Kultur

Erotik-Farce im Burgtheater

Im Programmheft wird über Woody Allens Stück „Eine Mittsommernachts-Sex-Komödie“ Folgendes gesagt: Es verbinde als „listige Landpartie und prächtige Pastorale eine luftige Ode an die Natur, Mendelssohns musikalische Romantik, die bukolische Burleske in der Fiebrigen Fauna und Flora einer ausgelassenen Wald- und Wiesen-Rabulistik, die Magie der Laterna Magica, die lustigen libidinösen Lockerungen von drei Paaren und die Personen-Konstellationen französischer Farcen zu einem kunstvollen, poetischen, freien, heiteren und spielerisch leichten Meisterwerk“.

Wer diesen Satz fehlerfrei aufsagen kann und außerdem weiß, was er bedeutet, gewinnt eine handsignierte Neurose von Woody Allen.

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Entfesselte Blätter

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Worum es in diesem entzückenden Stück geht, lässt sich viel leichter mit den Worten Loriots sagen: „Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen.“

Es ist der einzige Vorwurf, den man dieser handwerklich ausgezeichneten, heiteren Inszenierung von Burg-Direktor Matthias Hartmann machen kann: Dass sie versucht, die Handlung mit Bedeutung aufzuladen, anstatt einfach in Woody Allens galgenhumoriges Lachen über die Farce namens Leben einzustimmen.

Auf dem Lande treffen einander drei Paare, Stadtmenschen, die angesichts der wuchernden Natur (Stéphane Laimes herrliches Bühnenbild besteht fast nur aus entfesselt sprießenden Blättern) sofort die Contenance und Teile der Oberbekleidung verlieren. Es entwickelt sich ein wildes erotisches Durcheinander, in dem Liebe ein Anlass für stümperhafte Selbstmordversuche und Sex entweder pein- oder tödlich ist.

Michael Maertens als schrulliger Hobby-Erfinder Andrew, der verlernt hat, mit seiner Frau zu schlafen, zappelt und greint und fliegt mit dem Fahrrad über die Bühne: Eine typische Maertens-Figur, wie man sie schon oft gesehen hat und trotzdem immer wieder gern sieht – knapp an der Knallcharge gebaut und dann doch wieder zutiefst berührend. Wie macht der Kerl das?

Dorothee Hartinger als Andrews frustrierte Ehefrau geht daneben unter, was schade ist, denn ihre Darstellung ist wunderbar zart. Was Sunnyi Melles in der Rolle des freizügigen Luftwesens Ariel aufführt, würde bei jeder anderen als freche Outrage gewertet, bei ihr sieht man einfach nur verblüfft zu. Roland Koch zeichnet den plötzlich an der Liebe erkrankten Frauenhelden Maxwell als herrliches Testosteronbündel am Rande der Hysterie. Martin Schwab wirkt in der Rolle des in seine eigene Vernunft verliebten Wissenschaftlers Leopold ein wenig unterfordert. Liliane Amuat gibt als Sex-Krankenschwester Dulcy eine schöne Talentprobe ab.

Bei der Premiere gab es erstaunlich viele Text-Pannen – die Form der schnellen Boulevard-Komödie sind die offenbar nicht gewohnt.

Das Publikum applaudiert herzlich, während draußen der Silvester-Irrsinn tobt. Wie heißt es im Stück? „Hat er Probleme mit dem Alkohol?“ – „Nein, er trinkt nur zu viel.“

Fazit: Die große Maertens-Show

Stück: Ein typischer Woody-Allen-Text: Einerseits handwerklich perfekte Boulevard-Komödie, andererseits voll weiser Erkenntnisse über das seltsame Wesen der Menschen und die Pannenanfälligkeit der Liebe.

Inszenierung: Poetisch, heiter, mit einer teilweise fast drollig wirkenden Neigung, das Geschehen burgtheatergemäß mit Bedeutung aufzuladen.

Spiel: Von einigen Stolperern beim Text abgesehen makellos. Maertens und Melles ziehen die ganz große Show ab.

KURIER-Wertung: **** von *****