Kultur

Schwiegermutter statt Schriftsteller-Groupie

Er habe noch nie einen klugen Optimisten getroffen, sagte Howard Jacobson unlängst dem Guardian. Die Alter-Grantscherben-Attitüde passt zum neuen Buch. 72 ist Jacobson jetzt, und sein Roman "Im Zoo" sieht schwarz. Und ist ziemlich meschugge.

In der Gastronomie würde man dieses Buch, seinen 13. Roman (auf Deutsch sind drei erschienen), einen Jacobson-Fonds nennen. Jacobson, so lange eingekocht, bis der reduzierte Jus übrig bleibt: Eine Satire, verkleidet als Brandrede gegen den Untergang der Literatur – gemixt mit einer abstrusen Familienstory samt einer ordentlichen Portion traurigem Dirty-Old-Man-Humor.

Der Traum von Henry James und das bittere Erwachen in einer Welt, in der Literatur nur in Häppchenform verabreicht werden darf; in der keiner mehr liest, aber jeder schreibt. In der große Verleger tot und nun Masseverwalter am Zug sind, die Schriftsteller zum Twittern zwingen wollen.

Schmonzes

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Es beginnt damit, dass der alte Zyniker Guy Ableman sein eigenes Buch aus einer Buchhandlung stiehlt. Eine Roman-Rettung, er will nicht, dass es neben Schmonzes steht. Ableman, der ursprünglich das Designermode-Geschäft seiner Eltern führte, ist Schriftsteller und mit der umwerfenden Vanessa verheiratet. Deren Mutter ihr bis in die leuchtend roten Haarspitzen gleicht und die er fast noch begehrenswerter als seine Frau findet.

Damit ist auch schon das meiste über die Handlung gesagt. Einen Höhepunkt erreicht sie, als Ableman mit Frau und Schwiegermutter nach Australien fährt, wo er sich mit einem Schriftsteller-Groupie vergnügt, dessen Akzent er ständig nachmacht. Das Schreib-Groupie wird ihn später wegen eines berühmteren Autors sitzen lassen.

Ableman versucht daraufhin, seine Schwiegermutter zu verführen. Nachdem er eine haarige Spinne getötet hat. Ein schönes Bild: Zuerst sitzt das Vieh auf dem Bett, er jagt es durchs Zimmer und steigt schließlich drauf. Mit nichts als Badeschlapfen an den Füßen. Während er mit einem Fuß auf der zerquetschten Riesenspinne steht, versucht er mit dem Rest des Körpers, die Schwiegermutter an sich zu ziehen. Ein Kuss gelingt, mehr nicht. Er wird nicht aufhören, von ihr zu schwärmen, in der Hoffnung, die seltsame Affäre könnte ihm Inspiration für den Roman bringen, an dem er schon so lange kiefelt.

Neben böser Literaturkritik geht es auch hier, wie in der Booker-Preis-gekrönten "Finkler-Frage" um Identität: Bin ich Goi oder Jude? Bin ich Schriftsteller oder Loser? Bin ich underfucked oder bloß oversexed? In jedem Fall: Wahrscheinlich beides.

KURIER-Wertung: