Kultur

"Hochzeit auf Italienisch" mit Cervik und Föttinger

Der Josefstadt-Direktor und seine Frau spielen ein Paar – in einem Stück, das nur auf den ersten Blick wie eine Komödie aussieht.

KURIER: Ist dieses Stück eine Komödie mit ernstem Hintergrund oder eine Tragödie, die als Komödie daherkommt?

Herbert Föttinger:
Ich hatte damit gerechnet, dass Sie als Erstes fragen: „Wie ist es, wenn ein Ehepaar Theater spielt?“

Keine Angst, die Frage kommt noch. Aber zuerst bitte: Komödie oder Tragödie?

Föttinger:
Eine gute Komödie hat tragische Momente, eine Tragödie ist nur dann aufregend, wenn sie auch komisch ist. Wenn Sie so wollen, ist es eine Komödie mit tragischen Momenten. Ein Schwank ist es nicht. Eine Komödie ist ja ein großes Feld. Es werden sogar Tschechow-Dramen als Komödien bezeichnet. Und ehrlich, wir haben schon mehr gelacht als bei Tschechow.

Sandra Cervik: Aber Komödie ist ja manchmal auch die Absurdität von Situationen. De Filippo nimmt ein archaisches Thema, die Mutter, die ihre Kinder weggeben muss. Das erinnert zwischendurch an Medea. Es ist ja auch der Film von De Sica nicht so lustig, wie manche glauben. Mastroianni und Loren sind zwar komisch, aber sicher nicht zum Schenkelklopfen.

Aus heutiger Sicht ist dieses Thema ein mehrfacher Skandal: Eine Prostituierte, die von einem reichen Mann geschwängert wird, um ihre Existenz kämpft und ihre Kinder weggeben muss. Er aber bleibt lebenslustig und hat noch die Frechheit, ihr seine alte Mutter unterzuschieben. Gerade als Frau muss Sie das doch empören.

Cervik: Ja, ich sehe das auch so. Aus heutiger, frauenrechtlicher Perspektive müsste man natürlich sagen: Wahnsinn! Aber im Stück erfährt man diese Dinge nur im Rückblick, viele Jahre später. Das ist es, was es zu einer Komödie macht: Das Fass wird nicht ganz aufgemacht. Dazu kommt: Sie heißt Filumena. Das bedeutet kraftvolle Liebe. Sie ist eine Frau, die große Leidensfähigkeit hat und einen Mann, Domenico, etwas lehrt.

Was lernt er denn von ihr?

Föttinger:
Sie lehrt ihn, am Ende doch Verantwortung zu übernehmen. Das ist der Triumph des Stückes: Letztlich haben sich dadurch viele Frauen bestätigt gefühlt. Es gibt ja eine erste Verfilmung von De Filippo, in der er und seine Schwester Titania die Hauptrollen spielen. Die Filumena war ihre Lebensrolle.

Domenico hat Filumena und die Verantwortung ihr gegenüber der jüngeren Frau vorgezogen.

Föttinger:
Das war sicher auch gut so. Es gibt ja viele Fünfzigjährige, die sich einbilden, noch einmal von vorn mit einer Jüngeren zu beginnen – und das kann ja auch funktionieren. Wenn man sich aber erhofft, sich dadurch die eigene Jugend zurückzuholen, hat das einen tragikomischen Beigeschmack.

Klassisches Midlife-Crisis-Symptom. Da ist es gescheiter, man kauft sich einen Porsche.

Föttinger:
Ich finde auch. Den kann man wieder verkaufen.

Cervik: Ja, und den kann die Gattin auch fahren.

Wie sind Sie jetzt auf dieses Stück gekommen?

Föttinger:
Wir haben vor 13 Jahren Max FrischsDon Juan oder Die Liebe zur Geometrie“ gespielt (da geht es auch um einen Verführer und eine ehemalige Prostituierte, Anm.). Damals geisterte De Filippos Stück schon in unseren Köpfen herum. Allerdings waren wir zu jung dafür. Wir haben es aufgehoben, bis wir alt genug sind. Ich bin jetzt 52.

Wissen Sie schon, was Sie mit 70 machen?

Föttinger:
Nein, das war der letzte Plan.

Cervik: Es sollte etwas mit einer Südseeinsel zu tun haben.

Jetzt also die befürchtete Frage: Wie schwierig ist es, als Paar ein Paar zu spielen?

Föttinger:
Wir müssen nichts erfinden. Es ist toll, wenn man das Gefühl hat: Es gibt so viel Vertrauen, auch auf der Bühne. Das tut einer Aufführung sehr gut.

Besteht nicht die Gefahr, den Beruf mit nach Hause zu nehmen?

Föttinger:
Und Sie, wären Sie mit einem Journalisten verheiratet, nähmen Sie das mit nach Hause? Manchmal, ja! Das gehört zu unserem Leben dazu.

Cervik: Wir reden natürlich nicht nur über das Theater. Aber was einen leidenschaftlich beschäftigt, kann man nicht so einfach abdrehen. Insofern ist es sehr angenehm, jemanden zu haben, mit dem man das teilen kann. Ich stelle es mir sehr schwer vor, mit jemandem zusammen zu sein, der nichts mit diesem Metier zu tun hat. Wir vertrauen einander und wir swingen gut miteinander.

Aber daheim geübt wird nicht?

Cervik:
Nein. Unser Sohn würde sich scheckig lachen.

Zores mit Loren und Mastroianni

„Ich bin davon überzeugt, dass meine Komödien zutiefst tragisch sind, selbst dann, wenn sie zum Lachen reizen“, sagte Eduardo De Filippo über sein Stück „Filumena Marturano“, das durch die Verfilmung „Hochzeit auf Italienisch“ berühmt wurde.

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De Filippos Stück aus dem Jahr 1947 wurde zuerst 1951 verfilmt, mit ihm und seiner Schwester Titania in den Hauptrollen. Wesentlich bekannter ist die Verfilmung von 1964, in der Regisseur Vittorio De Sica Sophia Loren und Marcello Mastroianni zum dritten Mal gemeinsam vor die Kamera holte. Der Film wurde in Italien mehrfach ausgezeichnet und erhielt 1965 den Golden Globe Award als bester fremdsprachiger Film.

De Sica, der aus der Tradition der Neorealisten kam („Fahrraddiebe“, Oscar 1948), inszenierte die im Kern tragische Story nur auf den ersten Blick als Komödie: Vor 25 Jahren lernte Filumena, damals 17, den wohlhabenden Domenico kennen. Sie wurde Prostituierte, er ihr bester Kunde. Um ihn, der nun von der Gemeinsamkeit mit einer Jüngeren träumt, an sich zu binden, täuscht Filumena eine schwere Krankheit vor. Und sie konfrontiert ihn mit ihren drei Söhnen, die sie bis dato verheimlicht hat.