Graphic Novels: Zeit im Bild
Von Barbara Beer
Barbara Yelins Graphic Novel über das Leben einer jungen Frau während der Nazizeit (siehe rechts) ist ein besonders gelungenes Beispiel dafür, wie historisch schwierige Themen ungewöhnlich aufgearbeitet werden können. Klar, ganz neu ist das nicht: Ein Klassiker des Genres ist etwa Art Spiegelmans Holocaust-Comic "Maus", das in den 1980ern kontrovers diskutiert wurde. Die Antwort kam spät, aber eindeutig: Spiegelman erhielt 1992 als erster Comic-Autor den Pulitzer-Preis.
Ein Blick auf die Neuerscheinungen dieser Saison zeigt erneut, dass sich mittels scheinbar harmloser Bilder besonders scharfe Kritik üben lässt.
"Irmina": Das Tagebuch einer Mitläuferin
Es war ein Karton mit Tagebüchern und Briefen, der die Zeichnerin und Autorin Barbara Yelin, geboren 1977 in München, zu diesem Buch inspirierte. Die Tagebücher gehörten ihrer Großmutter, die darin ihr Leben als junge Frau während der Nazizeit schildert. Irmina war eine ganz normale Deutsche. Eine von vielen, die "ein bisschen" dabei waren und ansonsten hauptsächlich an ihren Alltag dachten.
Mitte der 1930er-Jahre reist die ehrgeizige junge Frau nach London, um eine Ausbildung zur Fremdsprachensekretärin zu beginnen. Sie ist entschlossen, etwas aus ihrem Leben zu machen. In London lernt sie den schwarzen Oxfordstudenten Howard kennen. Die Beziehung endet, als Irmina nach Berlin zurückkehrt. Im nationalsozialistischen Deutschland steht sie vor der Möglichkeit, den erstrebten Wohlstand zu erlangen, wenn sie dafür die verbrecherische Ideologie des Regimes nicht infrage stellt. Wenn sie mit Gewalt an Juden konfrontiert wird, sieht Irmina weg.
INFO: Barbara Yelin: „Irmina“. Reprodukt. 300 S. 40,10€
Ein prächtiges Roadmovie und zugleich eine Reise in die Vergangenheit ist die Graphic Novel "Come Prima" des französischen Autors und Zeichners Alfred: Der Tod ihres Vaters führt die Brüder Fabio und Giovanni erstmals nach zehn Jahren wieder zusammen. In einem winzigen Fiat 500 machen sich die ungleichen Brüder von Frankreich aus auf den Weg nach Italien, um die Asche des Vaters in sein Heimatland zu überführen.
INFO: „Come Prima“. Alfred. Reprodukt. 224 Seiten. 35 €
Es ist ein Gipfeltreffen zweier Klassiker: Zeichengenie Robert Crumb nimmt sich Musiklegende Jimi Hendrix vor. Dass man den musikalischen LSD-Flashback-Trip "Purple Haze" hier auf deutsch nachlesen kann, ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber nicht unlustig: Jimi Hendrix hat "lila Dunst" im Kopf und küsst "nur rasch den Himmel". Herrlich schräg. Hendrix ist einer von vielen Musik-Helden, denen Robert Crumb in "Mister Nostalgia", dem 3. Band der Robert-Crumb-Edition huldigt.
INFO: Robert Crumb „Mr. Nostalgia“. Reprodukt.29.90 €
Ein gezeichneter Fortsetzungsroman wie eine Fernsehserie: Das ist die Grundidee von Thomas Cadènes Comic "Sechs aus 49". Die Story ist simpel, was dahinter steckt, nicht. Die Jusstudentin Mathilde gewinnt gemeinsam mit einer Zufallsbekanntschaft 60 Millionen Euro im Lotto. Sie hatte gar nicht Lotto spielen wollen, der Fremde hatte sie angesprochen und nach drei Gewinnzahlen gefragt ...
INFO: "Sechs aus 49“. Thomas Cadène. schreiber & leser. 19,90 €. Acht Bände.
Vor diesem Buch muss man warnen: Es kommt harmlos daher ist und ist unfassbar grausam. Knubbelnasige, putzig anzusehende Männchen sind die Protagonisten dieses südafrikanischen Albtraums, der vom Alltagsrassismus erzählt, der mit dem Ende der Apartheid noch lange nicht vorbei ist.
INFO: „Papa in Afrika“. Anton Kannemeyer. avant-verlag. 64 S. 20,60 €.