Kultur

Eine Kleine mit langen Beinen, ein Schlitten, der was hermacht

Es war sehr verwirrend für die Leute, zu sehen, wie man sich damals benommen hat", erinnert sich "Mad Men"-Autor Matthew Weiner in der aktuellen Ausgabe der amerikanischen Elle anlässlich des Starts der letzten Staffel der Serie in den USA. "Mad Men" erzählt von Aufstieg einer New Yorker Werbeagentur ab den 50ern und deren brillantem Leitwolf Don Draper, notorischer Womanizer mit Hang zum Selbstzerstörerischen. Frauen haben in dieser Welt ihren Platz in der Küche, im Bett oder als Vorzimmerdame. Sollten sie Karriere machen wollen, enden sie als verbissene Psychos ohne Privatleben. Weiner wollte mit diesen Schilderungen ein Zeitdokument abliefern, wurde jedoch missverstanden und mit dem Vorwurf des Sexismus konfrontiert. Tatsächlich gab es Applaus aus der falschen Ecke, wo man sich an die guten alten Zeiten erinnerte, in denen man seiner Sekretärin ungestraft den Hintern tätscheln durfte.

Schwerenöter

Wie recht Weiner mit seiner Gesellschaftsanalyse hatte, zeigt der nun erstmals auf Deutsch verlegte Roman "Alfie" von Bill Naughton. Die Originalausgabe erschien 1966 in England und wurde vom Guardian seinerzeit als "beste Männergeschichte aller Zeiten" gefeiert. Ursprünglich ein Hörspiel namens "Alfie Elkins and His Little Life", handelt das Buch von einem Schwerenöter aus einfachen Verhältnissen, dessen Lebensinhalte Affären und "ein Schlitten, der was hermacht" sind. Die Story um den Londoner Casanova wurde 1966 unter dem Titel "Der Verführer läßt schön grüßen" verfilmt und durch Hauptdarsteller Michael Caine zum Klassiker. In der Verfilmung mit Jude Law aus dem Jahr 2004 wird der rasante Frauenverbrauch des Sixties-Charmeurs nicht mehr ungebrochen dargestellt, denn schließlich war die politische Correctness längst erfunden. Hier ging’s also ums Sinnsuchen.

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In Naughtons schnoddriger Vorlage darf sich Alfie ungehemmt austoben: Er pendelt zwischen Frauen namens "Schätzchen" und "Kleine", lässt emotionale Bindungen nur zu seinem marineblauen Anzug und zu seinem superschicken Ford zu. Zwischendurch richtet er sich mit guten Ratschlägen an den Leser: "Bei Frauen ist es ja nicht so wichtig, was du sagst, sondern wie du es sagst". Leider zieht Naughton die Verdorbenheit nicht durch, denn am Ende hat Alfie doch so was wie ein Herz und wird, moralinsauer, vom Leben bestraft. Einsam kommt er zur Erkenntnis: "Das Blöde im Leben ist, dass du mit keinem reden kannst". Ein vergnüglich zu lesendes Zeitdokument, das seinen Ruhm aber zweifellos Michael Caine verdankt.

KURIER-Wertung:

INFO: Bill Naughton, „Alfie“. Übersetzt von Marcus Gärtner, Kathrin Passig. Rowohlt. 302 Seiten. 11,30 Euro.