Kultur

"Floh im Ohr": Wenn die Mietzekatze schnurrt

Tür auf, Tür zu – nach diesem Prinzip funktionieren die meisten der großartigen Komödien von Georges Feydeau. Und auch im Wiener Volkstheater gehen die Türen flott auf und zu, drehen sich fröhlich die Betten im Stundenhotel "Zur zärtlichen Mietzekatze", ist irgendwie jeder zur falschen Zeit am falschen Ort, feiert das Chaos fröhliche Urstände.

Seitensprünge

Denn Regisseur Stephan Müller bringt Georges Feydeaus "Floh im Ohr" als grell-bunten Slapstick mit stark sexuellen Untertönen auf die Bühne. Worum es geht? Um angebliche oder geplante Seitensprünge, um recht irrwitzige Verwechslungen und um den feinen Herren Chandebise, der in dem Bordell-Angestellten Poche sein alkoholgetränktes, dümmliches Alter Ego findet. Ein Bäumchen-Wechsel-Dich-Spiel, der Extraklasse, das Regisseur Stephan Müller in der längst etablierten und guten Übersetzung von Elfriede Jelinek zu allerlei Gedankenspielen veranlasst.

Sigmund Freud

Die verborgenen Gelüste der ach so noblen Spießergesellschaft, die dunklen, erotischen Träume, die Triebhaftigkeit und sogar das Freudsche Unterbewusstsein werden in dieser Inszenierung in plakativer Manier virtuos abgehandelt. Siegfried E. Mayer hat dafür eine Bühnen-Türwand und – im Fall des Stundenhotels – eine begehbare Treppenkonstruktion samt Bettenlager errichtet. Zeitlich feiern Föhnfrisuren, Schulterpolster (Kostüme: Carla Caminati) und die frühen 80er-Jahre ein munteres Revival. Das ist stimmig und funktioniert auch.

Denn Müller dreht fröhlich an der Temposchraube, nicht immer kommen da alle Darsteller auch mit. So ist etwa Till Firit als blass-braver Monsieur Chandebise weitaus glaubhafter, denn als tapsiger Trunkenbold Poche. So darf Susa Meyer als dessen eifersüchtige, dabei selbst einer amourösen Affäre nicht abgeneigte Gattin Raymonde nach Herzenslust eine wunderbar überdrehte Schachtel spielen. Ganz im Stil des Klassikers "Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs".

Und auch Matthias Mamedof bedient als mit einem Sprachfehler behafteter, umtriebiger Camille jedes Komödien-Klischee perfekt. Als Sado-Maso-Spielen zugetaner ("Ohne Leid kein Freud") Dr. Finache erinnert Roman Schmelzer gekonnt und sogar mit Zwischentönen an den Begründer der Psychoanalyse. Toll agiert Martina Stilp als wunderbar, aber nie zu sehr überdrehte Lucienne Homenides de Histangua.

Stereotypen

Ronald Kuste liefert als deren doch recht schießwütiger Ehemann Carlos eine Karikatur auf "Django Unchained" ab, Alexander Lhotzky gibt einen ehrenwerten Puff-Besitzer aus der Wiener Vorstadt. Patrick O. Beck ist als Chandebises bester Freund Romain ein sehr glaubhafter Mann für jede Jahreszeit. In kleineren Rollen entsprechen Andrea Bröderbauer, Jan Sabo, Stefan Bernhard, Erwin Ebenbauer und Fanny Krausz jenen Stereotypen, die sie zu spielen haben.

Alles gut also im Volkstheater, das nun auch offiziell generalsaniert werden soll? Nicht ganz. Denn viele einzelne Teile machen noch kein großes Ganzes. Immer wieder erscheint das Komödienwerkl ziemlich platt und allzu seicht. Einige Pointen zünden furios, andere wiederum implodieren gnadenlos.

Und der so bemühte Spagat zwischen Psychoanalyse und Schenkelklopfer-Humor geht sich auch nur bedingt aus. Heiter ist das dennoch.

KURIER-Wertung: