Kultur

Erst die Arbeit, dann die Liebe

Anna Netrebko und Erwin Schrott, Angela Gheorghiu und Roberto Alagna, Elina Garanča und Karel Mark Chichon – Künstlerehepaare sind in der Musikwelt keine Seltenheit. Aber: „Es ist nicht immer leicht, das alles unter einen Hut zu bringen“, betonen die Sopranistin Kristine Opolais und Dirigent Andris Nelsons unisono. „Dabei haben wir jetzt Glück und sind beide in Wien“, sagt Nelsons.

Der Grund: Der Dirigent leitet im Haus am Ring eine Spielserie von Tschaikowskys „Eugen Onegin“ (mit Anna Netrebko) sowie eine weitere Aufführungsserie (ab heute, Freitag) von Puccinis „La Bohème“. Gattin Kristine war in VerdisSimon Boccanegra“ konzertant an der Seite von Thomas Hampson zu erleben; in der „Bohème“ singt sie wieder die Mimì.

Keine Küsse

Erleichtern gemeinsame Auftritte die Arbeit? „Wir begegnen einander in der Oper wie Kollegen auf Augenhöhe, nicht wie ein ständig küssendes Ehepaar“, sagt Opolais, die auf dem Weg zu einer großen Karriere ist. Andris Nelsons ergänzt: „Der Vorteil ist der, dass wir einander als Kollegen, als Künstler kennen- und schätzen gelernt haben. Erst kam also die Arbeit, dann die Liebe.“

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Opolais: „Natürlich ist es eine Freude, mit Andris zu arbeiten, denn ich kenne seine Vorstellungen von Musik ja in- und auswendig. Sie sind den meinen extrem nahe. Leider gibt es ja nicht viele Möglichkeiten für gemeinsame Engagements. Andris dirigiert als Chef des City of Birmingham Symphony Orchestra viel symphonisches Repertoire und viel Wagner oder schweren Verdi. Da bin ich stimmlich noch nicht. Nur bei Puccini finden wir künstlerisch zueinander.“

Hehres Heiligtum

Aber, so die gebürtige Lettin: „Ich denke, dass meine Stimme eines Tages in die Richtung von Verdi und Wagner gehen wird. ,Boccanegra‘ war schon ein Anfang. Obwohl ganz ehrlich: Mit Wagner tue ich mir schwerer. Andris liebt ihn über alles. Das kann ich nicht so ganz verstehen.“ Nelsons: „Wagner ist ein Gigant. Als ich erstmals in Bayreuth dirigieren durfte, habe ich diese Aura, die Magie dieses Ortes sofort geliebt. Bayreuth ist einzigartig und für uns Wagnerianer fast heilig. Opolais erwidert lachend: „Und erst dieses für die Schuhe so tolle Kopfsteinpflaster!“

2016 werden die Schuhe der Sopranistin wohl wieder auf eine harte Probe gestellt. dann nämlich dirigiert Nelsons in Bayreuth Wagners „Parsifal“. Regie führt der oft kontroversiell aufgenommene Künstler Jonathan Meese. Nelsons: „Ich freue mich darauf, vor allem auf den Grünen Hügel. Auf Meeses Konzept bin ich schon gespannt.“

Reizwort Regie

Opolais: „Da hast du es als Dirigent leichter. Als Sängerin erlebt man mit einigen Regisseuren auch seltsame Sachen. Ich habe wirklich nichts gegen moderne Inszenierungen. Aber wenn ein Regisseur mit aller Gewalt irgendein Konzept über ein Werk drüberstülpen will, finde ich das nicht gut. Außer, er kann mir das Wie, Was und Warum erklären. Dann bin ich bereit, vieles mitzumachen.“

Auch eine Übersiedelung nach Berlin, sollte Nelsons neuer Chefdirigent der Berliner Philharmoniker und damit Nachfolger Simon Rattles werden? Opolais: „Ich will mit unserer Tochter immer in Andris’ Nähe zu sein. Egal, wo er gerade dirigiert.“ Nelsons: „Ich fühle mich geehrt, dass mein Name in dieser Diskussion überhaupt genannt wird. Ich bin sicher, die Berliner werden eine für sie gute Entscheidung treffen. Man muss nicht immer Chef sein, um glücklich zu werden.“