Eric Pleskow verstarb 95-jährig: „Das ist alles vorbei. Leider.“
Von Alexandra Seibel
Im April des heurigen Jahres feierte Eric Pleskow seinen 95. Geburtstag und versprach, als Nächstes seinen 100er anzupeilen. Dieses Versprechen konnte er nicht mehr halten. Eric Pleskow, einst mächtiger Chef einflussreicher Filmstudios in Hollywood und lange Präsident der Viennale, ist Dienstag in Westport, Connecticut verstorben.
Mit ihm verliert das Filmgeschäft einen Mann, der mit seinem Unternehmungsgeist und seiner Innovationslust Meilensteine der Filmgeschichte gesetzt hat. Unter seiner Ägide entstand nicht nur die legendäre James-Bond-Serie, sondern Meisterwerke des Kinos wie „Der Stadtneurotiker“, „Einer flog über das Kuckucksnest“, „Das Schweigen der Lämmer“ oder „Terminator“. Er gewann insgesamt 14 Oscars.
Wer Eric Pleskow beim Sprechen zuhörte, dem fielen vor allem zwei Dinge auf: Sein unglaublich treffsicherer, trockener Witz – etwa, wenn er als Präsident der Viennale das Publikum mit seinen heiteren Grußbotschaften vor Lachen vom Sessel riss. Und sein leicht wienerischer Akzent.
Eric Pleskow wurde am 24. April 1924 in eine jüdische Familie in Wien geboren und verbrachte seine ersten Lebensjahre in der Porzellangasse am Alsergrund. Im Alter von 15 konnte er gerade noch rechtzeitig mit seinen Eltern vor dem Nazi-Regime über Frankreich nach New York flüchten. Dort bekam er eine Stelle als Assistent bei einem Filmemacher, der ihm Filmschnitt beibrachte. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde er vom US-Militär zum Intelligence Officer ausgebildet und nach München geschickt, um dort als Filmoffizier für Bayern die Produktionen aus der Nazi-Ära nach Propaganda-Machwerken zu durchforsten. Danach wurde er mit dem Wiederaufbau der „Bavaria“-Filmstudios beauftragt.
Billy Wilder, von dem Pleskow gerne als „Wilder“ mit i (und nicht mit amerikanischem „ei“) sprach, setzte seinem Freund in seiner Komödie „Eins, Zwei , Drei“ ein Denkmal in Form von James Cagney, der darin Pleskows forschen Tonfall parodierte.
Unter Eric Pleskows Federführung bei United Artists und später bei Orion Pictures wurden auch erstmals amerikanische Gelder in nicht-englischsprachige Filme investiert. Davon profitierten europäische Regisseure wie Fellini, Bertolucci, Pasolini oder Truffaut: Es entstanden Glanzstücke wie „1900“, „Die 120 Tage von Sodom“ oder „Der letzte Tango in Paris“.
„,Der letze Tango‘ war ein großer Skandal“, erinnerte sich Pleskow im KURIER-Interview auf seine gewohnt lakonische Weise: „Zuerst haben sich alle wahnsinnig aufgeregt – wegen der Kirche und so weiter. Dann wurde der Film ein riesiges Geschäft und zum Kunstwerk erklärt. Und alles war wieder gut.“
Distanz
Gar nicht wieder gut war lange Zeit das Verhältnis des vertriebenen Ex-Wieners zu seiner Heimatstadt, zu der er Distanz hielt: „Es war Gabi Flossmann (Kulturjournalistin, damals beim ORF, heute KURIER), die mich überredet hat, wieder hierher zu kommen“, erzählte Pleskow: „Es gab eine neue Generation, und ich glaube nicht an Sippenhaftung. Das Wien von damals gibt es für mich nicht mehr. Aber ich lebe nicht in der Vergangenheit.“
1998 übernahm Eric Pleskow die Präsidentschaft der Viennale, 2007 wurde er Ehrenbürger der Stadt Wien, 2009 erhielt er das Große Ehrenzeichen für die Verdienste um die Republik Österreich und 2019 den Goldenen Rathausmann.
„Unlängst habe ich mir durch Zufall ,Ninotschka‘ (mit Greta Garbo, Anm.) angesehen“, sagte Eric Pleskow bei seinem letzten Wien-Besuch 2015 und er klang plötzlich ungewohnt traurig:„,Ninotschka‘ von Ernst Lubitsch. Drehbuch von Billy Wilder und Walter Reisch, mit Felix Bressart – alles deutsche oder österreichische Juden. Ein toller Film. Aber das ist alles vorbei. Leider.“