Ein Bahnhof vor der Endstation
Von Michael Huber
Auch wenn die Entfernung zur City gar nicht so groß ist, scheint hier die Stadt irgendwie zu Ende zu sein: Wer den Wiener Augarten nach Norden verlässt, beim Wirtshaus „Am Nordpol“ vorbeigeht und die Straße kreuzt, dem stellt sich das Areal des Nordwestbahnhofs wie ein Riegel in den Weg.
Tatsächlich rollen auf dem Gelände, das lange Zeit abgezäunt war, nun aber auf eigene Gefahr betretbar ist, nicht nur LKW mit Waren ein und aus: Immer wieder sieht man junge Männer und Frauen, manche mit Kopftüchern, auf das Gelände huschen, weil eine „multikulturelle Fahrschule“ hier Fahrstunden abhält. In einer unscheinbaren Halle tut sich ein unglaubliches Sammelsurium an Möbeln, Bildern und historischen Requisiten auf. Eine ältere Dame , die vermutlich noch nie den Begriff „Guerrilla Gardening“ gehört hat, pflegt seit Jahren einen kleinen Garten am Areal. Zudem bietet sich immer wieder ein toller Blick auf die Kirche am Leopoldsberg, auf den das ganze Areal ausgerichtet zu sein scheint.
Depot, Kunst und Spedition
Scheinbare „Nicht-Orte“ wie Busstationen und Raststätten haben es den beiden schon des öfteren angetan. Nun starten sie mit Unterstützung der Wiener Institution für Kunst im Öffentlichen Raum (KÖR) einen konzertierten Versuch, den Nordwestbahnhof im Gedächtnis der Wienerinnen und Wiener neu zu positionieren.
Die Lebenszeit des Bahnhofs neigt sich dem Ende zu: Seit 2008 schon gibt es ein Konzept zur Umgestaltung des Areals mit Parks, Büros und Wohnungen, wegen noch laufender Mietverträge werden aber erst frühestens 2020 die Bagger rollen. Der Stadtteil verharrt momentan in einer Schwebe zwischen einem „Nicht-Mehr“ und „Noch-Nicht“. Bei Stadtplanern und Anrainern überlagern sich Visionen und Hoffnungen mit Befürchtungen.
Geschichte zählt
Am 5. Mai fällt mit einer Grillparty der offizielle Startschuss zu dem Kunstprojekt. Danach können Besucher, die sich zuvor im Büro von Hieslmair und Zinganel mit einer Warnweste und einem Info-Folder bewaffnen, das Gelände erkunden, auch Führungen sind geplant. Manche, die sich auf den Nordwestbahnhof wagen, werden vielleicht gar keinen Kunst-Parcours brauchen, um den sonderbaren Reiz dieses Zwischen-Ortes zu erkennen.
Info: Neue Wege zum alten Bahnhof
undwww.koer.or.at.
Die Geschichtswerkstatt der Gebietsbetreuung 2/20 und der „Projektleitung Wien Bahnareale“ lädt Anrainer und Interessierte ein, Geschichten, Fotos und Dokumente zum Areal zu sammeln. Nächstes Treffen: Dienstag, 25.4., 16 Uhr, Brigittaplatz 19.
Die Stiftung TBA21, die im Augarten residiert (Scherzergasse 1 A, 1020), ist Partner bei Führungen durch das Areal. Bis 14.5. zeigt sie eine Schau von Allan Sekula, die sich ebenfalls mit globalem Transit befasst.