Kultur

Gegen William Faulkner sehen alle miteinander alt aus

Man muss aufpassen, dass man nicht vor Ehrfurcht das Lesen verlernt. Was sagt man über ein Buch, das zu den wichtigsten der amerikanischen Literatur, ja, der modernen Literaturgeschichte gehört? Und das auch der erklärte Liebling seines Verfasser war: "Schall und Wahn ist dasjenige meiner Bücher, das ich am meisten liebe", sagte Literaturnobelpreisträger William Faulkner über seinen 1929 erschienenen Roman, dessen Titel an Shakespeares "Macbeth" angelehnt ist.

Anglistik-Studenten aller Welt fürchten Faulkners von James Joyce inspirierten Liebling als "sperrig". Der Verfasser der nun erschienenen Neuübersetzung, der Übersetzer und Jazzmusiker Frank Heibert, hat offenbar ein Faible für das nicht ganz Einfache: Er beschäftigte sich wissenschaftlich mit sämtlichen Übersetzungen des "Ulysses" von James Joyce.

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Die gute Nachricht: Seine Neuübersetzung hat Faulkner nicht wissenschaftlicher gemacht. Vieles bleibt sperrig, aber manchmal muss man sich einfach auf einen Text einlassen, ihn spüren. Sich von Faulkners intensivem Erzähluniversum mitsamt seiner feuchten Klebrigkeit des Mississippi durchdringen lassen, mit seinen Gefallenen, Verzweifelten – und Hoffnungsträgern. Heibert drängt Faulkners Sprache noch weiter an uns heran, macht ihn nicht zugänglicher, aber authentischer. Seine Übersetzung zeigt, wie heutig Faulkner ist: Gegen ihn sehen alle alt aus.

In inneren Monologen (Faulkner erfand den "Bewusstseinsstrom") schildert Faulkner drei Tage im Leben der an Sorgenkindern reichen Südstaatenfamilie Compson. Deren Genealogie wurde bisher dem Roman vorangestellt, bei Heibert fällt man sofort ins Geschehen: Mit dem ersten Satz ist man beim geistig behinderten Benjamin. Bisher las sich das so: "Durch den Zaun, zwischen den krausen Lücken der Blumen hindurch, konnte ich sie schlagen sehen."

Bei Heibert klingt das so: "Die waren am Schlagen, das hab ich gesehen, durch den Zaun zwischen den Stellen mit den Rankblumen."

Das sitzt!

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