Kultur

"Wer ist hier das Monster?"

Im Theater an der Wien hat er als Regisseur bereits einige Erfolge eingefahren, nun gibt er sein Debüt an der Wiener Staatsoper: Kasper Holten, gebürtiger Däne und Direktor des Londoner Royal Opera House Covent Garden bringt Wolfgang Amadeus Mozarts "Idomeneo" im Haus am Ring auf die Bühne. Premiere ist am Sonntag.

Doch wie setzt Holten die Geschichte rund um König Idomeneo, der auf Geheiß des Meeresgottes Poseidon seinen eigenen Sohn Idamante opfern soll, in Szene? Holten: "In Mozarts Oper gibt es ein Orakel, ein Seemonster, allerlei allegorische Gestalten. Meine zentrale Frage war: Wer ist hier das Monster? Ich sehe ,Idomeneo‘ als Familiendrama."

Traumatisiert

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Holten weiter: "Da gibt es den König, der aus einem langen Krieg zurückkehrt, der das Töten gelernt hat, der, obwohl schwer traumatisiert, nicht abtreten will. Dann seinen Sohn Idamante, der sich von diesem übermächtigen Vater trotz Vaterkomplex emanzipieren muss, und der mit Ilia de facto eine Kriegsgefangene liebt. Dazu kommt noch Elettra, die ebenfalls ein Trauma mich sich herumschleppt, das sie in einer Ehe mit Idamante auflösen will. Ich möchte diese Befindlichkeiten, diese Figuren ins Heute holen, ohne mit dem Holzhammer zu kommen. Bei jeder Oper stellt sich ja die Frage, was uns diese Personen auf der Bühne heute noch zu sagen haben. Bei Mozart ist das sehr, sehr viel."

Dass Holten an der Staatsoper arbeitet, ist für den Regisseur "etwas Besonderes". "Im Theater an der Wien hat man ganz andere Produktionsbedingungen, die großartig sind. Im Stagione-System kann man mehr experimentieren. An der Staatsoper muss man eine Inszenierung so machen, dass sie auch im Repertoire über die Jahre hinweg ihre ganz spezielle Kraft bewahren kann. Das haben wir hier versucht."

In Covent Garden gibt es in dieser Spielzeit übrigens auch eine Neuproduktion von Mozarts "Idomeneo". Martin Kušej inszeniert an Holtens Haus dieses Werk. Zufall? "Ja, ich wollte ,Idomeneo‘ auch in London machen und bin selbst aber nur für zwei Inszenierungen pro Jahr frei. Eine in Covent Garden, das ist heuer Szymanowskis ,König Roger‘, und eine an einer anderen Bühne, eben ,Idomeneo‘ am Ring. Ich habe aber mit Martin Kušej über das Stück gesprochen, und wir haben sehr gelacht. Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich man diese Oper interpretieren, lesen und sehen kann. Ich denke aber, dass beide Deutungen ihre Berechtigung haben."

Doch hat sich Holten auch den "Idomeneo" von Regisseur Damiano Michieletto in der vergangenen Saison im Theater an der Wien angesehen? "Lachend: "Nein, bewusst nicht. Es gibt Opern, das hat man gleich zu Beginn eine zündende Idee. Andere wiederum muss man sich Stück für Stück erobern. ,Idomeneo‘ fiel für mich in die zweite Kategorie. Ich wollte mich da nicht von meinen Gedanken ablenken lassen. Damiano Michieletto ist ein toller Regisseur, wie auch Martin Kušej. Ich kenne da kein Konkurrenzdenken. Das könnte ich mir als Direktor in Covent Garden auch gar nicht leisten. Ich habe dort eine große Verantwortung."

Szenenfotos der Oper

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Risikoreich

In London setzt Holten auch auf Risiko. Nicht weniger als acht Uraufführungen sind in den nächsten fünf Jahren geplant. Holten: "Man muss in der Kunst auch Risiko nehmen können, Als Direktor aber sage ich, dass dieses Risiko kalkulierbar sein muss. Eine Produktion kann auch schiefgehen, aber als Intendant muss man sich ein Grundvertrauen des Publikums aufbauen. Das versuche ich mit meinem Musikchef Antonio Pappano Jahr für Jahr aufs Neue. Und ich bin sehr dankbar, dass uns die Zuschauer auf diesem Weg folgen."

Und wie sieht es in London finanziell aus? "Nur 23 Prozent unseres Budgets bestehen aus öffentlichen Subventionen. Den Rest müssen wir über Sponsoren und Kartenverkäufe einbringen. Das geht aber nur, wenn man gute und ehrliche Arbeit macht. Aber das ist eigentlich ja eine Grundvoraussetzung."

Info: Alle Termin von "Idomeneo" finden Sie hier.