Kultur

Die stoische Putzfrau und der Handy-Anachronismus

Durchschnittlich kluge Menschen lernen in diesem Buch bestimmt das eine oder andere neue Fremdwort. Auch an veraltete Schreibweisen wird man hier erinnert. Zum Beispiel nennt Martin Mosebach gepolsterte Sitzmöbel gerne "Sopha".

Er könnte auch Bettbank oder Couch oder Diwan sagen. Oder auch einfach Sofa.

Aber nein: Martin Mosebach mag es kompliziert.

Seine Sätze sind lang, seine Sprache scheint nicht in diese Zeit zu passen. Wo andere "Selfies" knipsen, macht Mosebach "Photos". Einer muss das schließlich tun. Mosebach gibt sich als Instanz in Sachen Stilfragen.

Da ist es letztlich unerheblich, ob in seinem neuen Roman "Das Blutbuchenfest", der, wie aus der Handlung hervorgeht, zeitlich zwischen 1990 und 1991 situiert sein muss, ständig Handys benutzt werden, obwohl es damals noch keine allgemeinen digitalen Netze in Deutschland, geschweige denn in einem bosnischen Bergdorf gab, wie das deutsche Feuilleton monierte.

Und mag auch der eine oder andere Ausdruck manieriert wirken, Mosebachs wunderbare Erzählung hat enorme Sogwirkung und wird zum lustvollen Leseerlebnis: Auch Sprachpuristen können Pageturner schreiben!

Archaisch

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Zwischen der Frankfurter Metropole der Eitelkeiten und der archaischen Balkan-Welt putzt die bosnische Putzfrau Ivana mit stoischem Gleichmut. Sie spart, um ihren Eltern in Bosnien teure deutsche Marken-Küchengeräte kaufen zu können. Die Pragmatikerin arbeitet gründlich und akzeptiert mit fast dickköpfiger Bestimmtheit nur Autoritäten, die sich auch als solche benehmen. Als Ivana einen reichen Immobilienmakler im Kasten seiner Geliebten versteckt findet, ist es ihr fortan unmöglich, auch in dessen Haushalt zu putzen.

Ivana ist einer von zwei Dreh- und Angelpunkten dieser Geschichte: Sie putzt für sämtliche Protagonisten, kennt deren Liebesleben und deren Schwächen. Was sie allerdings nie ausnützen würde. Und dann ist da Merzingers Kneipe, wo sich Frankfurts Reiche, Schöne, Schwätzer und chronische Pleitiers treffen. Einer davon ist der derbe PR-Mann Rotzoff, der anschreiben lässt und trotzdem nicht müde wird, Sprüche zu klopfen. Um mit dem Kartenverkauf seinen Schuldenstand zu verringern, organisiert er ein Fest. Als dieses den Höhenpunkt zum ausufernden Gelage gerade überschritten hat, bricht in Jugoslawien der Krieg aus.

Und so wird es auch nichts mehr mit dem Kongress über Menschenwürde am Balkan, den der intellektuelle Großsprecher Wereschnikow (bekannt mit Boutros Ghali und Kissinger!) veranstalten wollte. Berichtet wird diese Geschichte von einem mit Erwerbsarbeit unausgelasteten Kunsthistoriker, der für Wereschnikow eine Ausstellung über den Bildhauer Mestrovic, den "Michelangelo Bosniens" kuratieren sollte.

Kunstvoll, wie Mosebach seinen Erzählteppich webt, ist dieser just ein Cousin von Putzfrau Ivana.

KURIER-Wertung: