Die Rückkehr der Wunderharfe
Es handelte sich um keine Premiere. Um keine Neuproduktion. Die Aufführung wurde nicht live im Fernsehen übertragen. Und unter den Sängern gab es keinen einzigen der sogenannten Stars, die ja heute für mediale Wahrnehmung unerlässlich scheinen. Dennoch war dieser Opernabend nicht nur ein besonderer, ein herausragender, sondern auch ein zukunftsweisender: Christian Thielemann, der neue Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle, stand in dieser Funktion erstmals als Operndirigent am Pult der Semperoper: Beim „Rosenkavalier“ von Richard Strauss.
Weltrang
Zukunftsweisend deshalb, weil man bei diesem Debüt schon erahnte, was da in Dresden wieder erwächst: Eines der musikalisch aufregendsten Opernhäuser der Welt – ein Platz, den die Semperoper in der Vergangenheit ja schon mehrfach eingenommen hatte. Richard Wagner hatte die 1548 gegründete Sächsische Staatskapelle seine „
Wunderharfe“ genannt. Mit Christian Thielemann kommt dieses traumhafte Instrument nun wieder voll zum Klingen.
Nicht dass es vor Antritt des Kapellmeisters aus Berlin nicht auch schon Topdirigenten als Leiter des Dresdner Klangkörpers gegeben hätte, in den vergangenen Jahrzehnten etwa Sinopoli und Haitink (zuletzt allerdings Fabio Luisi). Mit Thielemann ist aber jener Mann in der Semperoper eingezogen, der zur Zeit als höchste Instanz für das deutsche Fach gilt – das Kernrepertoire dieses Theaters.
Thielemanns „Rosenkavalier“ mit den Dresdnern ist bedeutend klangschöner als jener, den er zuletzt mit den Münchner Philharmonikern gestaltet hatte. In diesem akustisch fabelhaften Theater lässt er jedes Detail der Partitur hören, jedes Motiv, jede Girlande, die Strauss in den Raum wirft.
Rasant
Seine dramaturgische Gestaltung ist vom ersten Einsatz an überzeugend. Mit rasanten Tempi und mit Rubati, dann wieder langen Generalpausen, etwa vor dem Schlussterzett, zelebriert er die Schönheiten des Werkes, statt sie zu verstecken. Einen besseren
Strauss wird man nirgendwo anders hören.
Die Inszenierung von Uwe Eric Laufenberg stammt aus dem Jahr 2000, sieht im ersten Akt aus wie jene von Otto Schenk in Wien, ist aber immer wieder ironisch gebrochen und sanft aktualisiert. Der Ochs trägt einen Bart wie Kaiser Franz-Joseph, die Lerchenauischen schauen aus, als würden sie ein alkoholisch ambitioniertes Fest in Bad Ischl feiern.
Leider können nicht alle Sänger mit der orchestralen Leistung mithalten. Wolfgang Bankl ist als (erschlankter) Ochs sehr gut besetzt, singt und spielt überzeugend. Daniela Fally, ebenso aus Österreich, hat als Sophie nur eine gute Höhe und viel zu wenig Ausstrahlung und Kraft in der Stimme. Davon hat Daniela Sindram, der Octavian, genug, setzt sie jedoch auch etwas zu stark ein. Soile Isokoski ist eine bewährte Marschallin, die ihren Monolog berührend singt. Ein bejubelter Abend, für den die teuerste Karte 121,50 Euro kostete (bei anderen Aufführungen teils nur die Hälfte). Wenn die Dresdner dann zu
Ostern nach Salzburg kommen, bekäme man dafür nicht einmal einen Akt zu hören.
KURIER-Wertung: **** von *****