell diskutierten Interpretationen oft für Furore gesorgt hat. Ein vorprogrammiertes Ereignis also? Nicht ganz. Denn die im Vorfeld unglaublich gehypte Neuproduktion von Giuseppe Verdis „Il Trovatore“ bei den Salzburger Festspielen hat auch einige Schwächen.

Dieser Einwand betrifft freilich nicht Anna Netrebko. Die russische Sopranistin ist als bis zum Märtyrertod gehende, ihren Troubadour liebende Leonora das Kraftfeld der Aufführung. Netrebko singt diese diffizile Partie unfassbar schön. Ihr samtenes, farbenreiches, geschmeidiges Timbre muss keinen Vergleich mit den großen Interpretinnen der Vergangenheit scheuen. Netrebkos Leonora ist auch dank ihrer intensiven Darstellung ein Genuss.

Womit wir beim gravierendsten Kritikpunkt wären: Selten zuvor hat es ein Regisseur seinen Protagonisten so schwer gemacht, zu glänzen. Denn was Alvis Hermanis (auch Bühne) aus dieser Oper macht, klingt in der Theorie interessant, ist in der Praxis aber nur ein großes, hübsches aufgeblasenes Nichts.

Museum

Denn Hermanis siedelt die Handlung in einem Museum der Marke Kunsthistorisches oder Prado an. Leonora, also Netrebko, ist wie fast alle andere Figuren eine biedere Museumswärterin; berühmte Gemälde von Tizian über Botticelli, Raffaello bis Leonardo hängen da an den Wänden. Touristen flanieren teils mit Audio-Guides vorbei, die Nacht bricht herein, und Leonora träumt sich in die Welt des Troubadour-Stoffes hinein. Das hört sich im ersten Moment aufregend an, ist es aber leider gar nicht. Denn Hermanis und seine Kostümbildnerin (für viele unvorteilhafte Klischees verantwortlich: Eva Dessecker) schieben letztlich nur Bildergalerien hin und her. Da stehen in Tizian-Rot gewandete Rebellen neben heutigen Menschen, da schauen die einen den anderen zu, ohne, dass es einen tieferen Sinn ergäbe. Die angedachte Verschränkung der Zeiten funktioniert nicht.

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Verweigerung

Übrig bleibt ein ödes Geh-und Stehtheater; eine irgendwie erkennbare Personenführung gibt es nicht. Auch der solide Chor (Konzertvereinigung Wiener Staatsoper, Einstudierung: Ernst Raffelsberger) stolpert nebst Statisten in diversen Funktionen über die Bühne. Vor allem aber: Hermanis verweigert sich der Geschichte, er geht nicht in sie hinein. Hermanis versucht erst gar nicht, diese Räuberpistole rund um Liebe, Hass, Eifersucht und Rache zu durchdringen, sondern stülpt sein museales Konzept über alle Situationen drüber. Das geht manchmal gut, manchmal jedoch nähert sich das Ganze der unfreiwilligen Persiflage. Dafür gab es bei der Premiere erstaunlich zarte Proteste.

Selbstaufgabe

Irgendwie fast sogar wieder verständlich, denn Hermanis hat ja neben der furiosen Anna Netrebko weitere prominente Künstler zur Verfügung. Etwa den legendären Plácido Domingo, der sich in die Rolle des rachsüchtigen Grafen Luna hineinwirft, als gäbe es kein Morgen. Domingo, der als Bariton begann, dann zum Jahrhundert-Tenor wurde und jetzt wieder offiziell ins Baritonfach zurückgekehrt ist, singt in seiner eigenen Liga. Und das bis zur völligen Selbstaufgabe. Da geht es weniger darum, ob der Luna zu Domingos Stimme passt oder – das ist eher der Fall – nicht. Hier agiert (auch als armer Nachtwächter verkleidet!) ein Großer seiner Zunft, der darstellerisch vieles wettmacht.

Nicht nötig hat dies Marie-Nicole Lemieux, die sich als Azucena neben Netrebko als zweite, stimmlich herrlich dramatische Hauptfigur behauptet. Lemieux besitzt für diese Rolle die nötige Höhe und Schärfe; szenisch ist sie mehr als tapfer. Gleiches gilt für Francesco Meli, der als Manrico über ein schönes, lyrisches Timbre verfügt, dessen Tenor in exponierten Lagen (Stretta!) mitunter aber an Grenzen stößt. Ordentlich besetzt sind die kleineren Partien, etwa Riccardo Zanellato als Ferrando und Diana Haller als Ines.

Bleibt Dirigent Daniele Gatti, der am Pult der sauber und meist animiert spielenden Wiener Philharmoniker nicht immer die nötige Balance zwischen Bühne und Graben, zwischen Intimität und Expressivität findet. Heftiger, aber recht kurzer Applaus.

Ein Erfolg, kein Wurf

Werk "Il Trovatore" (Libretto: Salvadore Cammarano, Leone Emmanuele Bardare) wurde 1853 in Rom erfolgreich uraufgeführt.

Regie Alvis Hermanis hatte eine nette (museale) Idee, die sich aber überhaupt nicht ausgeht.

Gesang Anna Netrebko ist als Leonora ein Ereignis, der Rest schlägt sich gut.

Dirigat Gut, aber auch ausbaufähig.

KURIER-Wertung:

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