Kultur

Eine Reise zu Netflix: Wie man die Welt unterhält

Netflix hat Probleme, von denen der Rest der Welt nicht einmal weiß, dass es sie gibt.

Etwa der weiße Hintergrund im Logo, der die Seher unangenehm anstrahlen hätte können. Oder rund 40 Punkte, die in der Audiospur nachträglich hin- und hergeschoben werden, um das maximale Hörerlebnis zu garantieren. Oder aber neue Elefanten in der Arena, die gefährlich werden könnten. Oder scheitern.

Netflix, das ist der wegweisende Hybrid einer Tech- und einer Produktionsfirma, der vor zwölf Jahren zur Streaming-Revolution blies und seither seine Führungsposition verteidigt.

1997 verlieh man von Los Gatos aus DVDs per Post, zehn Jahre später stieg das Unternehmen in den nicht existierenden Streamingmarkt ein. Heute ist der Markenname ein Synonym für jenen Verbreitungsweg, der immer noch so neu ist, dass er für den Rest der Entertainmentbranche ein Zukunftsversprechen enthält. Klebestreifen heißen Tesa oder Tixo, Video-On-Demanddienstleister heißen „Netflix & Co“.

Willkommen in L. A.

Zu Beginn der Woche lud der Streaminggigant in seine Niederlassung in Los Angeles zu den Labs Days, einer Veranstaltung für ausgewählte Medien aus den USA und Übersee: Rund 70 Journalisten aus 32 Ländern wurden auf Firmenkosten eingeflogen und durch Workshops, Vorträge und Interviews geschleust.

Als österreichisches Medium war der KURIER dabei.

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Die Elefanten kommen

Es ist ein guter Zeitpunkt, über Netflix zu schreiben: Es wird im Laufe des Jahres ein Stück enger am Streamingmarkt. Schuld sind die eingangs erwähnten Elefanten: Disney hat Fox mitsamt dessen umfangreichem Rechtekataloges übernommen und startet noch heuer ein eigenes Angebot. Ob der Entertainmentgigant das schaffen wird, hängt zu einem guten Teil davon ab, ob man Netflix’ technischem Knowhow-Vorsprung und dem ausgeprägten Hang zur Exzellenz nachhüpfen kann. Und ob der bisherige Platzhirsch aus dem Silicon Valley in der Film- und Serienproduktion genug Erfahrung gesammelt hat, um den alteingesessenen Konglomeraten die Stirn zu bieten, während diese ihre Inhalte künftig selbst vertreiben.

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Die fünf Prozent...

Viel ist an den Lab Days von den fünf Prozent die Rede: „Nur fünf Prozent der Weltbevölkerung haben Englisch als Muttersprache“, erklärt Netflix-Produktmanager Greg Peters zur Begrüßung. Der Rest der Welt soll aber auch glückliche – und zahlende – Kundschaft werden. Die Börse schaut schließlich zu: „Die Aktie von Netflix hat zwischen März 2009 und März 2019 rund 6.500 Prozent zugelegt“, sagt Unicredit-Bank-Austria-Chefanalystin Monika Rosen. Amazon, von den Anlegern auch nicht gerade unterbewertet, hat im gleichen Zeitraum nur 2.600 Prozent geschafft. Allerdings: „Der gigantische Vorsprung, den Netflix gegenüber der Konkurrenz hatte, droht heuer zu schrumpfen“, weil die Konkurrenz den Marktplatz betritt. Rosen: „Der Umsatz von Netflix ist voriges Jahr um 35 Prozent gestiegen; für 2020, also nächstes Jahr, erwarten die Analysten nur mehr 24 Prozent. „Das ist zwar natürlich eine tolle Zuwachsrate, aber der Trend geht nach unten.“ Soweit die Analystin.

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Hit aus dem kleinen Büro

Netflix muss künftig ohne Inhalte von Disney auskommen, das noch dazu das Kino- und TV-Archiv von Fox erworben hat. Also wird selbst gekurbelt. 2900 der rund 7000 Mitarbeiter arbeiten mittlerweile in der Niederlassung in Los Angeles – in Sichtweite des Hollywood-Zeichens. Zahlreiche Größen der Entertainmentbranche gehen aus und ein oder werden ganz angeworben, darunter Kapazunder wie „Grey’s Anatomy“-Schöpferin Shonda Rhimes oder Chris Nee, die für Disney erfolgreiche Kinderserien wie „Doc McStuffins“ erfand. Sie alle arbeiten in erstaunlich kleinen Büros am hoffentlich nächsten großen Hit.

Dazu kommt die erwähnte Internationalisierung: Lokale Produktionen, wie etwa das deutsche „Stranger Things“-Pendant „Dark“, rücken immer mehr in den Fokus. Auch die spanische Produktionen „Haus des Geldes“ und „Elite“ wurden zu internationalen Serien – ebenso wie das britische „Sex Education“. Netflix produziert in 30 Ländern eigene Filme und Serien. Das ist eine sehr steile Kurve für eine Firma, die erst vor sechs Jahren mit „House of Cards“ ihre erste Erfolgsserie auf den Markt gebracht hat.

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In die weite Welt

Eine Antwort, die Netflix auf die Konkurrenz fand, ist Internationalisierung. Das Service ist aktuell in 27 Sprachen verfügbar – in unterschiedlichen Schattierungen: Die Bandbreite reicht von Untertitelungen bis Synchronisation oder Eigenproduktionen aus den Herkunftsländern der Seher.

Die können aus Deutschland kommen, aus dem Subkontinent Indien oder aus Korea. Das hat für den Konzern zwei Vorteile: Globale Hits kommen nicht mehr ausschließlich aus Hollywood. Und die Kunden werden mit möglichst viel individuell auf sie zugeschnittenen Inhalten verwöhnt. Wie diese Optimierung funktioniert, verrät viel über die Perfektionslust der Firma: Die Vorschaubilder, mit denen Netflix seine Produktionen in der Übersichtsgrafik anzeigt, werden umfangreich variiert, unterstützt von Linguisten und Übersetzern.

Das Team für „Globalization“ spricht 36 Sprachen und übersetzt Titel erfolgreicher Serien so, dass sie für den Zielmarkt funktionieren. Und an den Vorschaubildern wird solange gebastelt, bis etwa eine Zombieserie mit romantischen Elementen über beide Bilder verfügt: Wer auf Monster steht, bekommt diese gezeigt, wer auf Liebesfilme baut, würde vielleicht eher eine innige Umarmung anklicken.

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Vorsprung durch Technik

Was Netflix der Konkurrenz auch voraus hat: Der Konzern ist tief im Silicon Valley verwurzelt und versteht sich daher auf Technologieentwicklung . In Kooperation mit Sony entwarf Netflix etwa einen Fernseher, dessen Bildeinstellungen sich an das Original am Studiomonitor anpassen lassen.

Mit Dolby arbeitet man am Klangerlebnis für zu Hause: Das Soundsystem Dolby Atmos lässt vergleichsweise kostengünstig räumlichen Sound entstehen, den man sonst nur im Kino bekäme (auch Konkurrent Amazon verwendet das Verfahren). Und die Produktionslandschaft bekam eine eigene Software spendiert.

Es gibt immer Lektionen für Tech-Unternehmen. Das weiß auch Netflix-Gründer und CEO Reed Hastings. Was er zur Konkurrenz sagt? „Die wichtigste Herausforderung ist es, nicht zu sehr abgelenkt zu werden, aber trotzdem etwas zu lernen.“ Und penibel zu bleiben.

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