Kultur

Ein "Jedermann" braucht seinen Domplatz

In Salzburg wird wieder gerufen, gerungen und letztlich doch vergeben. Denn er ist zurück, der "Jedermann" aus der Feder von Hugo von Hofmannsthal, einem der Gründungsväter der Salzburger Festspiele. Und das in der Inszenierung von Brian Mertes und Julian Crouch, die am Domplatz eine wunderbare, recht fantasievolle Gaukelei ist, die sich bei der heurigen Premiere – wetterbedingt – im Großen Festspielhaus jedoch als kleine, graue Maus entpuppte. Denn ein "Jedermann" ohne den Domplatz, das ist nur die halbe Miete.

Und zahlen will er ja, der reiche Mann, dessen aus der Zeit gefallenes "Spiel vom Sterben" alljährlich dem Publikum als (auch moralinsaure) Moritat vorgeführt wird. Er, dieser "Jedermann", der sich mit Geld und List und Lust dem Tode zu widersetzen glaubt, der letztlich im Glauben und in der Taufe (?) seinen Trost – und im Sterben seine Erlösung findet.

Fotos vom Salzburger "Jedermann"

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Doch, was am Domplatz als Behauptung auch im dritten Jahr gut funktioniert, hat es im Festspielhaus schwer. Sicher: Man sieht die Gaukler, die Masken und das von den Regisseuren Mertes und Crouch gut erdachte Spiel mit dem Spiel; für Sprechtheater ist das Festspielhaus aber nur in Notfällen geeignet.

Starker Löwe

Und das wissen auch die Darsteller, die aus einer textlich kleinen, grauen Maus einen in ganz positiver Hinsicht starken Löwen machen. Allen voran der geniale Cornelius Obonya als heutiger (ja, das geht irgendwie) Jedermann, der grandios zwischen Hybris und Demut changiert, der sich trotz großer Bühnenbreite auch in den intimen Szenen alles holt. Dieser Jedermann hat etwas zu sagen, ohne Pathos, ohne Kitsch, mit viel Wahrhaftigkeit. Obonya glaubt man sein Ringen um Liebe und Beistand mühelos. Sein Tod ist ergreifender als die aufgesetzte Läuterung.

Ähnliches gilt für Brigitte Hobmeier, die in ihrem mit 6000 Swarovsky-Steinen besetzten Kleid aus der Buhlschaft eine Frau aus Fleisch und Blut macht. Hobmeier ist – in der wichtigsten Nebenrolle der Welt – sicher kein Kleiderständer, sondern eine Künstlerin, die man sich bei einem Ibsen, Schnitzler oder Tschechow wünscht. Fabelhaft!

Als Tod darf der exzellente Peter Lohmeyer im Festspielhaus nicht seine ganze Kraft entfalten; als Mammon gönnt sich Jürgen Tarrach gewohnt perfekt die (Salzburger) Puppenkiste. Und Hans Peter Hallwachs ist ein würdiger Domstädter Glaube.

Neu im Spiel ist heuer Christoph Franken als genialer, fast kabarettistischer Teufel, der auch den Humor des Stückes sichtbar macht und munter eine Geige frisst. Sven Dolinski – auch er ein Neuzugang im Ensemble – nimmt den Guten Gesell dagegen fast eine Spur zu ernst; die Werke sind bei Johanna Bantzer püppchenhaft gut aufgehoben.

Ernsthafte Hetz

Hannes Flaschberger, Stephan Kreiss (als dicker und dünner Vetter), Fritz Egger (als Schuldknecht), Katharina Stemberger (dessen Weib) und Johannes Silberschneider (als armer Nachbar) wie auch die tollen Live-Musiker fügen sich in diese Moritat gut ein und machen sich dabei eine ernsthafte Hetz. Denn der "Jedermann" in Salzburg ist längst ein Wahrzeichen geworden. Warum auch nicht.

KURIER-Wertung:

Fazit: Und der Teufel frisst die Geige oder eine Maus, die gut brüllt

Stück Gehört zu Salzburg wie die Mozartkugeln und ist unverwüstlich.

Aufführung Grandiose Schauspieler machen am (wetterbedingt) falschen Ort alles richtig. Obonya, Hobmeier und Franken führen das Ensemble an; die Regie verpufft.