"Feig": Museen wegen Ausstellungs-Verschiebung in der Kritik
Von Michael Huber
Sein unkonventioneller Stil ist längst in den Kanon der Kunstgeschichte eingegangen, sein Werk weltweit etabliert. Dennoch wollten vier renommierte Museen - die National Gallery of Art in Washington, D.C., die Tate Modern in London, das Museum of Fine Arts in Boston und das Museum of Fine Arts in Houston/Texas - ihrem Publikum keine Retrospektive des US-amerikanischen Malers Philip Guston (1913 - 1980) zumuten.
Denn Guston verwendete in seinen Bildern häufig Figuren, die Mützen des Ku-Klux-Klan, der rassistischen, terroristischen Bewegung in den USA, trugen. Die globale Black-Lives-Matter-Bewegung und die Gesundheitskrise habe "uns zu einer Pause bewogen", schrieben die Direktoren der vier Häuser. "Es ist nötig, unsere Programmierung zu überdenken und neue Perspektiven einzubringen, um Gustons Werk zu präsentieren. Dieser Prozess wird Zeit brauchen". Die Retrospektive würde also nicht vor 2024 in den vier Häusern zu sehen sein.
Dass die Klan-Mützen tatsächlich der zentrale Punkt der Verschiebung waren, wurde im Nachhinein mehreren Medien bestätigt.
Unzumutbare Mützen
Dabei steht es außer Frage, dass Guston nie rassistische Standpunkte vertrat oder gar mit dem Klan sympathisierte. Die Tochter und Nachlassverwalterin Gustons, Musa Mayer, erklärte gegenüber Artnet sogar, ihr Vater habe mit den Figuren Amerika einen Spiegel vorhalten wollen: "Er legte die Banalität des Bösen und den systemischen Rassismus offen, mit dem wir uns heute noch auseinandersetzen." Tatsächlich sind die Klan-Männchen in Gustons Bildern eher Witzfiguren, sie rauchen, malen, trinken oder fahren Auto und werden so auf eine "alltägliche" Dimension heruntergeholt, wenngleich ihr tatsächlicher Bedeutungsgehalt oft rätselhaft bleibt.
Dass eine solche Bedeutungsoffenheit dem Kunstpublikum nicht zugemutet wird, sorgt nun für heftige Kritik in Kunstkreisen - ist doch gerade die Vieldeutigkeit ein zentrales Element (nicht nur) zeitgenössischer Kunst. Selbst der Kurator Mark Godfrey, der die Ausstellung in der Tate Modern hätte betreuen sollen, nannte die Entscheidung "extrem bevormundend". Robert Storr, ein Biograf Gustons, nannte sie "einen Betrug an der Kunst, dem Künstler und dem Publikum". Der Kunsthistoriker Darby English sprach in der New York Times von einem "feigen Akt".
Doch die Verantwortlichen wollten offenbar einen zweiten "Fall Dana Schutz" vermeiden. Die (weiße) Künstlerin war 2017 heftig angegriffen worden, weil sie auf der Whitney-Biennale ein Gemälde präsentiert hatte, das Emmett Till, ein afroamerikanisches Opfer eines brutalen Lynching-Akts, zeigte. Kritiker warfen ihr vor, als sich als Weiße eine Tragödie des schwarzen Amerika für den eigenen Proft angeeignet zu haben. Der Fall half mit, die Debatte um "kulturelle Aneignung" und "Identitätspolitik" anzustoßen, die mittlerweile weite Teile des Kulturdiskurses, nicht nur in den USA bestimmt - und die immer wieder die Frage aufruft, wer zu bestimmen hat, welche Zensurmaßnahmen nötig und welche ungerechtfertigt sind.