Kultur

Filme retten, bevor es zu spät ist

Film ist fragiles Material. Die Zeit setzt ihm zu. Zelluloid nützt sich ab, Farbe beginnt zu verblassen. Große Teile des Stummfilmkinos sind heute bereits verloren.

Für den US-Regiemeister Martin Scorsese wurde die Einsicht immer zwingender: Das Kino beziehungsweise sein Trägermaterial, der Film, läuft Gefahr zu verschwinden. Für immer.

Um diesen Verlust der Filmgeschichte zu verhindern, gründete Scorsese 1990 "The Film Foundation". Diese Stiftung – in deren Vorstand Regisseure wie Steven Spielberg, Robert Redford, George Lucas oder Francis Ford Coppola sitzen – macht es sich zur Aufgabe, Filme zu restaurieren und zu bewahren. Bis heute hat die Film Foundation über 640 Arbeiten gerettet – von Hollywood-Klassikern über Avantgarde-Filme bis hin zu Home Movies.

Das österreichische Filmmuseum, das heuer sein 50-Jahr-Jubiläum feiert, begeht bei dieser Gelegenheit auch gleich das 25-jährige Bestehen von Scorseses Film Foundation. Anlässlich dessen wird eine Auswahl von 48 Filmen gezeigt: "American Cinema Restored. A Tribute to Martin Scorsese’s Film Foundation" (bis 8. Jänner) bietet glanzvoll restaurierte Filmkopien aus der Hochblüte des klassischen US-Kinos zwischen 1928 bis 1963.

Zur Eröffnung der Schau reiste Martin Scorsese zwar nicht selbst nach Wien, schickte aber eine Grußbotschaft (die man auf der Webseite des Filmmuseums abrufen kann): Darin bedankt sich Scorsese für die Honorierung seiner Restaurierungsarbeiten und verspricht dem Publikum der Retrospektive Filme, "mit denen ich aufgewachsen bin und die mein eigenes Filmschaffen zutiefst beeinflussten."

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Dazu zählen längst kanonisierte Bravourstücke wie beispielsweise Charles Laughtons einzige Regiearbeit, "The Night of the Hunter" ("Die Nacht des Jägers", 1955). Unvergesslich, wie ein gruseliger Robert Mitchum als singender Wanderprediger durch die Lande zieht und sich an Shelley Winters als Witwe mit zwei Kindern heran macht. "Love" und "Hate" hat sich Mitchum auf die Finger tätowiert, doch Tod bringt er den ahnungslosen Menschen.

Großartig auch Joseph Cotton, Held aus "Der dritte Mann", in Alfred Hitchcocks blendendem Schwarz-Weiß-Thriller "Shadow of a Doubt" ("Im Schatten des Zweifels", 1943): Cotten spielt darin "Uncle Charlie", einen vampirhaften Witwenmörder, der bei seiner Schwester in der Kleinstadt Unterschlupf sucht. Seine Nichte Charlie – nach ihrem geliebten Onkel benannt – blickt bewundernd zu ihm auf. Bis ihr langsam dämmert, dass Uncle Charlie Übles im Schilde führt, hat man sich längst alle Nägel abgekaut.

Hemingway

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Die Wiederentdeckung eines vernachlässigten Meisterwerks bietet Scorseses restaurierte Fassung von Michael Curtiz’ "The Breaking Point". Die Verfilmung dieses Hemingway-Stoffes wurde vor allem durch Howard Hawks "To Have and Have Not" mit Bogart-Bacall berühmt; doch Curtiz’ souveränes Regiestück mit John Garfield in der Hauptrolle bleibt seiner literarischen Vorlage viel näher.
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"American Cinema Restored" bietet Raritäten wie Kenneth Angers traumtänzerischen Schwulenklassiker "Fireworks" von 1947; Komödien-Klassiker wie Frank Capras Glanzstück "It Happened One Night" mit Clark Gable und Claudette Colbert; oderweltbekannte Prestige-Werke wie "All About Eve" (1950) von Joseph L. Mankiewicz mit Bette Davis.

Vielleicht hat man einen Film wie "Alles über Eva" ja sogar schon öfters gesehen – aber wohl kaum in einer strahlenden 35-mm-Fassung im Kino.