Kultur

"Eine Geschichte von Liebe und Finsternis": Der Tod ist ein Geliebter in Schwarz

Kein Arzt kann helfen. Die Kopfschmerzen werden stärker, die Schlaflosigkeit nimmt zu. Bleich sitzt die junge Frau in ihrem Lehnstuhl, während das Leben aus ihren Wangen weicht. Ihr Mann ist ratlos, der kleine Sohn angstvoll. Alle müssen zur Kenntnis nehmen: Die Depression ist als neues Familienmitglied fix eingezogen.

Nathalie Portman hat es sich nicht leicht gemacht. Die israelisch-amerikanische Oscarpreisträgerin ("Black Swan"), der wir seit ihrer ersten Filmrolle in Luc Bessons "Léon – Der Profi" beim Aufwachsen zugesehen haben, wählte für ihr Regiedebut Amos Oz’ sprachgewaltigen autobiografischen Roman "Eine Geschichte von Liebe und Finsternis". Und spielte die Hauptrolle, nachdem sie ihr Hebräisch aufpoliert hatte, gleich selbst. Letzteres war nicht geplant, wurde aber notwendig, um die Finanzierung zu garantieren. Trotzdem – oder vielleicht auch deswegen, scheitert Portmans melancholisches Herzensprojekt an der eigenen Überforderung.

Zu viel soll gleichzeitig eingelöst werden: Portman möchte die ersten Jahre nach der Gründung Israels 1947 und die unmittelbar danach ausbrechenden Kriegsszenarien in Jerusalem erzählen; und gleichzeitig dem privaten Schicksal von Amos Oz und dessen Eltern, vornehmlich der Mutter Fania, nachfühlen. Doch die beiden Erzählstränge gehen keine innige Verbindung miteinander ein, sondern bleiben in losen Episoden aneinandergefädelt.

Depression

Mit wundersamen Geschichte von schweigsamen Mönchen, ertrinkenden Frauen und selbstmörderischen Russen baut Fania für sich und ihren vifen Sohn eine düstere Märchenwelt, um der Alltagstristesse im umkämpften Jerusalem zu entkommen. In ausgebluteten fahlen Farben entfächern sich eindringliche Bilder vom tragischen Schicksal verstoßener Frauen, die sich in ihren Häusern anzünden, und verliebten Russen, die sich die Pistole an den Kopf halten. Fania mischt unter lichte Kindheitserinnerungen grausame Realitätssplitter und erzählt für den atemlos lauschenden Amos mit maximalem Spannungsbogen. Doch dann versiegt der Mutter die Quelle der Fantasie, an ihrer Stelle tritt die Depression.

Aus der kindlichen Perspektive des kleinen Oz bleibt die Versteinerung seiner Mutter rätselhaft. Und rätselhaft bleibt sie auch uns: Portman schluckt Pillen in der Größe von Euromünzen, weint in Großaufnahme und lässt sich vom Regen durchweichen. Der Tod erscheint ihr als schwarz gekleideter Geliebter in Zeitlupe – und trotzdem will sich die Wucht ihres inneren Dramas trotz angestrebtem Pathos nicht so recht übertragen. So findet man sich in der seltsamen Situation, die Trauer in ihrem Gesicht beobachten zu können, ohne sie zu spüren.

"Ein verwirklichter Traum ist ein enttäuschter Traum", sagt die Stimme des alten Amos Oz am Ende des Films. Auch auf diese Gefahr hin – Nathalie Portman hat sich ihren Traum trotzdem verwirklicht.

INFO: ISR/ USA 2015. 95 Min. Von und mit Nathalie Portman. Mit Amir Tessler, Gilad Kahana.

KURIER-Wertung:

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