Kultur

Champagner nur wenn’s sein muss

Doyenne ist ein schönes Wort, und mit bald neunzig gewöhnt sie sich auch an das Attribut „Volksschauspielerin“. Denn, ganz ehrlich, „Maria Stuart war ich nie“.

Hilde Sochor wurde am 5. Februar 1924 geboren, und dass sie einmal eine der populärsten Schauspielerinnen Österreichs würde, dass sie mehr als 60 Jahre am Volkstheater arbeiten und in mehr als 300 Rollen auf der Bühne stehen würde – das war ihr bei Gott nicht in die Wiege gelegt. Zwölf Jahre war sie, als sie Paula Wessely in „Maskerade“ im Breitenseer-Kino sah. Von da an wollte sie Schauspielerin werden.

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Obwohl sie sich keine großen Chancen ausrechnete.

Zu einer Zeit, als die Dietrich und die Garbo groß waren, da war das Mädchen Hilde „keine Schönheit. Ich war bunkert, hatte ganz glattes Haar. Meine Mutter hat mir mit elf schon eine Dauerwelle machen lassen, weil sie so gerne lockige Kinder wollte. Da hab ich ausgeschaut wie ein Schaf. Ich hab mir gedacht: Wenn man so ausschaut wie ich, da kann man nicht Schauspielerin werden.“

So kennt man sie: Resolut und wenig zimperlich in ihrem Urteil – zu allererst sich selbst gegenüber.

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„Ich hab an meiner Begabung gezweifelt.“ Am Reinhardt Seminar hat man sie abgelehnt ( im Gegensatz zu ihrem Sohn Paulus, der gleich aufgenommen, aber nicht lang dort behalten wurde: „Sie haben ihn noch aus jeder Schule rausgeschmissen“).

Sochor studierte dann gleichzeitig am Prayner Konservatorium Schauspiel und an der Uni Wien Germanistik und Theaterwissenschaft, um „vielleicht Kritikerin“ zu werden. Finanziert hat sie sich das Studium mit Kasperltheater-Spielen.

Das Zwischenspiel

Kaum promoviert, stand sie in den Kammerspielen als Stubenmädchen in Lernet-Holenias „Parforce“ auf der Bühne. 1948 war das, und nach einem kurzen Zwischenspiel in Düsseldorf bei Gustav Gründgens folgte das Volkstheater. Wedekind, Brecht, Ibsen, Ionesco spielte sie; Shakespeare, Kleist und auch Goethe; Ödön von Horvath und natürlich immer wieder Nestroy und Raimund. Ihre Spezialität: die Kombination aus Komödiantischem und Abgründigem.

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Spät hat sie Werner Schwab entdeckt. Es war keine Liebe auf den ersten Blick. „Scheußlich und ordinär“ fand sie ihn. Erst mit dem Rabenhof-Programm „Seele brennt“, das sie mit Christoph Grissemann und Dirk Stermann bestritt, konnte sie sich für das Werk des vor zwanzig Jahren verstorbenen Dramatikers begeistern. „Ich hab mich in Schwab verliebt. Er war ein großer Sprachkünstler.“ Auch die beiden Kabarett-Kollegen sind ihr ans Herz gewachsen, sie haben nach wie vor Kontakt, auch wenn sie nicht mehr viel in der Theater-Szene unterwegs ist.

Ins Theater geht Sochor selten: „Ich überleg mir jedes Mal, was hätt ich versäumt, wenn ich’s ned g’sehn hätt?“

An die Zeit im Volkstheater denkt sie gern. Den scheidenden Direktor Schottenberg mag sie sehr; und ganz besonders auch Kolleginnen wie die Maria Bill: „Ihr hab ich einmal g’sagt: So wie du die Piaf singst, das ist fast besser als das Original“.

Mit Hilde Sochor ist das so: Sie grinst nicht wie ein Hutschpferd und gibt sich ganz gern ein bisserl spröde. Aber wenn sie jemanden ins Herz geschlossen hat, dann lässt sie ihn nicht mehr so leicht los.

Die große Liebe

32 Jahre war sich mit dem Theatermacher Gustav Manker verheiratet. Nach seinem Tod ist sie nach Hietzing gezogen. In der gemeinsamen Innenstadt-Wohnung hätte sie es allein nicht ausgehalten. „Mein Mann war unersetzlich. Er war die große Liebe meines Lebens.“ Mit ihm, ihrem dritten Volkstheater-Direktor, focht sie auf der Bühne leidenschaftliche Kämpfe aus. „Auf der Bühne haben wir immer gestritten. Er hat mehr von mir als von den anderen verlangt. Er wollte das Beste.“

Arbeiten und Familie: Für manche unvorstellbar, im Hause Sochor-Manker selbstverständlich. Mit ihrer Tochter Katharina, ebenfalls Schauspielerin, stand sie auf der Bühne, mit Sohn Paulus hat sie für „Weiningers Nacht“ zusammengearbeitet. „Er war nach meinem Mann der beste Regisseur, den ich hatte.“

Der schlechte Ruf

Der Ruf, den Paulus genießt, ist nicht so problemlos. Schon in der Schule haben die Direktoren „händeringend gebeten, dass ich ihn rausnehm’. Er hat als Kind schon die Mädeln mit den Zöpfen an den Bänken angebunden.“ Ob sie ihm manchmal ins Gewissen redet, wenn er wieder Negativschlagzeilen macht? „Im Umgang mit Menschen is’ er dubios. Natürlich versuch ich was zu sagen, aber er hört nicht auf mich.“ Die öffentliche Liebeserklärung, die Manker seiner Mutter 2007 bei der Verleihung des „Nestroy“ fürs Lebenswerk machte, sagt allerdings etwas anderes.

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Es wird ein Mordstheater um ihren Geburtstag. Dann wird man sie wieder als „Grande Dame“ bezeichnen, was sie nicht leiden kann, weil „die Leute das immer falsch aussprechen“.

Hilde Sochor tritt auch mit neunzig bestimmt auf. Sie ist nicht mehr so agil wie noch vor einigen Jahren. Aber ihre hellen Augen blinzeln so munter wie eh und je. Sie wirkt unsentimental, wenn sie von ihrem Leben erzählt. Manchmal fragt sie sich, ob sie einen Satz „noch zu Ende bringen wird, mit dem alten Hirn“. Aufs Äußere legt sie Wert, allein schon berufsbedingt. Schaut, dass der Lippenstift nicht verschmiert ist und will auf den Fotos gut ausschauen.

Wie bleibt man so lange so gesund? Wie war das mit Alkohol und Zigaretten? Geraucht hat sie 15 Jahre lang. Aber erst spät angefangen. Dabei wollte sie immer schon rauchen, „da weiß man, was man in Gesellschaft mit den Händen anfangt“. Geklappt hat es erst mit dreißig. Sie musste sich das Laster für eine Rolle zulegen. Am Anfang wurde ihr schlecht. „Bei der Premiere hab ich noch drei Streichhölzer gebraucht.“ Bei der letzten Vorstellung war sie Raucherin.

G’spritzten trinkt sie gerne. „Wenn’s sein muss, auch Champagner. Aber ein G’spritzer is’ mir immer noch lieber. I bin ordinär.“

Info: Das Volkstheater würdigt Hilde Sochor am 9. Februar um 11.00 Uhr mit einer Matinee mit Andrea Eckert, Karl Ferdinand Kratzl, Walter Langer, Katharina Manker, Paulus Manker, Karl Merkatz, Roland Neuwirth, Stermann & Grissemann, Otto Schenk, Brigitte Swoboda und Andreas Vitásek. Der Eintritt ist frei.