Kultur

Joan Baez in Wien: Wichtige und wütende Worte zum Weltenlauf

Ja, sie hat noch immer eine Botschaft. Ja, sie ist immer noch wütend, wenn es um die Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten auf unserem Planeten geht. Und ja, ihre Stimme ist nach wie vor wichtig, ihre Anliegen sind (diesfalls leider) von zeitloser Gültigkeit. Denn auch mit 77 Jahren singt Joan Baez gegen Diskriminierung, Ausgrenzung, Krieg oder Waffennarren an.

Das bewies die amerikanische Folklegende auch im Wiener Konzerthaus, wo sie an zwei Abenden im Rahmen ihrer „Fare Thee Well“-Tour“ Station machte. Doch „Fare Thee Well“-Tour? War das tatsächlich ein Abschied? Wenn ja, war es jedenfalls einer, bei dem Nostalgie zwar groß geschrieben wurde, der Abschiedsschmerz jedoch bewusst klein gehalten werden sollte.

Intimes Familientreffen

Und so stand Joan Baez in schwarzem Gewand und mit kurzer Silberhaar-Frisur an die 90 Minuten auf der Bühne des Konzerthauses, wechselte munter die Gitarren, wippte gelegentlich mit den Füßen und setzte auf ein extrem intimes Setting. An ihrer Seite „nur“ ihr Sohn Gabriel Harris am Schlagzeug und Dirk Powell an der Gitarre oder am Banjo, dazu manchmal als (sehr dezente) Backgroundsängerin Grace Stumberg.

Im Gepäck hatte die Pazifistin, Bürgerrechtlerin und Friedensaktivistin dabei alte Hits und neue Songs von ihrem heuer erschienen Album „Whistle Down the Wind“. Mit wenigen, netten Worten beschrieb Baez den Inhalt des jeweiligen Songs und ihr Anliegen dahinter.

Mit Woody Guthries „Deportee“ etwa erinnerte Baez an das Schicksal mexikanischer Immigranten, die im Jahr 1948 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kamen. Eine mehr als deutliche Anspielung auf die aktuelle Situation an Amerikas Grenze. Mit Bob DylansThe Times They Are A-Changin’“ wiederum prangerte sie die so mächtige Waffenlobby und deren Mitschuld an diversen Amokläufen an. Und mit Kris Kristoffersons „Me and Bobby McGee“ erinnerte Baez an die große Janis Joplin und naturgemäß an Woodstock. Ja, ja, lang ist’s her…

Zärtlicher Rückblick

Dass Baez’ Klassiker wie „Farewell Angelina“, „Diamonds and Rust“ oder „Donna, Donna“ ein angenehmes Gefühl von Nostalgie weckten, passte dazu gut ins Bild. Dass aber auch neue Songs wie Zoe Mulfords „The President Sang Amazing Grace“ unfassbar viel Kraft haben, stimmte sehr zuversichtlich. Denn bei dieser Hymne an Ex-US-Präsident Barack Obama (und der damit verbundenen Donald-Trump-Schelte) war Joan Baez ganz in ihrem Element. Da war sie wieder, diese so wichtige Wut.

Die wurde auch spürbar bei „Sag mir wo die Blumen sind“ – Baez sang diese Anti-Kriegs-Hymne auf Deutsch, mit schönem, amerikanischen Akzent und indirekten Grüßen an Marlene Dietrich. Auch das berühmte Abendlied „Der Mond ist aufgegangen“ durfte als Verbeugung vor dem deutschsprachigen Publikum gelten.

Dass Baez im Zusammenhang mit Europa die „Immigrationspolitik“ des türkischen Despoten am Bosporus lobte, war wohl einem kleinen kulturellen Missverständnis geschuldet.

Egal. In all ihren Botschaften ist Baez authentisch; ihre Fans nehmen sie dankbar auf. Nur die Adressaten, die hören leider ohnehin nicht zu.